Seit einem Jahr bedroht US-Präsident Donald Trump mit seiner Politik den Freihandel, während China die Globalisierung verteidigt. Höchste Zeit für eine freie Wirtschaft eine Lanze zu brechen, findet Dan Steinbock.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.


Wurde die Rede von Chinas Präsident Xi Jinping am diesjährigen Boao-Forum mit einiger Spannung erwartet, so wurde sie in Washington und vor allem an der Wall Street mit noch grösserem Interesse verfolgt. Denn mittlerweile haben sich die wirtschaftspolitischen Spannungen zwischen dem Reich der Mitte und den USA massiv verschärft.

In seiner Ansprache forderte Xi die Weltgemeinschaft auf, «sich weiterhin für eine offene globale Wirtschaft einzusetzen und die Zusammenarbeit innerhalb der G-20, der APEC und anderer multilateraler Organisationen zu verstärken». Das ultimative Ziel sei die Globalisierung «integriert und ausgewogener zu gestalten, so dass sie einen Nutzen für alle habe», sagte der starke Mann Chinas.

Xi präsentierte auch Pläne zur weiteren Öffnung der chinesischen Wirtschaft. Dazu gehören niedrigere Einfuhrzölle für Autos und andere Produkte sowie der Schutz des geistigen Eigentums und die Verbesserung des Investitionsumfelds für internationale Unternehmen in China. Seine Ansprache war ein klarer Balanceakt, der letztlich die Absicht Chinas unterstreicht, eine offene Weltwirtschaft auch während der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump zu bewahren.

«Donald Trump liess sich nicht einschüchtern und ordnete zusätzliche Zölle an»

Im Gegensatzz dazu führte Präsident Trump Anfang März eine 24-prozentige Steuer auf Stahlimporte ein sowie 10 Prozent auf Aluminium-Einfuhren in die USA. Am 22. März wies Trump seine Regierung an, bei der Welthandelsorganisation (WTO) eine Klage gegen chinesische Technologie-Lizenzierungen einzureichen sowie eine Reihe weiterer Zölle im Gegenwert von 50 Milliarden Dollar für chinesische Produkte zu erheben. Ausserdem schlug er vor, chinesische Investitionen in US-Schlüsseltechnologien zu beschränken.

Als Reaktion darauf erliess China neue Zölle auf amerikanische Stahl- und Aluminiumerzeugnisse sowie auf Wareneinfuhren im Gesamtwert von drei Milliarden Dollar. Doch damit nicht genug: Anfang April erliess China zusätzliche Stahl- und Aluminiumtarife von bis zu 25 Prozent auf total 128 amerikanische Produkte. Tagsdarauf reagierten die USA mit Zöllen auf chinesische Elektronik-Güter im Wert von 50 Milliarden Dollar, was das Reich der Mitte wiederum mit Sanktionen von 50 Milliarden Dollar auf Sojabohnen, Autos und Chemikalien belegte. Trump liess sich davon nicht einschüchtern und ordnete zusätzliche Zölle von 100 Milliarden Dollar gegen China an.

«Im Weissen Haus scheint diese Erkenntnis bislang nicht angekommen zu sein»

Mit einer erstaunlichen Nonchalance spielt Trump einzelne Länder gegeneinander aus. Aus diesem Grund hat er beispielsweise den Nafta-Partnern Mexiko und Kanada, «erste Ausnahmen» und der EU, Südkorea sowie anderen Staaten «befristete Ausnahmen» für Stahl- und Aluminiumtarife gewährt.

Umgekehrt betonte Präsident Xi Jinping vor gut einem Jahr in Davos die Notwendigkeit einer weltumspannenden Zusammenarbeit, und zwar, um den globalen Aufschwung aufrechtzuerhalten. Mit Blick auf einen potenziellen Handelskrieg sagte er damals: «Niemand wird als Sieger daraus hervorgehen.» Im Weissen Haus scheint diese Erkenntnis bislang nicht angekommen zu sein. Umso mehr stellt sich die Frage, wie teuer am Ende ein solches Kräftemessen sein wird.

Mehr noch: Präsident Trump könnte ein böses Erwachen drohen. Denn derzeit sind die wirtschaftlichen Auswirkungen auf chinesische Unternehmen und Banken noch sehr begrenzt. Die USA machen gerade einmal 15 Prozent der chinesischen Warenexporte aus. Heute ist es Chinas Binnenmarkt, der das heimische Wirtschaftswachstum antreibt. Demgegenüber könnte die US-Wirtschaft durch die chinesischen Zölle erheblich stärker belastet werden.

«Es könnte sogar noch schlimmer kommen»

Zweitens werden Trumps unilaterale Zölle schon bald jene Wahlkreise treffen, die für seinen Triumph im Jahr 2016 von entscheidender Bedeutung waren, was wiederum ein hohes Risiko darstellt, wenn die Republikaner im Herbst zu den Parlamentswahlen nach der ersten Hälfte von Trumps Amtszeit antreten. Diese Bauern und Arbeiter gaben Trump ihre Stimme, damit er mit den wichtigsten amerikanischen Handelspartnern bessere Bedingungen aushandelt, aber nicht, damit der einen Handelskrieg anzettelt.

China ist der grösste Abnehmer von amerikanischen Agrarprodukten mit mehr als 20 Milliarden Dollar pro Jahr. Da die Bauern in den USA bislang stark vom Abbau der Handelsbeschränkungen profitiert haben, herrscht im Kernland der Vereinigten Staaten nun ein Unbehagen, dass mit Trumps Zöllen jahrzehntelange Fortschritte zunichte gemacht werden. Dabei könnte es sogar noch schlimmer kommen, sofern sich die Handelsfriktion auf die Nafta- und EU-Partner ausweiten.

Drittens: Da die Staatsverschuldung der USA mittlerweile 20,7 Billionen Dollar (107 Prozent des Bruttoinlandprodukts) übersteigt und Trumps Infrastruktur-Initiative durch rekordhohe Hebelwirkungen angetrieben wird, untergräbt der Handelskrieg Amerikas Einkommensquellen.

Viertens eskaliert Trumps Handelskrieg zu einer Zeit, in der selbst steigende Zinsen nicht länger für einen starken Dollar sorgen können und stattdessen die chinesiche Währung auf dem Vormarsch ist. Darüber hinaus bleibt China mit 1,2 Billionen Dollar an US-Schulden der grösste ausländische Inhaber von US-Staatsanleihen – hinzu kommen 3,1 Billionen Dollar an Devisenreserven.

«Die grenzüberschreitenden Kapitalströme sind seit 2007 um 65 Prozent gesunken»

Fünftens würde Trump, wenn er seinen Handelskrieg fortsetzt, die Beziehungen der Vereinigten Staaten zu den Nafta-Partnern untergraben, EU-Verbündete vor den Kopf stossen und gleichzeitig die Allianzen mit den übrigen Handels- und Sicherheitspartnern in Asien gefährden. Über die Zeit könnte das alles nicht nur den Handel, sondern auch die Investitionen und Finanzierungen zwschen den USA und den Wirtschaftspartnern in Nordamerika, Westeuropa und Ostasien gefährden. 

Sechstens sind die globalen Wachstumsperspektiven kaum gegen einen Handelskrieg gefeit. Die weltweiten Exportvolumina erreichten bereits Anfang 2015 ein Plateau. Im Finanzbereich sind die weltweiten grenzüberschreitenden Kapitalströme seit 2007 um 65 Prozent gesunken.

«Es existiert sogar ein historischer Präzedenzfall»

Vorläufig ist der Schaden der Trump-Tarife noch reparabel und reversibel. Der Effekt einer weiteren Eskalation würde jedoch zu einer Erosion der globalen Investitionen, des Handels und der Finanzen führen. Das wiederum hätte das Potenzial, die fragile Erholung der Weltwirtschaft zu verhindern und die internationalen Handelsströme zu beeinträchtigen.

In diesem Fall könnten vier Jahrzehnte bilateraler Vertrauensbildung innerhalb von vier Wochen untergraben werden, und das Misstrauen würde bald auf die Beziehungen der Vereinigten Staaten zu allen Partnern in der Welt übergreifen. In dieser Hinsicht existiert sogar ein historischer Präzedenzfall.

Nachdem die US-Wirtschaft in den 1930er-Jahren in die Weltwirtschaftskrise geschlittert war, verhängte Washington den Smoot-Hawley-Zolltarif, der den Weg zu noch viel Schlimmerem ebnete. Trumps Zollkrieg steht insofern auch auf der falschen Seite der Geschichte.


Dan Steinbock ist Gründer der Difference Group, hat als Forscher am India, China and America Institute (USA) gearbeitet und war als Visiting Fellow an den Shanghai Institutes for International Studies (China) sowie am EU Centre (Singapore) tätig. Eine längere Version dieses Texts erschien in «China US Focus».


Bisherige Texte von: Rudi BogniOliver BergerRolf BanzSamuel GerberWerner VogtWalter WittmannAlfred Mettler, Robert HolzachCraig MurrayDavid ZollingerArthur BolligerBeat KappelerChris RoweStefan GerlachMarc Lussy, Nuno FernandesRichard EggerDieter RuloffMarco BargelSteve HankeUrs Schoettli, Maurice PedergnanaStefan Kreuzkamp, Oliver BussmannMichael BenzAlbert Steck, Andreas BrittMartin DahindenThomas FedierAlfred MettlerBrigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Thorsten PolleitKim IskyanStephen DoverDenise Kenyon-RouvinezChristian DreyerKinan Khadam-Al-JameRobert HemmiAnton AffentrangerYves Mirabaud, Hans-Martin KrausGérard GuerdatDidier Saint-GeorgesMario BassiStephen ThariyanDan SteinbockRino BoriniBert FlossbachMichael HasenstabGuido SchillingWerner E. RutschDorte Bech VizardAdriano B. LucatelliKatharina BartMaya BhandariJean TiroleHans Jakob RothMarco MartinelliBeat WittmannThomas SutterTom KingWerner PeyerThomas KupferPeter Kurer, Arturo Bris, Michel Longhini, Frédéric Papp, Claudia Kraaz, James Syme, Peter Hody, Claude Baumann, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Ralph Ebert, Marionna Wegenstein, Armin JansNicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio QuirighettiClaire Shaw, Michael A. WeltiPeter FanconiAlex Wolf

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
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