Als ich mich im vergangenen Sommer als Feministin bezeichnete, rief dies eine Welle von ermutigenden Kommentaren, aber auch Kritik hervor, schreibt die spanische Bankiersfrau Ana Botín auf finews.first.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.


Als mich die spanische Radiomoderatorin Pepa Bueno diesen Sommer fragte, ob ich eine Feministin sei, erwiderte ich instinktiv ja. Ich sagte dies, ohne zu zögern. Das rief eine Welle von überraschenden und ermutigenden Kommentaren, aber auch an Kritik hervor – eine willkommene Debatte setzte sich so in Gang.

Hätte Pepa Bueno vor zehn Jahren dieselbe Frage gestellt, ich hätte nein geantwortet. Entgegen allen Vermutungen hatte ich in dieser Thematik nie ein «Damaskuserlebnis», also ein Ereignis, das mir eine einschneidende Selbsterkenntnis vermittelte, so dass sich meine Einstellung veränderte. Ich habe in meinem Berufsleben ganz einfach immer wieder beobachten können, wie Frauen insgesamt nicht fair behandelt wurden. Dennoch wehrte sich mein Bauchgefühl stets gegen die Forderung nach Quoten. Denn ich denke bis heute, dass solche Regelungen letztlich sowohl Männer wie auch Frauen benachteiligen. Es war auch nie meine Absicht, den Männern Vorwürfe zu machen, und ich wollte auch nie ein Geschlecht dem andern vorziehen.

«Wenn ich härter arbeitete als meine Chefs, blieben meine Bemühungen nicht unbemerkt»

Trotzdem ist es offensichtlich, dass Frauen und Männer physiologisch und psychologisch nicht gleich sind - obwohl wir uns viel ähnlicher sind, als manche Menschen denken. Bedeutsamer ist eher, dass Frauen während ihres Lebens höchst unterschiedlichen Erfahrungen und Erwartungen im Berufsleben ausgesetzt sind. Und dabei bin ich bis heute der Meinung, dass Frauen ganz besondere Fähigkeiten besitzen, um in einer meritokratischen (Berufs-)Welt vorwärts zu kommen. Während meiner achtjährigen Tätigkeit bei einer US-Bank in New York stellte ich selber fest: Wenn ich mich zu Wort meldete und härter arbeitete als meine Chefs, blieben meine Bemühungen nicht unbemerkt.

Sheryl Sandberg propagiert in ihrem Buch «Lean In» diese – ich würde sagen – differenzierte Form von Feminismus, indem sie feststellt, dass wenn sich Frauen in eine Sache «hineinknien», sie auch weiterkommen können – immer unter der Voraussetzung, dass auch die entsprechenden Rahmenbedingungen stimmen. Es ist ein Feminismus, der bei uns selber anfängt und keiner kollektiven Organisation bedarf, geschweige denn eines Etiketts, als Feministin zu gelten. Insofern ist dies auch etwas Unpolitisches. Vielleicht bin ich gerade deswegen so stark von dieser Idee fasziniert.

Ich habe in unterschiedlichen Firmen gearbeitet und dabei stets die Notwendigkeit von persönlicher Durchsetzungsfähigkeit erfahren. Vor mehr als zehn Jahren, als ich der spanischen Bank Banesto vorstand, hielt ich eine Rede in Bilbao – vor lauter Männern. Meine damaligen Ausführungen über ein gerechteres Arbeitsumfeld sprechen mir bis heute aus der Seele.

«Frauen bringen neben Talent eine ganze Reihe von wertvollen Kompetenzen mit»

Ich skizzierte damals eine Welt, in der Frauen sowohl selbstbewusster agieren als auch unsere Arbeitskultur - und damit die Gesellschaft – verändern müssen. Ich betonte dabei die Bedeutung von Vielfalt am Arbeitsplatz und zitierte dabei aus verschiedenen Studien, wonach Frauenquoten nicht fair seien.

Frauen, erklärte ich, bringen neben Talent noch eine ganze Reihe von wertvollen Kompetenzen mit, welche die Fähigkeiten der Männer ergänzen. Dazu gehören ein Gespür für zwischenmenschliche Kommunikation, der Wille zu kooperieren, zuzuhören sowie in hierarchiefreieren Dimensionen zu denken. Daraus ergibt sich eine überdurchschnittliche Empathie sowie ein schärferer Sinn, um die richtigen Prioritäten zu setzen.

«Alle diese Forderungen stellen keine Bedrohung für Männer dar»

Um in Führungsgremien der Wirtschaft stärker vertreten zu sein, müssen sich Frauen, wie eingangs erwähnt, «hineinknien». Das heisst nicht, härtere Ellbogen zu haben und alles besser zu wissen. Die Lösung besteht vielmehr darin, sicherzustellen, dass sowohl diejenigen (egal ob männlich oder weiblich), die besser sprechen können, als auch diejenigen die besser zuhören, sich allesamt einbringen können, um dazu beizutragen, dass Arbeitsprozesse und letztlich ganze Organisationen besser werden. Dazu bereit es vermehrt institutionalisierte Arbeitsregelungen und -modelle, nur schon, damit beispielsweise auch mehr Männer von zu Hause aus arbeiten können und so auch mehr Verantwortung übernehmen können.

Insofern ist das Streben nach Gleichberechtigung der Antrieb für eine gesündere Work-Life-Balance und zwar für beide Geschlechter. In meiner Rede vor zehn Jahren stellte ich abschliessend fest: Um eine gute Work-Life-Balance zu erreichen, müssen wir die Leistungen der Mitarbeiter an dem messen, was sie effektiv liefern und leisten, und nicht an den Präsenzstunden im Büro. Manager müssen dazu gebracht werden, schlechte Angewohnheiten abzulegen, wie lange Arbeitsessen und Last-Minute-Meetings, die spät am Tag noch organisiert werden müssen. Diese Forderungen stellen keine Bedrohung für Männer dar, sondern sie sind eine Chance, Talente und Fähigkeiten zu nutzen, um geschäftlichen Erfolg und sozialen Fortschritt zu erzielen.

Der Text ist in einer längeren Fassung auch auf LinkedIn erschienen.


Ana Botín ist Verwaltungsratspräsidentin der spanischen Santander-Gruppe. Bis September 2014 war sie Vorsitzende von Santander UK, dem britischen Ableger der Banco Santander. Laut diversen Rankings gehört die heute 57-jährige Spanierin zu den einflussreichsten Managerinnen in Europa. Sie ist die älteste Tochter von Emilio Botín, dem früheren Vorsitzenden der Banco Santander. Nach dem Tod ihres Vaters stieg sie zu dessen Nachfolger auf. Sie ist verheiratet und hat drei Kinder.


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