Das Abkommen mit den USA werfe rechtsstaatliche Prinzipien über Bord, sagt der Rechtsanwalt Michel Haymann. Darum sei es abzulehnen.

Michel_Haymann_qDer Autor ist Rechtsanwalt in Zürich und befasst sich mit wirtschaftsrechttlichen Belangen.

Die Ablehnung des vom Bundesrat propagierten Staatsvertrages durch das Parlament ist absehbar. Der Bundesrat reagiert darauf mit seinem Planungsbeschluss zur Lösung des «too big to fail»-Problems (Pressemitteilung der Bundeskanzlei), während sich in der Meinungspresse die Aufrufe für eine Annahme des Vertrags häufen, im wesentlichen mit zwei Argumenten.

Zunächst drohten im Ablehnungsfalle Retorsionsmassnahmen der USA der Schweizer Wirtschaft und dem Finanzplatz Schweiz bleibenden Schaden zuzufügen; zum zweiten opferten die politischen Taktierer leichtfertig Landesinteressen, wenn sie ihre Zustimmung an aufsichtsrechtliche flankierende Massnahmen im Bankenwesen knüpften («Too-big-to-fail-Problematik», Eigenkapitalvorschriften, Bonusregelung).

Parteipolitische Winkelzüge

Natürlich sind die parteipolitisch motivierten Winkelzüge im Vorfeld der parlamentarischen Behandlung des UBS-Vertrages bar jeder Glaubwürdigkeit, zumal die beiden Problemkreise nichts miteinander zu tun haben. Aber auch der Hinweis auf einen wirtschaftspolitischen Rachefeldzug der USA taugt als Argument für eine Zustimmung zum UBS-Vertrag nicht.

Wirtschaftspolitische Sanktionen der USA – so sie denn ergriffen würden – sind das eine; die Erhaltung der Integrität der Schweiz im aussenpolitischen Auftritt das andere.

Rechtswidrige Regelung

Keiner fragt danach, worum es sich bei diesem Staatsvertrag eigentlich handelt: Er versucht, im UBS-Fall das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage für Amthilfe an die USA in Steuersachen damit zu heilen, dass man den bestehenden Zustand umbenennt und ihn durch das Parlament genehmigen lässt. Darf man das?

Der UBS-Staatsvertrag mit den USA ist eine Obszönität, weil er wesentliche rechtsstaatliche Prinzipien über Bord wirft und dies mit der formalen Legalisierung einer vom Bundesverwaltungsgericht als rechtswidrig bezeichneten Vorgehensweise verschleiert. Er will eine Regelung, welche die Justiz als rechtswidrig erkannt hat, bei gleichbleibendem Inhalt in Form eines Staatsvertrages parlamentarisch absegnen lassen, damit nachträglich Gesetz werde, was bisher widerrechtlich war.

Ausschaltung der Justiz

Hinzu kommt, dass gesetzgeberische Erlasse des Parlamentes von der Justiz kaum auf ihre Verfassungsmässigkeit überprüfbar sind. Die Ausschaltung der Justiz ergibt sich so als Nebenerfolg.

In der innenpolitischen Diskussion stört sich offenbar niemand daran, dass der Plan des Bundesrates gegen das für einen Rechtsstaat grundlegende Verbot der Rückwirkung gesetzlicher Erlasse verstösst. Das Rückwirkungsverbot sorgt dafür, dass der Rechtsuntertan im Voraus weiss, woran er sich zu halten hat. Dieses Grundrecht versagt ihm der UBS-Staatsvertrag schlechthin.

Verratene Kunden

Vor rund zwei Jahren verkündete Bundesrat Merz in Kenntnis der wirtschaftlichen Tatsachen, die das Vermögensverwaltungsgeschäft in der Schweiz über Jahrzehnte geschaffen hat, laut und klar, das Bankgeheimnis sei nicht verhandelbar. Am 18. Februar 2009 fand seine unsägliche Pressekonferenz statt, die den Beschluss des Bundesrates, rund 280 Dossiers amerikanischer Kunden der UBS ohne Rechtsgrundlage an die amerikanischen Steuerbehörden auszuliefern, bekanntgab.

Sämtliche ausländischen Bankkunden mit nichtdeklarierten Werten im Schweizer Bankensystem, die sich auf die früheren Erklärungen unserer Regierung und unsere Rechtsordnung verlassen haben, müssen sich verraten fühlen, wenn sie auf diese Wende zurückblicken.

Erpresserischer Druck

Lässt sich ein derartiges Verhalten mit der eigenen Erpressbarkeit rechtfertigen? Ist es dem internationalen Ansehen der Schweiz förderlich, unter erpresserischem Druck widerstandslos aufzugeben, was eine seit Jahrzehnten verteidigte rechtliche Betrachtungsweise war, auf die sich die ausländischen Bankkunden verlassen hatten?

Der Versuch, eine Sonderregelung für die UBS zu treffen, hat sich als rechtswidrig erwiesen. Es ist kaum verständlich, dass man einen als rechtswidrig erkannten Zustand dadurch zu zementieren sucht, dass man ihn auf Gesetzesstufe stellt und dem Parlament die Verantwortung dafür überträgt, vor der offensichtlichen Verfassungswidrigkeit ein Auge zuzudrücken.

In der Vergangenheit erfolgreich

Auch das Scheinargument, eine Ablehnung des Staatsvertrages mache die Schweiz völkerrechtlich vertragsbrüchig, ist nicht lauter: Jeder völkerrechtliche Vertrag steht unter dem selbstverständlichen Vorbehalt seiner Verfassungsmässigkeit und Ratifikation. Diese soll hier eine verfassungswidrige Regelung sanktionieren.

Die Schweiz hat sich in der Vergangenheit in Kartellsachen, welche die Uhrenindustrie als schweizerische Kernindustrie betrafen, gegen Übergriffe der amerikanischen Justiz unter Berufung auf völkerrechtliche Grundsätze zur Wehr gesetzt. Die USA und ihre Justiz haben für entsprechende Argumente durchaus Verständnis.

Unverhältnismässige Massnahmen thematisieren

Es ist allerdings Sache der betroffenen Regierung, die Völkerrechtswidrigkeit unverhältnismässiger Massnahmen zum Thema zu machen. Dazu braucht es den Mut und das Selbstverständnis, vor dem Imponiergehabe des Mächtigeren nicht sofort jämmerlich zu kollabieren. Ducken fördert keinen Respekt; ebensowenig der abwiegelnde Austausch von Freundschaftsbeteuerungen mit Käufern gestohlener Daten.

Freilich ist die Art der Kapitulation, die einhergeht mit einem plötzlichen Bekenntnis zu einer diffusen «Weissgeld-Strategie», so glaubwürdig wie das politische Gerangel um die Zustimmung zum Staatsvertrag, der ohne Scham rechtsstaatliche Prinzipien ignoriert.

Der Staat, der Grundprinzipien seiner Rechtsstaatlichkeit momentaner politischer Opportunität opfert, gibt sich selber auf. Es gibt gar keine andere Wahl als den Mut zum Nein.


Dieser Beitrag erscheint auch in der neusten Ausgabe von «Tachles».

 

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