Die Schweizerische Nationalbank wird dieses Jahr zwei Milliarden Franken an Bund und Kantone ausschütten. Das weckt weitere Begehrlichkeiten. Diese sind unangemessen, schreibt Christoph Sax auf finews.first.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.


Schlechte Performance der Aktienmärkte, Kursverluste des Euro: 2018 war ein mageres Anlagejahr – auch für die Schweizerische Nationalbank (SNB). Auf den Fremdwährungs-Positionen resultierte ein Bewertungsverlust von rund 16 Milliarden Franken. Dadurch erwartet die SNB unter dem Strich einen Jahresverlust von rund 15 Milliarden Franken (vgl. Ankündigung vom 9. März 2019).

Bund und Kantone können sich dennoch freuen: Trotz dieses Verlusts und der Erhöhung der Rückstellungen für Währungsreserven um 5,4 Milliarden Franken kann die SNB wie im Vorjahr 2 Milliarden Franken an die öffentliche Hand ausschütten. Grund dafür ist die hohe Ausschüttungsreserve, die dank der guten Anlageergebnisse der Vorjahre auf 67,3 Milliarden Franken angewachsen war. Für das laufende Jahr dürfte sie noch rund 45 Milliarden Franken betragen. Falls diese Reserve unter 20 Milliarden Franken sinkt, werden die Ausschüttungen an die öffentliche Hand reduziert.

«Diese Begehrlichkeiten sind insbesondere aus zwei Gründen problematisch»

Dessen ungeachtet werden vermehrt Forderungen nach einer stärkeren Querfinanzierung des Staats aus den Devisenbeständen laut – etwa zur Finanzierung der AHV oder von Infrastrukturprojekten. Diese Begehrlichkeiten sind aus zwei Gründen problematisch:

Erstens werden die künftigen Anlageerträge der SNB tendenziell überschätzt. Angesichts der hohen politischen Stabilität der Schweiz, der niedrigen Teuerung und der Leistungsbilanz-Überschüsse ist auf lange Frist ein weiteres Erstarken des Franken gegenüber dem Euro und dem Dollar absehbar – was wiederum Währungsverluste auf den Devisenanlagen nach sich ziehen wird. Diese werden bei den Obligationen, die den Grossteil der investierten Mittel ausmachen, die Anlageerträge im Laufe der Jahre zunichte machen.

Zweitens stellen die Fremdwährungsreserven der SNB trotz ihres grossen Volumens von rund 750 Milliarden Franken kein Volksvermögen und somit keinen schlummernden Schatz dar. Sie wurden mehrheitlich mit Fremdkapital finanziert – und nicht wie bei einem Staatsfonds etwa durch Einnahmen aus dem Verkauf von Rohstoffen.

«Im Zuge der Devisenkäufe hat sich diese engste Definition der Geldmenge seit 2008 verzwölffacht»

Die SNB kaufte Wertpapiere (Aktiven) von den Banken und bezahlte diese mit neu geschaffenem Buchgeld (Passiven), indem sie den Kaufbetrag den Banken auf deren Girokonten bei der SNB gutgeschrieben hat. Die Banken haben somit Wertpapiere gegen Sichtguthaben getauscht. Diese stellen – wie es der Name sagt – Guthaben der Banken bei der SNB oder eine Schuld der SNB gegenüber den Banken dar. Sie sind Teil der Notenbankgeldmenge. Im Zuge der Devisenkäufe hat sich diese engste Definition der Geldmenge seit 2008 verzwölffacht.

Aus finanztechnischer Sicht hat die SNB folglich Fremdwährungs-Obligationen und Aktien auf Kredit erworben. Nur wenn die Verluste auf diesen Anlagen nicht grösser sind als die dafür gebildeten Rückstellungen, wird die SNB ihre Bilanz – und damit auch die Geldmenge – dereinst ohne Schmälerung ihres Eigenkapitals (im Vergleich zum Stand vor den Devisenkäufen) wieder auf ein normales Niveau reduzieren können.

«Bis diesbezüglich Klarheit herrscht, kann es noch lange dauern»

Die Diskussion um die Querfinanzierung des Staats darf sich deshalb ausschliesslich auf die Anlageerträge aus den Fremdwährungspositionen beziehen, nicht aber auf deren Bestände und die damit verbundenen Rückstellungen. Auch von einer zwischenzeitlichen Zweckentfremdung dieser Anlagen ist abzusehen, weil sie Teil des geldpolitischen Instrumentariums sind. Die Handlungsfähigkeit und die Reputation der SNB würden darunter leiden.

Mit zusätzlichen Zuwendungen an den Staat, die über die gegenwärtige jährliche Ausschüttung hinausgehen, gilt es folglich zuzuwarten, bis die SNB diese Anlagen wieder abgestossen hat, oder zumindest bis klar ist, ob nach Beendigung dieser Investitionen überhaupt ein Gewinn resultiert respektive eine Stärkung des Eigenkapitals stattgefunden hat (im Vergleich zum Stand vor den Devisenmarktinterventionen). Bis diesbezüglich Klarheit herrscht, kann es noch lange dauern.

Langfristig muss es jedoch das Ziel der SNB sein, die hohe Überschussliquidität im Bankensystem und die Devisenbestände wieder auf ein normales Mass zu verringern und das Negativzins-Regime zu beenden, weil es die Finanzstabilität gefährdet und zukünftige Generationen belastet.

Im Idealfall wächst die Ausschüttungsreserve im Laufe der Jahre weiter an, so dass dereinst eine stattliche Sonderausschüttung an die Allgemeinheit getätigt werden kann. Das Finanzjahr 2018 hat jedoch gezeigt, dass langfristig nicht unbedingt mit einem stetigen Wachstum dieser Reserve zu rechnen ist.


Christoph Sax ist seit Anfang 2017 Chefökonom der Migros Bank. Zuvor war er als Makroökonom und stellvertretender Leiter Finanzanalyse für die Luzerner Kantonalbank (LUKB) tätig.


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