Droht dem osteuropäischen Land dasselbe Schicksal wie Griechenland? Und was sind die Folgen für Europa? Ein paar Antworten auf die drängendsten Fragen.

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Die Anlegerschaft hat die Situation in Ungarn zum Anlass genommen, ihre Risikopotenziale genauer zu überwachen und gegebenenfalls zu reduzieren. Die Ökonomen des holländischen ING-Finanzkonzerns haben die Situation beurteilt und geben dazu folgende Einschätzungen.

Was ist passiert?

Die Märkte sind nervös. Diejenigen Anleger, die Europa bereits mit Misstrauen betrachtet haben, sind sogar noch skeptischer, was den Euro betrifft. Budapests Äusserungen in der vergangenen Woche haben diese Vertrauenskrise noch verstärkt. Alles, was sich in einem negativen Licht interpretieren lässt, wird auch so gesehen. Dabei wird die Bedeutung schlechter Nachrichten exponentiell übertrieben. Auch dies ist auf den weltweiten Mangel an Zuversicht zurückzuführen.

Konkret zum Thema Ungarn: Was genau hat die Investoren verschreckt?

Seit ein paar Tagen hat Ungarn eine neue Regierung unter Führung der Fidesz-Partei, deren Vorsitzender Lajos Kosa Ungarn mit Griechenland verglich und darauf hinwies, dass Ungarn in weitaus schlechterer Verfassung sei als zunächst angenommen. Am Freitag meldete sich der Sprecher von Premier Viktor Orban zu Wort und teilte mit, dass die Vorgängerregierung die Zahlen gefälscht habe und ein Staatsbankrott denkbar sei.

Nicht gerade hilfreich. Was steckt dahinter?

Eine mögliche Erklärung für diese Äusserungen ist, dass die neue Regierung das bestehende Arrangement mit dem IWF neu verhandeln will. Kommissionspräsident Barroso liess nach einem Treffen mit Orban allerdings verlauten, dass Ungarn seinen Haushalt schleunigst in den Griff bekommen müsse. Der bestehende IWF-Plan stammt aus dem Jahr 2008, dem Beginn der Kreditkrise, als die Märkte jegliches Vertrauen in Ungarn verloren hatten und die Währung des Landes abrutschte.

Was ängstigt die Märkte am meisten?

Die neue Regierung will die Schuld für die Wirtschaftsprobleme anscheinend der vorigen Regierung zuschieben, bei der es sich lediglich um eine Interimsregierung handelte, die verschiedene Notfall-Massnahmen umgesetzt hatte. U. a. wurde das Haushaltsdefizit reduziert. Die Märkte befürchten, dass die neue Regierung die Haushaltsdisziplin lockern will. Diese Sorge stützt sich auf das Wahlversprechen der Fidesz-Partei, die Bedingungen des IWF-Rettungspakets neu auszuhandeln. Darüber hinaus hatte die Partei sogar Steuersenkungen in Aussicht gestellt.

Wie geht die neue Regierung dieses Problem an?

Zunächst verglich man sich mit Griechenland. So wurde u. a. für dieses Jahr ein Haushaltsdefizit von 7,0 Prozent des BIP (anstatt der geplanten 3,8 Prozent) prognostiziert. Später betonte man die Unterschiede zur griechischen Situation. So beträgt die Staatsverschuldung Ungarns rund 80 Prozent des BIP gegenüber 133 Prozent in Griechenland.

Was ist Ungarns Schwachstelle in punkto Wirtschaftswachstum?

Ungarns Wirtschaft ist stark von Exporten abhängig, vor allem in die EU. Auf den Exportsektor entfallen über 70 Prozent des BIP. Davon gehen wiederum 80 Prozent in Länder der Europäischen Union. Diese Abhängigkeit macht das Land vor allem zu Zeiten anfällig, in denen die Märkte sich bereits um die wirtschaftliche Verfassung Europas sorgen. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund einer Staatsschuldenkrise und geplanter Kürzungen der Staatsausgaben. Der schwache Forint ist natürlich günstig für die Exporte, aber negativ für diejenigen, die Darlehen in Euro und anderen Fremdwährungen abzahlen müssen. Noch kann Ungarn jedoch einen Leistungsbilanzüberschuss aufweisen, der sich dank schwacher Konsumausgaben wohl halten wird.

Welche Massnahmen hat Ungarn am 7./8. Juni zur Beruhigung der Märkte ergriffen?

Am 7. Juni machte die neue Regierung die vollmundige Ankündigung, dass das Haushaltsdefizit für 2010 das von der Vorgängerregierung gesetzte Defizitziel von 3,8 Prozent erreichen werde. Nach der Ungewissheit in der vergangenen Woche war dies ein gutes Zeichen. Am 8. Juni wurden Massnahmen zur Umsetzung dieses Ziels angekündigt. So soll beispielsweise eine neue Steuer auf Bankeinkünfte eingeführt und die öffentlichen Gehälter gekürzt werden. Ferner dürfen Hypotheken nicht mehr auf Fremdwährung lauten. Des Weiteren gab die Regierung zusätzliche Sparmassnahmen in Höhe von 1,0 bis 1,5 Prozent bekannt, um das Defizitziel im vereinbarten Rahmen zu halten. Infolge dieser Ankündigungen legte der Forint am 8. Juni gegenüber dem Euro um 2,0 Prozent zu, nachdem er an den Vortagen um etwa 5,0 Prozent abgesackt war.

In einer von hoher Ungewissheit geprägten Zeit steht für ein Land, das derartig stark von äusseren Faktoren abhängt, sehr viel auf dem Spiel. Das gilt aber auch für die wirtschaftspolitischen Instanzen in Europa, insbesondere angesichts der «Ansteckungsgefahr» der Krise in anderen Ländern Zentral- und Osteuropas. Polen sieht sich – wenn auch in geringerem Masse – denselben Problemen wie Ungarn gegenüber. Auch hier haben sich Private in Fremdwährungen wie dem Euro verschuldet. Der jüngste Einbruch des Zloty war daher äusserst ungünstig für polnische Verbraucher. Dank höherer Binnenausgaben verfügt Polen allerdings über eine ausgeglichenere Volkswirtschaft.

 

 

 

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