Die Schweizer Finanzbranche ist zentral für unser Land. Darum kann sie es sich nicht leisten, die Gleichstellung der Geschlechter zu vernachlässigen, schreibt Shanu Hinduja exklusiv auf finews.first.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.


Es muss etwas geschehen, damit die Schweizer Bankbranche endlich Flagge zeigt – für mehr Vielfalt und Gleichberechtigung. Gerade weil der hiesige Finanzsektor einer der wichtigsten Errungenschaften unseres Landes ist, kann er es sich nicht leisten, bei einem so wichtigen Thema wie der Gleichstellung der Geschlechter im Hintertreffen zu sein.

Auf dem Spiel steht nichts weniger als die Reputation der Schweiz als ein weltweit führendes Finanzzentrum, das in mehrfacher Hinsicht Modellcharakter besitzt, sei das nun in in Regulationsfragen oder in der Corporate Governance. Das macht den Ruf des Swiss Private Banking aus. Aus diesen Überlegungen heraus hat mein Vater, Srichand P. Hinduja, seinerzeit auch die Hinduja Bank in Genf gegründet, was ihr wiederum stets ein ausserhordentlich hohes Ansehen verliehen hat.

Das Schweizer Bankwesen ist zu einem sehr grossen Teil international ausgerichtet und damit stark exportorientiert. Rund die Hälfte der hierzulande betreuten Gelder stammt von ausländischen Kunden; und in der grenzüberschreitenden Vermögensverwaltung für Privatkunden bringt es das Land auf einen Marktanteil von 27,5 Prozent.  

«Tatsache ist, dass Minderheiten wie Jungunternehmer und Frauen nach wie vor benachteilligt sind»

Doch gerade ein solcher Weltmarktführer muss auch in der Lage sein, in der Geschlechtergleichstellung voran zu gehen. Unabhängig davon, ob jemand eine Karriere in der Branche einschlagen will oder nach Finanzierungsmöglichkeiten für Projekte sucht. Tatsache ist, dass Minderheiten wie Jungunternehmer und Frauen nach wie vor benachteilligt sind; sei das im Private Banking selber oder in der aufstrebenden Fintech-Szene – ein enormes Potenzial wird dadurch nicht freigesetzt.

Die Hinduja-Gruppe investiert im Nahen Osten bereits sehr viel in die Förderung von Frauen und Jugendlichen, um nicht zuletzt auch die nächste Generation anzusprechen. Vor diesem Hintergrund wäre es heuchlerisch, dies nur im Nahen Osten zu tun und nicht auch da, wo der Unternehmenssitz ist – in der Schweiz. Dafür setze ich mich ein. Und es ist auch nicht alles schlecht. So ist beispielsweise der Anteil der weiblichen Bankangestellten auf dem Schweizer Finanzplatz laut der Schweizerischer Bankiervereinigung (SBVg) im vergangenen Jahr von 37,1 Prozent auf 37,5 Prozent gestiegen.

Das mag vordergründig eine geringe Verbesserung darstellen. Doch allein schon die Tatsache, dass dieses Plus auf nachhaltigen Fortschritten in den Vorjahren beruht, sollte uns zuversichtlich stimmen, dass es durchaus Fortschritte gibt.

«Ein solcher Befund ist für Frauen nicht ermutigend»

Als erste weibliche Verwaltungsratspräsidentin in der Geschichte der Hinduja Bank in der Schweiz öffnete ich eine Tür, die wiederum den Weg ebnete, eine weitere Frau in dieses Aufsichtsgremium zu wählen. Doch es muss noch mehr geschehen – überall auf der Welt, zumal die Gleichstellung der Frau den Finanzsektor global betrifft.

Da die Hinduja Bank ihren Sitz in der Schweiz hat, will ich mich jedoch primär hier engagieren, selbst wenn dies auch bedeutet, ihn mit einigen harten Wahrheiten zu konfrontieren, wie dies kürzlich auch mein Beitrag in der Londoner «Sunday Times» (Artikel bezahlpflichtig) tat.

Ich bin mir durchaus bewusst, dass ich gemessen an der Anzahl weiblicher Führungskräfte in der hiesigen Bankbranche in einer klaren Minderheit bin. Dennoch hat es mich frustriert – jedoch nicht überrascht –, dass es laut einer kürzlichen Umfrage von finews.ch in 50 Schweizer Banken nur drei weibliche CEOs gibt.

Ein solcher Befund ist für Frauen nicht ermutigend. Die Credit Suisse wiederum hat festgestellt, dass es hierzulande rund 70 Prozent weniger Frauen als Männer gibt, die Finanzchef eines Unternehmens sind. Solche strukturellen Ungleichgewichte verhindern letztlich, dass Frauen auch andere Führungspositionen kaum erreichen.

«An beruflichen Anlässen werde ich oft gefragt, weshalb ich eine Krawatte trage»

Angesichts der Tatsache, dass nur 6,7 Prozent der Posten in Verwaltungsräten von Frauen besetzt sind, darf es nicht verwundern, dass männlich dominierte Aufsichtsgremien dazu neigen, Führungsfunktionen vorwiegend Männern zu geben. Karrierebrüche müssen manche Frauen nach wie vor auch deswegen hinnehmen, wenn sie sich entscheiden, Kinder zu bekommen.

Das Schweizer Recht garantiert zwar einen Mutterschaftsurlaub von 14 Wochen, was begrüssenswert ist, doch immer noch zu den kürzesten Werten in Europa gehört. Natürlich gibt es Perspektiven, dass Frauen schon in wenigen Jahren mehr Führungspositionen erreichen werden.

Doch es muss noch mehr geschehen, insbesondere in unteren Chargen. In den Schweizer Geldinstituten mit dem höchsten Anteil an weiblichen Beschäftigten, den Schweizer Regionalbanken und Sparkassen, beträgt der Anteil auch erst 45,2 Prozent respektive 44,6 Prozent.

An beruflichen Anlässen werde ich oft gefragt, weshalb ich eine Krawatte trage. Vielleicht fühle ich mich irgendwie gezwungen, mich meinen männlichen Geschäftskollegen anzupassen. Aber gleichzeitig sollte man heute auch das Recht haben, sich so zu kleiden wie man es möchte. Auch das hat mich bestärkt im Glauben, dass wir mehr weibliche Führungskräfte und Unternehmerinnen brauchen.

Die Schweiz muss in der internationalen Finanzwelt als Vorbild vorangehen. Denn wenn sie das Thema proaktiv und gezielt angeht, wird sie die Früchte eines lebendigen und leistungsorientierten Arbeitsmarkts ernten, der zum weiteren Wachstum unserer Wirtschaft beträgt. Als Gestalter des Schweizer Finanzplatzes sind wir es allen Frauen schuldig, dass dafür sorgen, dass das Swiss Banking im 21. Jahrhundert gleichberechtigt, integrativ und zweckmässig funktioniert.


Shanu S.P. Hinduja ist Verwaltungsratspräsidentin der Hinduja Bank (Schweiz), Präsidentin der Hinduja Foundation U.S. sowie Co-Präsidentin der Firma Hinduja Global Solutions. Sie ist die Tochter des Bankgründers Srichand Parmanand Hinduja. Sie begann ihre Karriere in der Finanzbranche bei Merrill Lynch, wechselte dann zu Morgan Stanley sowie zu Nomura, wo sie im Portfolio- und Asset-Management arbeitete. Sie studierte Wirtschafts- und Finanzwissenschaften an der Insead Business School in Frankreich. In diesem Jahr wurde sie zur Professorin für «Leadership» am Institute of Management der britischen Bolton University ernannt. Der vorliegende Beitrag widerspiegelt die Meinung der Autorin und nicht diejenige der Hinduja Bank (Schweiz) oder derer Tochterfirmen.


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