Gemäss Xi Jinping befindet sich China auf einem neuen Langen Marsch. Diese Aussage könne auch als Warnung an US-Präsident Donald Trump verstanden werden, dass ein Handelskrieg nicht einfach zu gewinnen sei, schreibt Peter van der Welle auf finews.first


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.


Präsident Xi Jinping hat die Herausforderung, vor der China angesichts des Handelskriegs mit den USA steht, mit einem «neuen Langen Marsch» verglichen. Damit nahm er Bezug auf den über 9'000 Kilometer reichenden Rückzug der Roten Armee vor den herrschenden Nationalisten in den Jahren 1934/35. Der Lange Marsch markiert den Aufstieg von Mao Tse-Tung und die Geburt der kommunistischen Nation in China.

Mit seiner Bemerkung reagierte Xi Jinping auf die jüngste Verschärfung des Handelskonflikts durch die Regierung von US-Präsident Donald Trump. Die Erhöhung der Einfuhrzölle auf chinesische Importe im Volumen von 200 Milliarden Dollar und die Drohung, einen 25-prozentigen Zoll auf ein Warenvolumen von weiteren 300 Milliarden Dollar zu erheben, machten Hoffnungen auf ein Handelsabkommen im Mai zunichte. Der Handelskonflikt stellt vor allem für Aktien aus Schwellenländern eine Belastung dar.

«Die Analogie zum Langen Marsch erscheint gut gewählt»

Nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) könnte ein ungebremster Handelskrieg das Wirtschaftswachstum in den USA um 0,5-Prozentpunkte und in China um 1,5-Prozentpunkte dämpfen. Der Kursrückgang bei chinesischen Aktien um 13 Prozent im vergangenen Mai spiegelt eindeutig die Sorgen der Anleger um eine Fortdauer des Handelskonflikts wieder.

Die Analogie Xis zum Langen Marsch erscheint gut gewählt. Zwar wird es noch Jahrzehnte dauern, bis China die Vereinigten Staaten beim Bruttoinlandprodukt (BIP) pro Kopf überholen wird. Doch die schiere Grösse Chinas in Bezug auf die Bevölkerungszahl und die ehrgeizigen Ziele der Kommunistischen Partei haben das Land bereits in die Position eines Herausforderers gebracht.

«Ein Handelskrieg ist nicht einfach zu gewinnen»

Die Aussage von Xi kann auch als Warnung an US-Präsident Trump verstanden werden, dass ein Handelskrieg nicht «einfach zu gewinnen» ist. Dies gilt speziell im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahlen im November 2020, und China verfügt über einen langen Atem. Die Zeit dürfte für Xi spielen. Die verwendete Analogie ermöglicht ihm aber auch, den chinesischen Bürgern einen möglichen kurzfristigen Handelskompromiss als «taktischen» Rückzug im Kontext eines langfristigen geopolitischen Konflikts zu vermitteln.

Der stärkste Anreiz für die chinesische Regierung, zu einem Kompromiss im Handelskonflikt zu gelangen, ist ein Anstieg der Arbeitslosigkeit und die damit verbundene Unzufriedenheit chinesischer Arbeiter. Der Index für das Beschäftigungsniveau in der chinesischen Industrie fiel im Mai mit einem Wert von 47,0 auf den niedrigsten Stand seit März 2009. Demnach waren die bisherigen geld- und fiskalpolitischen Anreizmassnahmen der chinesischen Führung keineswegs ausreichend, um die Auswirkungen der US-Einfuhrzölle auf eine sich bereits abkühlende Konjunktur zu dämpfen.

«Die wirkungsvollste Drohung auf chinesischer Seite stellt eine Abwertung des Yuan dar»

Die naheliegendste Abwehrmassnahme ist eine Verstärkung der geld- und fiskalpolitischen Anreize. Ein anhaltender Rückgang des Beschäftigungsniveaus könnte jedoch die chinesische Führung ausreichend Furcht vor sozialen Unruhen einflössen, um letztlich einen Handelskompromiss zu schliessen.

China verfügt über drei Arten von Vergeltungsmassnahmen: eine Einschränkung der Exporte Seltener Erden, auf die die US-Wirtschaft angewiesen ist, einen Verkauf des Bestands an US-Staatsanleihen im Volumen von 1,2 Billionen Dollar und eine Abwertung der chinesischen Währung. Die ersten beiden Optionen hält er für unwahrscheinlich, da sie China selbst schaden würden. Die wirkungsvollste Drohung auf chinesischer Seite stellt dagegen eine Abwertung des Yuan dar.

«Eine solche Massnahme kann zum Bumerang werden»

Ein wesentlich niedrigerer Wechselkurs des Yuan könnte die Auswirkungen zusätzlicher US-Einfuhrzölle auf das verbleibende Volumen chinesischer Exporte in die USA von 325 Milliarden Dollar begrenzen. Allerdings hat die Abwertung des Yuan im September 2015 gezeigt, dass eine solche Massnahme zum Bumerang werden kann, da die Volatilität am Kapitalmarkt nach oben schiessen und sich das Finanzierungsumfeld in China verschlechtern kann.

Nicht zuletzt stünde dem kurzfristigen Nutzen einer deutlichen Abwertung des Yuan ein langfristiger Schaden gegenüber. Denn damit würden Chinas langfristige Ziele, seinen Kapitalmarkt schrittweise ausländischen Investoren weiter zu öffnen, unterminiert. Es ist vermutlich kein Zufall, dass das US-Finanzministerium angesichts des zunehmenden Risikos einer der Vergeltung dienenden Abwertung der chinesischen Währung seine Kriterien in Bezug auf die Manipulation des Wechselkurses verschärft hat.

«Diese Entwicklungen verheissen nichts Gutes für Anlagen in den Emerging Markets»

Im Bewusstsein, dass Vergeltungsmassnahmen China selbst schaden könnten, strebt Präsident Xi Jinping nun einen «neuen Langen Marsch» an. Auf den ersten Blick erscheint dies beruhigend. Dasselbe gilt für seine Bereitschaft, beim anstehenden G20-Gipfel am 28. Juni in Osaka einen Kompromiss zu finden, sowie für seine Bemühungen, den Kurs einer weiteren Liberalisierung des Aussenhandels nach dem jüngsten Rückschlag wieder aufzunehmen.

Allerdings ist dies noch nicht gesetzt. So stellt sich die Frage, ob China bei seinen Verteidigungssystemen künftig US-Software nutzen wird (und umgekehrt). Es ist durchaus möglich, dass die chinesische Führung einen neuen Langen Marsch in der Heimat und nicht in aussenpolitischer Hinsicht ins Auge fasst. Der Protektionismus wird noch für längere Zeit anhalten.

Diese Entwicklungen verheissen nichts Gutes für Anlagen in den Emerging Markets. Leider bergen die jüngste Verschärfung der handelspolitischen Spannungen zwischen China und den USA sowie das Eröffnen neuer Fronten durch die Regierung von US-Präsident Trump zusätzliche Abwärtsrisiken. Das gilt vor allem für stärker exportorientierte Länder, die Profiteure des Welthandels sind.


Peter van der Welle erlangte 2005 einen Master in Wirtschaftswissenschaften der Universität Tilburg in Holland. Seine Berufskarriere startete er als statistischer Analyst beim staatlichen Büro für Statistik und wechselte später zur holländischen Bank NIBC. Nach verschiedenen Funktionen bei MN, einem holländischen Pensionskassen-Verwalter, stiess er im Oktober 2012 zur Finanzmarkt-Analyse des Robeco-Konzerns, wo er seither als Stratege arbeitet.


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Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
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