Insgesamt sei das aktuelle Umfeld vergleichbar mit den Anfangsphasen der Rezessionen von 2001 und 2007, schreibt Kenneth Orchard auf finews.first.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Ich sorge mich immer mehr um die Gefahr einer Rezession. Das Bild ist bei weitem nicht eindeutig, und es ist immer noch möglich, dass sich die Märkte stabilisieren und sich der Konjunkturzyklus weiter ausdehnen wird. Aber ich habe genug gesehen, das mich davon überzeugt, meine Portfolios defensiver auszurichten.

Es ist immer besser, schnell zu handeln, als zu warten, bis sich die Kurse bereits bewegt haben. Ein Grund für meine Vorsicht ist, dass ich glaube, dass alle potenziell positiven Nachrichten bereits eingepreist sind. Wir wissen, dass die U.S. Federal Reserve (Fed) und andere Zentralbanken die Zinsen senken werden und es Hoffnung für ein Handelsabkommen zwischen den USA und China gibt. China hat ausserdem Massnahmen ergriffen, um seine Wirtschaft anzukurbeln, um die Gefahr von Sanktionen auszugleichen. Welche weiteren positiven Überraschungen können wir realistischerweise erwarten?

«Die Ölpreise, die bereits im April ihren Höhepunkt erreichten, vervollständigen die schwache Konjunktur»

Gleichzeitig sehe ich Warnzeichen in den USA. Daten aus der Umfrage zum verarbeitenden Gewerbe, die Berichte zum Einkaufsmanager-Index und der regionalen Fed-Banken weisen in diesem Jahr auf eine deutliche Verlangsamung hin, besonders schwach waren die Juni-Daten.

Die monatlichen Arbeitsmarktberichte zeigen eine Abschwächung, die in einem Durchschnitt von 151'000 gegenüber 223'000 im Jahr 2018 resultierte. Die Metall- und Ölpreise, die bereits Anfang April ihren Höhepunkt erreicht haben, vervollständigen das schwache Konjunkturbild.

Steigende Erstanträge für Arbeitslosenunterstützung – ein klassischer Hinweis auf eine bevorstehende Rezession – sind noch nicht festzustellen. Doch waren sie in der Vergangenheit kein besonderes Warnsignal, so dass es wahrscheinlich am besten ist, sich nicht zu sehr darauf zu verlassen. Gleichwohl werden wir sie genau beobachten.

«Es macht keinen Sinn, zu riskieren, wegen einer schnellen Preisanpassung unter die Räder zu kommen»

Noch beunruhigender ist die Tatsache, dass US-Treasuries deutlich gestiegen sind und die Zinskurve invers bleibt. Federal Funds und Euro-Dollar-Futures preisen nun durchschnittliche Zinssenkungen in Höhe von 100 Basispunkten im Lauf der nächsten 12 Monate ein. Die Fed wird die Zinsen im Falle einer Rezession nur um 100 Basispunkte kürzen – was bedeutet, dass die Zinsmärkte eine hohe Wahrscheinlichkeit einer Rezession einpreisen. Angesichts des aktuellen Niveaus der Börse sollte man sich fragen, was man bevorzugt: Treasuries oder Aktien? Ich favorisiere Treasuries, weil sie sich gewöhnlich in späten Phasen des Zyklus bezahlt machen.

Insgesamt empfinde ich das aktuelle Umfeld vergleichbar mit der Anfangsphasen der Rezessionen der Jahre 2001 und 2007. Es macht keinen Sinn, zu warten und so zu riskieren, wegen einer schnellen Preisanpassung unter die Räder zu kommen. Daher habe ich meine Portfolios bereits defensiver aufgestellt. In der Praxis bedeutet dies, dass die Duration im Zuge der Beimischung von Treasuries und anderen qualitativ hochwertigen Staatsanleihen länger wurde.

«Das ist nicht die Art von Trendwende, von der man erwischt werden will»

Zudem haben wir Anleihen insgesamt untergewichtet und dem verbliebenen Engagement die ein oder andere sehr vielversprechende Position zur Seite gestellt. Wir haben unser High Yield-Exposure nicht auf Null reduziert, doch wir haben es auf ein Niveau gebracht, von dem wir uns versprechen, dass es uns nicht viel Ärger bereiten wird, wenn sich die Situation zuspitzt.

Viele Marktteilnehmer hoffen, dass die Zentralbank Zinssenkungen und das Quantitative Easing der Europäischen Zentralbank (EZB) den Markt und die Wirtschaft unterstützen werden. Ebenfalls typisch vor Rezessionen: Im Herbst 2007 kletterten die High-Yield-Spreads in den vier Wochen nach der ersten Fed-Kürzung um 65 Basispunkte, um sich in den darauffolgenden fünf Wochen auf 200 Basispunkte auszuweiten. Das ist nicht die Art von Trendwende, von der man erwischt werden will.

«Andernfalls schnallen Sie sich an»

In den kommenden Wochen gibt es eine ganze Reihe von Dingen zu beachten. Die wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung werden uns in Echtzeit Aufschluss über die Stärke der Wirtschaft geben, ebenso wie die Umfrageergebnisse vom Juni und Juli aus dem Einkaufsmanagerindex, aus dem Institute for Supply Management und den Regionalinstituten der Federal Reserve.

Wird sich die Börse weiter positiv entwickeln und neue Höchststände erreichen? Werden Treasuries weiterhin 100 Basispunkte an Zinssenkungen einpreisen? Wenn all diese Dinge auf eine Stabilisierung oder Verbesserung der Wirtschaft hindeuten, werde ich verkehrt liegen: Dann könnten wir ein neues Kapitel des aktuellen Konjunkturzyklus beginnen. Andernfalls schnallen Sie sich an.


Ken Orchard ist Portfoliomanager der Diversified Income Bond Strategy beim amerikanischen Vermögensverwalter T. Rowe Price.


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Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.36%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.79%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.83%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.38%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.64%
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