Fast jedes Jahr zwischen August und Oktober beginnt eine Diskussion darüber, ob die Schweiz einen Staatsfonds auflegen soll. Die nächste Debatte wird nicht lange auf sich warten lassen, schreibt Jürgen Braunstein auf finews.first.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Die Idee eines schweizerischen Staatsfonds, der einen Teil der massiven Reserven des Landes für Investitionen nutzen könnte, entstand, nachdem die Schweiz 2011 ihre Währungsverbindung zum Euro hergestellt hatte. Seitdem wurden verschiedene Optionen für einen Staatsfond diskutiert, von einem Fond mit Sparmandat bis zu einem Fond mit strategischem Anlagemandat, einem Private-Equity-Fonds, der in Technologie-Startups investiert und strategische Schweizer Unternehmen vor feindlichen Übernahmen aus dem Ausland schützt.

Die letzte Debatte fand im September 2018 statt, als SP-Präsident Christian Levrat die Schaffung eines Staatsfonds vorschlug mit einem Mandat zur Sanierung der AHV. Nur wenige Monate zuvor verabschiedete das ägyptische Parlament den Gesetzesentwurf zur Schaffung des Egypt Fund mit einem genehmigten Kapital von 12 Milliarden Dollar – das aus Handelsüberschüssen und öffentlichen Vermögenswerten finanziert wird. Mit Unterstützung der Regierung will der Egypt Fund private Investoren in vielversprechende Wachstumsbereiche der ägyptischen Wirtschaft bringen. Es wird hauptsächlich als Co-Investor fungieren und als Vermittler bei des Ein- und Ausstiegsinvestitionen fungieren.

«Nach der gängigen Wirtschaftstheorie sollte man genau das Gegenteil erwarten»

Warum kann es sich also Ägypten leisten, einen Staatsfonds zu gründen, nicht aber die Schweiz? Nach der gängigen Wirtschaftstheorie sollte man genau das Gegenteil erwarten. Die Reserven der Schweiz entsprechen siebzehn Importmonaten – weit über der Faustregel von drei Monaten und mehr, als für die Geldgeschäfte der Schweizerischen Nationalbank benötigt wird. Die Schweiz ist das einzige Land, das weltweit keinen Sovereign Wealth Fund (SWF) mit einem solchen Reservenüberschuss geschaffen hat.

In der Debatte wird häufig die Angst unter einheimischen Akteuren vor «crowding out» gegenüber dem Wunsch nach «crowding in» übersehen. Während die ägyptische Investmentgemeinschaft die Schaffung eines SWF zu begrüssen scheint, lehnen die Schweizer Banken die Schaffung eines solchen ab. Letztere argumentieren, dass der Staat keine besseren Investitionsentscheidungen treffen könne als der Privatsektor. Obwohl Schweizer Banken die Idee eines Schweizer Staatsfonds nicht mögen, begrüssen sie internationale Staatsfonds, die in der Schweiz investieren. Beispielsweise hat Singapurs GIC kürzlich einen Anteil von 3 Prozent an den Schweizer Banken von Julius Bär gekauft. Nach der globalen Finanzkrise wurde die GIC sogar der grösste Aktionär der UBS.

«Die Schweiz könnte dem Singapur-Modell folgen»

Erwähnenswert ist auch, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) in Privatbesitz ist und von einer Mehrheit der Kantone und Kantonalbanken gehalten wird. Kantonalbanken – getrieben vom Wunsch jedes Schweizer Mitgliedsstaates, eine eigene Bank zu haben – agieren wie Geschäftsbanken, stellen aber auch kantonale Mittel zur Verfügung. Die Auslagerung eines Teils der Reserven der SNB für einen nationalen Staatsfonds würde zu einer Reduzierung des Vermögens führen, was wiederum das Gewinnpotenzial der Nationalbank verringern würde. Per Gesetz erhalten die Schweizer Kantone zwei Drittel der Gewinne der SNB. Die Schaffung eines schweizerischen Staatsfonds würde daher die Einnahmen verringern.

In einem finanziell stark entwickelten System wie in der Schweiz löst die Schaffung eines grossen Staatsfonds bei vielen Finanzakteuren die Angst vor ungleichem Wettbewerb aus. Daher sollte sich die nächste Debatte stärker auf das jeweilige Staatsfonds-Design konzentrieren, um sicherzustellen, dass ein solches Instrument nicht zu unbeabsichtigten Folgen für die schweizerische Geld und Finanzpolitik führt und die Unabhängigkeit der Nationalbank nicht beeinträchtigt wird. Die Schweiz könnte beispielsweise dem Singapur-Modell folgen, wonach ein Schweizer Staatsfonds eine Spezialanleihe ausgibt und diese gegen einen Teil der Reserven der SNB eintauscht.


Jürgen Braunstein ist Forscher am Belfer Center der Harvard Kennedy School. Er ist Mitglied der Sovereign Wealth Community of Practice, Collaboration for Development (C4D) Plattform bei der Weltbankgruppe. Zuvor koordinierte er die New Climate Economy Special Initiative zur Finanzierung des urbanen Übergangs unter der Leitung von Nick Stern und Felipe Calderon an der London School of Economics (LSE) Cities. Er leitete das Engagement-Programm zwischen der LSE und dem International Forum of Sovereign Wealth Funds in London. Sein neues Buch «Capital Choices: Sectoral Politics and the Variation of Sovereign Wealth» befasst sich eingehend mit der obigen Thematik.


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