Mit den jüngsten CEO-Wechseln bei den zwei Schweizer Grossbanken zeigt sich klar, das narzisstische «Ego» rückt zunehmend in den Hintergrund. Was sind stattdessen die Merkmale der neuen Chefs? Eine Einschätzung von Oliver Berger auf finews.first.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Vor fünf Jahren prophezeite ich, dass wir 2020 die ersten CEOs grösserer Banken sehen würden, die ihren beruflichen Werdegang als Chief Information Officer (CIO) absolviert hätten. Diese Aussage hat sich bis heute nicht (ganz) bewahrheitet. 

CIOs haben es in den vergangenen Jahren verpasst, ihre Rolle breiter und mehr frontorientiert zu definieren und ins Group Executive Committee aufzusteigen. Gleichzeitig hat sich in den vergangenen fünf Jahren die Welt aber auch weitergedreht, so dass meine Prophezeiung nun etwas differenzierter ist. Zwar bin ich nach wie vor überzeugt, dass mehr Technologie-Expertise den meisten Geschäftsleitungen gut tun würde – im Übrigen auch den Verwaltungsräten – doch die Folgerung, «vom CIO zum CEO» ist etwas gar pauschal gedacht.

«Die Branche bleibt unter sich»

Klar spricht alle Welt heute von der Digitalisierung im Banking. Doch das Topmanagement in den meisten Finanzinstituten rekrutiert sich nach wie vor aus dem klassischen Bankenumfeld. Mit anderen Worten: Die Branche bleibt unter sich.

Festzustellen ist jedoch, dass beim Profil vieler CEOs das «Ego» zunehmend in den Hintergrund rückt, zugunsten eines grösseren Einklangs mit der gesamten Führungscrew, um den vielfältigen Interessen aller Stakeholder besser gerecht zu werden. Daraus lässt sich unschwer folgern: CEOs mit markant narzisstischen Zügen werden wir in Zukunft weniger sehen.

Ein gutes Beispiel dafür könnte Ralph Hamers liefern. Die Schweizer Grossbank UBS hat mit ihm einen externen CEO an Bord geholt, der mit enormen Vorschusslorbeeren in Sachen Technologisierung und Digitalisierung antritt. Auf den ersten Blick ist dies sicherlich positiv. Denn gerade im neuen Jahrzehnt, das geprägt sein wird von viel mehr Transparenz, dem Eintritt neuer Marktteilnehmer, Kosten- und regulatorischem Druck sowie von Kunden, die besser vorbereitet als je zuvor zur Bank kommen, werden Technologie und Innovation zentrale Bestandteile jeder Bankenstrategie sein.

«Ralph Hamers würde tatsächlich für eine grosse Überraschung sorgen»

Bei genauerem Hinsehen dürfte der jüngste Personalentscheid der UBS im Topmanagement jedoch auch gewagt sein. Denn der Holländer Hamers absolvierte seine ganze Karriere bei ING, einer Bank, die ihren Fokus aufs Retailbanking richtet. Genau genommen war er bislang in einem Geschäftsfeld tätig, das die UBS international gar nicht verfolgt. Entsprechend pflegt die Schweizer Grossbank mit ihrem Fokus aufs Wealth Management eine ganz andere Kultur.

Hamers würde tatsächlich für eine grosse Überraschung sorgen, wenn es ihm gelänge, den Wealth-Management-Kunden der UBS dieselben technologischen und digitalen Aspekte zu präsentieren, wie er dies bisher im Retailbanking getan hat. Insofern wird der designierte UBS-Chef rasch zeigen müssen, wie er den grössten Wealth Manager der Welt in die Zukunft führen und die Kredibilität der Kunden und Mitarbeitenden gewinnen will.

«Somit blicken wir auf verheissungsvolle Zeiten»

Evolutionär und weitaus weniger revolutionär erscheint die fast gleichzeitig mit der UBS angekündigte Personalrochade an der Spitze der anderen Schweizer Grossbank, der Credit Suisse (CS). Mit Thomas Gottstein übernimmt dort ein langjähriger CS-Mann als CEO die Geschicke des Unternehmens. Studien belegen, dass in Zeiten ohne Notwendigkeit eines fundamentalen Wandels ein interner CEO im Vergleich zu einem externen eine bessere wirtschaftliche Performance liefert. Den erforderlichen Turnaround hat bereits Gottsteins Vorgänger, Tidjane Thiam, initiiert.

Gottstein, der zwar keinen Technologie-Background per Definition vorweisen kann, ist jedoch zugute zu halten, dass er mit seinem Führungsteam in den vergangenen Jahren konsequent technologische Initiativen für die Bank angeschoben und erfolgreich umgesetzt hat.

Somit blicken wir auf verheissungsvolle Zeiten was die beiden Schweizer Grossbanken, aber auch die gesamte Branche angeht. Während die vergangenen Jahre stark durch regulatorische Themen und einer riesigen Vergangenheitsbewältigung geprägt waren, werden die nächsten Jahre ohne Zweifel durch die Technologie getrieben sein, und durch einen Kunden, der viel mehr noch von seiner Bank erwartet.

«Die Wette gilt!»

In dieser neuen Welt wird der CEO eine noch wichtigere Rolle spielen, da er die erforderliche «Business Transformation» nochmals beschleunigen muss. Diese Phase wird für alle Banken entscheidend sein. Entweder sie werden von den Technologiekonzernen zu reinen Produktlieferanten degradiert, oder es gelingt ihnen, sich innovativ zu behaupten.

Ich tippe auf Letzteres und bin überzeugt, dass wir 2030 auf eine Bankenlandschaft blicken werden, deren Akteure noch grösser und damit nochmals komplexer sein werden, um die Kunden noch umfassender und enger einzubinden. Die Wette gilt!


Oliver Berger ist teilhabender Partner bei der in Zürich ansässigen Witena Leadership Advisory, einem der landesweit führenden Executive-Search-Unternehmen. Er ist in der Schweiz und international tätig und konzentriert sich auf Suchmandate auf Stufe Geschäftsleitung und Aufsichtsgremium mit Schwerpunkt Financial Services.


Bisherige Texte von: Rudi BogniOliver BergerRolf BanzWerner VogtWalter WittmannAlfred Mettler, Robert HolzachCraig MurrayDavid ZollingerArthur BolligerBeat KappelerChris RoweStefan GerlachMarc Lussy, Nuno FernandesRichard EggerDieter RuloffMarco BargelSteve HankeUrs Schoettli, Maurice PedergnanaStefan Kreuzkamp, Oliver BussmannMichael BenzAlbert Steck, Martin DahindenThomas FedierAlfred MettlerBrigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Thorsten PolleitKim IskyanStephen DoverDenise Kenyon-RouvinezChristian DreyerKinan Khadam-Al-JameRobert HemmiAnton AffentrangerYves Mirabaud, Hans-Martin KrausGérard Guerdat, Mario BassiStephen ThariyanDan SteinbockRino BoriniBert FlossbachMichael HasenstabGuido SchillingWerner E. RutschDorte Bech VizardAdriano B. LucatelliKatharina BartMaya BhandariJean TiroleHans Jakob RothMarco Martinelli, Thomas Sutter, Tom King, Werner PeyerThomas KupferPeter Kurer, Arturo Bris, Frédéric Papp, James Syme, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Marionna Wegenstein, Armin JansNicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio QuirighettiClaire Shaw, Peter FanconiAlex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Sandro Occhilupo, Will Ballard, Michael Bornhäusser, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel, Jens Pongratz, Samuel Gerber, Philipp Weckherlin, Anne Richards, Antoni Trenchev, Benoit Barbereau, Pascal R. Bersier, Shaul Lifshitz, Ana Botín, Martin Gilbert, Jesper Koll, Ingo Rauser, Carlo Capaul, Markus Winkler, Konrad Hummler, Thomas Steinemann, Christina Böck, Guillaume Compeyron, Miro Zivkovic, Alexander F. Wagner, Eric Heymann, Christoph Sax, Felix Brem, Jochen Möbert, Jacques-Aurélien Marcireau, Peter Hody, Ursula Finsterwald, Claudia Kraaz, Michel Longhini, Stefan Blum, Zsolt Kohalmi, Karin M. Klossek, Nicolas Ramelet, Søren Bjønness, Lamara von Albertini, Andreas Britt, Gilles Prince, Fabrizio Pagani, Darren Williams, Shanu Hinduja, Salman Ahmed, Stéphane Monier, Peter van der Welle, Beat Wittmann, Ken Orchard, Michael Welti, Christian Gast, Didier Saint-Georges, Jürgen Braunstein, Jeffrey Vögeli, Gérard Piasko, Fiona Frick, Jean Keller, Stefan Schneider, Matthias Hunn, Andreas Vetsch, Teodoro Cocca, Mark Hawtin, Fabiana Fedeli, Marionna Wegenstein, Kim Fournais, Carole Millet, Ralph Ebert, Lars Jaeger, Swetha Ramachandran, Brigitte Kaps, Thomas Stucki, Teodoro Cocca, Neil Shearing, Claude Baumann, Guy de Blonay und Tom Naratil

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