Für Thomas J. Caduff hat das Zeitalter der ETFs hierzulande erst begonnen. Was sind die Konsequenzen für die Banken und die Vermögensverwalter?

 


Thomas_Caduff_2Herr Caduff, die Zürcher Kantonalbank (ZKB) hat kürzlich ihre ETF-Abteilung mit einem 18-köpfigen Team massiv aufgestockt. Wie beurteilen Sie diesen Wurf?

Bloss weil man viele Leute einstellt, macht man nicht automatisch mehr Business. Zuerst einmal fallen Kosten an, denn diese Spezialisten haben ihren Preis. Ob die ZKB rasch auf Volumen kommt, wird man sehen.


«Manche Firmen haben den Zug komplett verpasst»

Die Konkurrenz schläft nicht. Sie verfügt über genügend Ressourcen, um das Gaspedal durchzudrücken. Aber soviel steht fest: Die Marke ZKB hat eine hohe Glaubwürdigkeit, und dieser Schritt wird den Schweizer ETF-Markt bestimmt weiter vorwärts bringen.

Die ZKB ist kein Einzelfall; unlängst lancierte auch die Credit Suisse eine Palette neuer ETFs. Welche Überlegungen stecken dahinter?

Schauen Sie, ich war vor ein paar Tagen Essen mit einem Kollegen, der bei einem bekannten Beratungsunternehmen für Pensionskassen arbeitet. Die Firma ist spezialisiert auf die Auswahl klassischer Anlagefonds. Mein Gesprächspartner sagte mir: «An manchen Tagen könnte ich einen Jass klopfen, wir haben so wenig zu tun. Die Pensionskassen-Manager verlangen seit neustem ETF-Know-how von uns, aber wir können es nicht liefern. Wir haben den Zug komplett verpasst.» Ich denke, dies ist kein Einzelfall. Das Zeitalter der ETFs hat in der Schweiz erst begonnen.


«Bekanntlich gibt es keine fliegenden Mercedes»

Sie sind in der Branche sehr gut vernetzt. Welche Akteure stecken sonst noch in den Startlöchern?

Gehen Sie davon aus, dass in diesem Jahr noch einiges passieren wird, insbesondere auf der Produkteseite. Ich habe meinen Informanten aber Stillschweigen versprochen, und so kann ich Ihnen das Geheimnis leider nicht lüften.

Wenn die Märkte fallen, sind ETF ungeeignet, weil man damit ja auch Geld verliert; wenn die Märkte steigen, verpasst man einen Teil der Performance. Für wen eignen sich denn ETFs?

Bekanntlich gibt es keine fliegenden Mercedes. Und so kenne ich auch kein Finanzprodukt, mit dem die Anleger auf alle Seiten nur gewinnen können. Aber es gibt bereits eine Auswahl an Short-ETFs, und die Palette wird immer breiter. Bei diesen Produkten muss man jedoch wissen, dass sie die Tagesperformance des Index abbilden, was bei einer längeren Haltefrist zu Überraschungen in der Gesamtperformance führen kann.


«Man muss nur einen Blick über den Atlantik werfen»

Die Mechanik des Produkts muss also genau verstanden sein, bevor man investiert.

Genau. Wenn Sie Long-ETFs kaufen, partizipieren Sie fast eins zu eins an der Kursentwicklung des unterlegten Index. Dies im Unterschied zu herkömmlichen Anlagefonds, die ziemlich selten ihre Benchmark aus der Nähe sehen. Die allermeisten performen schwächer, teilweise deutlich. Aber das ist mittlerweile ja allgemein bekannt.

Inwiefern benützen auch unabhängige Vermögensverwalter bereits Index-Produkte?

Es gibt in der Schweiz eine Handvoll von Vermögensverwaltungsfirmen, die sich auf ETFs spezialisiert hat. Diese Zahl wird sich in den Jahren 2011 und 2012 vervielfachen. Die Nachfrage nach dieser Dienstleistung ist enorm. Man muss nur einen Blick über den Atlantik werfen, um zu sehen, in welche Richtung der Wind bläst. ETFs den Depots beimischen tun aber bereits Hunderte von Vermögensverwaltern in unserem Land. Das ist heute Standard.

Sind die Margen darauf nicht eher gering?

Was nützen die hohen Margen bei klassischen Anlagefonds, wenn immer mehr Kunden die von den Fondsgesellschaften an die Vermögensverwalter jährlich überwiesenen Retrozessionen für sich beanspruchen? Die Vermögensverwalter müssen besser früher als später ein neues Geschäftsmodell anwenden. Sprich, eine marktkonforme Verwaltungsgebühr und allenfalls eine Gewinnbeteiligung verlangen.


«Geiz ist geil ist hier wirklich fehl am Platz»

Eine gute Leistung hat schlussendlich ihren Preis. «Geiz ist geil» ist hier wirklich fehl am Platz. Heute wird oft bei der Verwaltungsgebühr ein Price-Dumping betrieben, weil man ganz gut von den Retrozessionen leben kann. Das ist meiner Meinung nach ein glasklares Auslaufmodell.

Wie sieht die Rechnung bei den Banken aus?

Natürlich anders: Da ETFs viel häufiger gehandelt werden als herkömmliche Fonds – sie heissen ja auch Exchange Traded Funds -, können die Institute prima an den Courtagen und dem Wechsel von Währungen verdienen. Ich bin wirklich überrascht, dass dies noch nicht mehr Banken gemerkt haben. In zwei, drei Jahren wird dies aber auch ganz anders aussehen. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

Neben ETFs gibt es nun auch andere Produkte, wie ETCs und ETNs. Können Sie uns einen Überblick geben?

ETCs (Exchange Traded Commodities) und ETNs (Exchange Traded Notes) sind jedoch nicht an der SIX Swiss Exchange kotiert, damit auch nicht in der Schweiz zum öffentlichen Vertrieb zugelassen. Sie werden unter anderem an der Börse Frankfurt (Xetra) gehandelt. Bevor eine solche Transaktion getätigt wird, sollten sich Schweizer Anleger über die möglichen steuerlichen Konsequenzen im Klaren sein. Es ist somit ein heikles Thema, an dieser Stelle näher auf diese Produkte einzugehen.


«Wir haben das Know-how von 12 Gurus einprogrammiert»

Welchen Stellenwert haben ETFs heute in den Portfolios von Privatkunden?

Noch einen viel zu kleinen. Die ETF-Revolution beginnt in unseren Breitengraden erst.

Wie beurteilen Sie die weitere Entwicklung an der Börse, sagen wir bis Ende Jahr?

Ich selber beurteile die Börsenentwicklung nicht. Unsere Firma hat dafür zusammen mit Studenten der Universität Zürich und der ETH Zürich eine Filtermaschine zwecks Analyse von aktuell 127 Indizes gebaut, in der das Know-how von 12 Investmentgurus einprogrammiert ist.


«Die Märkte sind ziemlich moderat bewertet»

Was lässt sich daraus ableiten?

Ich kann Ihnen nur sagen, wie diese Herren die Entwicklung bis Ende Jahr einschätzen. Das sieht so aus: Es geht weiter nach oben. Die Märkte sind ziemlich moderat bewertet und bei Investoren herrscht immer noch viel Pessimismus vor. Zudem sind die Zinsen extrem tief. All dies zusammen ist ein idealer Nährboden für höhere Kurse.

So einfach ist das?

Die Börsen werden uns natürlich nicht den Gefallen tun, im Gleichschritt zu marschieren. Eine sorgfältige Analyse ist wichtiger denn je. Sie sehen ja bereits jetzt die enormen Performance-Unterschiede zwischen den Schwellenländern und den Industrieländern. Oder bei den Rohstoffen; der Erdölpreis beispielsweise ist eingefroren, landwirtschaftliche Güter wie Baumwolle, Mais, Weizen und Zucker aber steigen und steigen.


«Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen...»

Wo sehen Sie die Schwachstellen und Risiken für eine positive Entwicklung an den Finanzmärkten bis im Frühjahr 2011?

Sie wissen: Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. Schwachstellen sehe ich keine, die Banken sind gerettet. Risiken sehe ich höchstens im Bereich der Länderverschuldung. Hat Griechenland wirklich die Kurve gekriegt, wie man überall liest? Und um Spanien und Portugal ist es auch auffallend ruhig geworden. Aber selbst wenn es hier nochmals richtig brenzlig würde, wären die Politik und die Europäische Zentralbank bestimmt ganz rasch zur Stelle.

Was folgern Sie daraus?

Ich gehe davon aus, dass die einen Plan für ein solches Notfallszenario ganz oben in der Schublade haben. Mit anderen Worten: Unsere Gurus entdecken im Moment nur ganz wenige Wolken am Finanzhimmel. Das stimmt mich optimistisch. Selbstverständlich muss man aber laufend über die Bücher gehen. Vorsicht ist bekanntlich die Mutter der Porzellankiste.


Thomas_Caduff_qThomas J. Caduff ist Gründer und Geschäftsführer des Schweizer Research- und Medien-Unternehmen ICN Trust Finance AG. Es wurde 1989 mit Sitz in Zürich gegründet.

ICN hat sich mit der Marke YouQuant® im Mediengeschäft für ETFs, ETCs und ETNs und mit der Marke QuantScreener® im Mediengeschäft für Strukturierte Produkte etabliert. Die weiteren Aktivitäten umfassen globales Index-Research. Dabei kommen Teams im In- und Ausland zum Einsatz, die aus Finanzmarkt-Profis, Journalisten, Akademikern und IT-Spezialisten bestehen.

 

 

 

 

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.64%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    19.25%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    27.49%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.42%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.2%
pixel