Der Lockdown, wie wir ihn erfahren haben, geht zu Ende. Welche Lehren lassen sich daraus ziehen? Die Unternehmerin Karin M. Klossek zieht auf finews.first eine persönliche Bilanz.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


1. Woche: Fiebrige Aktivität

Termine, die seit vielen Monaten feststanden, habe ich aus dem Kalender gestrichen. Wie lange im Voraus streichen? Lieber Woche für Woche, obwohl schon klar ist… Das Beste daraus machen. Die Zeit möglichst produktiv nutzen. Vorbereiten. Ausbauen. Dazulernen – alles Themen, die zu oft auf der To-do-Liste unten stehen. Neue Skills sich aneignen und davon so viele als möglich.

Aber, erst mal die Vorratskammer ausräumen. Überblick gewinnen. Sind genug Sardellen, Pasta, Kapern und Parmesan da? Was macht der Thunfischbestand, und wäre Apfelmus in Krisenzeiten gut? War es eine Vorahnung im Januar weit mehr Wein als sonst zu bestellen? Kann der Tag nicht 36 Stunden haben? Ein gefüllter Weinkeller beruhigt.

2. Woche: Kulturschock

Ausgerechnet eine Woche mit zwei Opernaufführungen und einem Friseurtermin. Monatelange Vorfreude. Nun sind davon nur noch drei Striche im Kalender übrig.

Besser darüber schweigen. Klingt eitel und elitär, Oper im eigenen Universum als systemrelevant zu betrachten. Die restliche Welt kämpft mit dem Kulturschock des Homeoffice.

3. Woche: Backtherapie

Die Seele braucht Streicheleinheiten in Form von Vanille und Zimt. Der örtliche Bäcker ist flexibel und verkauft Hefe in Mega-Einheiten.

  • Marmorkuchen mit Schokoladen-Overload, according to the «Financial Times».
  • Marmorkuchen, wie Johann Lafer ihn vorschreibt. Österreich muss es doch wissen.
  • Rhabarberkuchen mit Konditoren-Crème. Lecker, aber schnell verschimmelt.
  • Apfelkuchen, denn das Rezept sieht Mandeln und Apfelmus vor. Siehe Vorratskammer.
  • Amerikaner. Ein voller Erfolg. Vermutlich mittlerweile politisch korrekt anders benannt.

Kann der Tag nicht 48 Stunden haben? Bloss nicht die «geschenkte» Zeit vergeuden. Mein Dress im Homeoffice und bei Einkäufen wird bewusst noch formeller.

4. Woche: Vom Saulus zum Paulus

Nun profiliert sich jeder damit, die Kassierer im Supermarkt, die Pfleger, die Ärzte zu Helden zu erklären. Allein, mir fehlt der Glaube, dass die Begeisterung nach Corona anhält. Schauspielerei und vorgebliche Betroffenheit sind unerträglich. Behalte mein Urteil für mich. Pfleger habe ich schon immer für Helden gehalten und würde im Supermarkt nie den Kassenbereich verlassen, ohne Danke zu sagen.

Die Engländer fühlen sich wieder europäischer an, und Boris Johnson wird dank des NHS gerettet. Ertappe mich dabei, dass ich einige Bekannte noch gar nicht vermisst habe. Einige Bekannte wurden in diesen Wochen zu Freunden.

5. Woche: Schiere Verzweiflung

Tage mit Podcasts von Virologen, Epidemiologen und anderen Experten bedeuten immer eine schlaflose Nacht. Abwägen. Vertrauen. Misstrauen. Logikbrüche. Erwäge erstmals seit Beginn der Krise «Tagesschau»-Abstinenz. Talkshows sind schon lange gestrichen. Selbst die Zusammenfassung am nächsten Tag scheint vergeudete Zeit. Lieber der mediale Blick ins Ausland. Wenn schon Schwarze Schwäne, dann mit journalistischem Anspruch und Realismus, historischem Kontext and «a bit of stiff upper lip».

Rationale Überlegungen wie lange die Corona-Krise noch andauert und welche wirtschaftlichen Folgen sie haben wird: Garantiert drei schlaflose Nächte. Schätzt ausser mir noch jemand den Begriff Eigentum? Merkt niemand, dass hinter vermeintlicher Fürsorge für ältere Menschen auch eine enorme Diskriminierung steckt?

Der Apéro am Abend wird zur wichtigen Zäsur des Tages. Eleganter Dresscode am Abend hilft, der Aggressivität mancher Maskenträger, denen man tagsüber begegnet ist, etwas entgegenzusetzen. Stoppe kurz vor dem Abendkleid, das ausserhalb von englischen Landgütern möglicherweise nicht goutiert wird.

6. Woche: Skype, Microsoft Teams und Zoom

Zur Frage, was ziehe ich morgen an, ist der Blick auf die Wettervorhersage nicht mehr relevant, dafür die Frage, welcher Hintergrund für welche Videokonferenz und passt das Outfit farblich dazu?

In der Nachbesprechung einer Videokonferenz die Bemerkung des moderierenden Vorstands: «Wir beginnen nach vielen Jahren, ehrlich miteinander zu reden.» Eine gute Woche.

7. Woche: Wanderlust

Zu jedem Meeting flog mein englischer Chef mit British Airways und ich mit der Lufthansa. Kein Problem, die Flugpläne waren nahezu identisch. Für jeden von uns war die Airline weit mehr als ein Carrier, sie war immer ein Stück Heimat.

Ich bereue nur die Reisen, die ich in die Zukunft verschoben habe. Beginne, einen Teil des Gartens in ein kleines japanisches Refugium umzuwandeln, anstatt die Reise nach Japan auszuarbeiten. Meditation mit dem Rechen. Nutze die frühen Morgenstunden, um die Nachbarn nicht allzu sehr auf das Klischee aufmerksam zu machen. Sollte dennoch endlich anfangen, Japanisch zu lernen.

8. Woche: Lokal(e)

Lokal produzierte Lebensmittel, mit Ausnahme von schottischem Lachs und Gin, französischem Champagner, englischem Käse und italienischer Pasta, haben schon immer den meisten Raum in meinem Kühlschrank und der Vorratskammer eingenommen. Nun geht es darum, zusätzlich die örtlichen Lokale zu unterstützen.

Im Ergebnis habe ich, dank Take-Away, auf völlig neuem Niveau und der Unterstützung des familiengeführten Delikatessenladens, nie täglich besser gegessen. Unternehmen, für die ich in der vergangenen Dekade als Kunde beachtliche Umsätze generiert habe, halten selbst die kleinste Geste für scheinbar überflüssig. Die Verkäufer in der lokalen Bäckerei freuen sich wie die Schneekönige wenn auf das Rückgeld zugunsten der «Kaffeekasse» verzichte. Optimismus ist, den Möglichkeiten mehr Glauben zu schenken, als dem Erlebten. Also zurück auf Los.

Lehren aus dem Lockdown

Die Ungewissheit über die Welt nach Corona kostet enorm viel Energie, insbesondere wenn man es liebt, strategisch zu planen. Wenn man gleichzeitig die Zeit im Lockdown möglichst produktiv für die Entwicklung neuer Projekte nutzen möchte, ist die Analyse, welche Energiereserven gerade leerlaufen und wie sie wieder aufgefüllt werden können, noch wichtiger als sonst.

Nicht alle bewährten Aktivitäten, um Energie aufzuladen funktionieren in dieser Ausnahmesituation gut. Kein zusätzlicher Stress. Loslassen, was plötzlich keine Freude mehr schafft (Klavier und Oper online), dafür bewusst Zeit einräumen für Energie: Laufen bei Sonnenschein, bei Regen und so oft es geht im Wald – Yoga, Gärtnern und bewusstes Atmen. Neue Dinge addieren, die man zuvor nie oder äusserst selten gemacht hat: Backen, Latin-Dance-Training online.

An Haut und Haaren sichtbar

Radikales Aufräumen, Loslassen von Projekten, um nicht nur psychisch, sondern auch physisch Raum für Neues zu schaffen. Ehrlicher und offener zu kommunizieren — damit reduziert und erweitert sich gleichzeitig der Freundeskreis. Einen strikteren Umgang mit den gewohnten Nachrichtenkanälen. Weniger Zeit für inländische Medien, mehr Zeit für ausländische Medien.

Andauernde Stresssituationen werden schnell an Haut und Haaren sichtbar. Wunderwaffen der Kosmetikindustrie halfen nicht. Als beste Gegenstrategie hat sich erwiesen, die Menge an dunkelgrünem Salat und Gemüse stark zu erhöhen und noch stärker auf Lebensmittel mit hohen Anteilen an Omega3Fettsäuren zu achten.

Farbe hilft

Die Energie eines farbigen Hintergrunds auf einer Videokonferenz ist für alle restlichen Teilnehmer ein Gewinn. Den Aperitif daheim kann, muss man aber nicht im uninspirierten Outfit trinken. In dieser Ausnahmesituation sind manche Erfolgsstrategien früherer Krisen obsolet, andere hingegen nach wie vor konstruktiv. Der Unbekannten, die da heisst «Neue Normalität» gilt es, nicht auch noch den Raum zu überlassen, den man selbst bestimmen kann.


Karin M. Klossek arbeitete in Frankfurt, Auckland, Sydney und London im Bereich Mode, Financial Services und Gesundheit mit dem Schwerpunkt auf strategischer Markenführung und Marketing. Im Jahr 2018 lancierte sie zusammen mit Maike Siever die Lifestyle-Website GloriousMe.Net. Darüber hinaus ist sie Co-Gründerin der Branding-Beratungsfirma Glorious Brands in Frankfurt am Main.


Bisherige Texte von: Rudi BogniRolf BanzWerner VogtWalter WittmannAlfred Mettler, Robert HolzachCraig MurrayDavid ZollingerArthur BolligerBeat KappelerChris RoweStefan GerlachMarc Lussy, Nuno FernandesRichard EggerDieter RuloffMarco BargelSteve HankeUrs Schoettli, Maurice PedergnanaStefan Kreuzkamp, Oliver BussmannMichael BenzAlbert Steck, Martin DahindenThomas FedierAlfred MettlerBrigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Thorsten PolleitKim IskyanStephen DoverDenise Kenyon-RouvinezChristian DreyerKinan Khadam-Al-JameRobert HemmiAnton AffentrangerYves Mirabaud, Hans-Martin KrausGérard Guerdat, Mario BassiStephen ThariyanDan SteinbockRino BoriniBert FlossbachMichael HasenstabGuido SchillingWerner E. RutschDorte Bech VizardAdriano B. LucatelliKatharina BartMaya BhandariJean TiroleHans Jakob RothMarco Martinelli, Thomas Sutter, Tom King, Werner PeyerThomas KupferPeter Kurer, Arturo Bris, Frédéric Papp, James Syme, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Marionna Wegenstein, Armin JansNicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio QuirighettiClaire Shaw, Peter FanconiAlex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Sandro Occhilupo, Will Ballard, Michael Bornhäusser, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel, Jens Pongratz, Samuel Gerber, Philipp Weckherlin, Anne Richards, Antoni Trenchev, Benoit Barbereau, Pascal R. Bersier, Shaul Lifshitz, Ana Botín, Martin Gilbert, Jesper Koll, Ingo Rauser, Carlo Capaul, Markus Winkler, Konrad Hummler, Thomas Steinemann, Christina Böck, Guillaume Compeyron, Miro Zivkovic, Alexander F. Wagner, Eric Heymann, Christoph Sax, Felix Brem, Jochen Möbert, Jacques-Aurélien Marcireau, Peter Hody, Ursula Finsterwald, Claudia Kraaz, Michel Longhini, Stefan Blum, Zsolt Kohalmi, Karin M. Klossek, Nicolas Ramelet, Søren Bjønness, Lamara von Albertini, Andreas Britt, Gilles Prince, Darren Williams, Shanu Hinduja, Salman Ahmed, Stéphane Monier, Peter van der Welle, Beat Wittmann, Ken Orchard, Christian Gast, Didier Saint-Georges, Jürgen Braunstein, Jeffrey Vögeli, Gérard Piasko, Fiona Frick, Stefan Schneider, Matthias Hunn, Andreas Vetsch, Teodoro Cocca, Mark Hawtin, Fabiana Fedeli, Marionna Wegenstein, Kim Fournais, Carole Millet, Ralph Ebert, Lars Jaeger, Swetha Ramachandran, Brigitte Kaps, Thomas Stucki, Teodoro Cocca, Neil Shearing, Claude Baumann, Guy de Blonay, Tom Naratil, Oliver Berger, Robert Sharps, Santosh Brivio, Tobias Müller, Florian Wicki, Jean Keller, Fabrizio Pagani, Niels Lan Doky und Michael Welti.

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