Das Coronavirus hielt neben Lektionen in Mathematik, zu «Fat Tails» und Schwarzen Schwänen noch eine weitere Erkenntnis bereit: die Tatsache, dass auch Indizes ein fundamentales Risiko bergen, wie Mark Urquhart in seinem Essay für finews.first schreibt.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Die Auffassung, wonach Aktienindizes irgendwie risikofrei sind, war schon immer ein gefährlicher Trugschluss, der durch die Zunahme passiver Investitionen noch verstärkt wurde.

Tatsächlich haben alle drei bedeutenden Marktkrisen während meiner Karriere im Anlagegeschäft – der Zusammenbruch der Technologie-, Medien- und Telekommunikationsbranche (TMT) im Jahr 2000, die Finanzkrise 2008 und jetzt der Coronavirus – jeweils einem bestimmten Teil der Indizes genug Schaden zugefügt, um die These zu widerlegen, dass Index-Investitionen das Risiko irgendwie wegdiversifizieren.

«Diese Branche hat einfach nicht genug Lagerkapazitäten»

In der aktuellen Krise hat der Nachfrageschock das Risiko in vermeintlich robusten Gebieten und in grossen Teilen der Indizes sichtbar gemacht. Am offensichtlichsten ist der Zusammenbruch im Sektor der traditionellen Energiegewinnung. Diese Branche hat einfach nicht genug Lagerkapazitäten für ihre Produktion, so dass nur das Sicherheitsventil fallender Preise übrig blieb.

Aber die Krise ist auch im Dienstleistungssektor präsent. Unternehmen, die sich damit brüsteten, sich dem Online-Trend widersetzen zu können – wie Primark in der britischen Fast Fashion –, sahen plötzlich sehr riskant aus, als die Kunden durch die Pandemie von den Einzelhandelsflächen ausgeschlossen wurden.

«Es ist schwer, sich dieser Symbolik zu entziehen»

Natürlich ist ein Teil dieser Effekte kurzfristiger Natur. Aber es scheint wahrscheinlich, dass sie bestehende Trends wie die Änderung der Konsumgewohnheiten beschleunigen und die wirtschaftliche Verschiebungen verstärken. Dies hilft Disruptoren.

Darüber hinaus hat die Pandemie die Markt-Orthodoxie vor eine zweite grosse Herausforderung gestellt: das Verschwinden scheinbar sicherer Dividenden. Es ist schwer, sich der Symbolik zu entziehen, dass Royal Dutch Shell zum ersten Mal seit 80 Jahren ihre Dividende gekürzt hat. Und die Folgen für Investoren, die sich darauf verliessen, dass solche Dividenden höhere Renditen als Bargeld abwerfen würden, sind schwer zu verkraften.

«Viele der sagenumwobenen Dividendenzahler haben ihren Heiligenschein verloren»

Für Bewertungen, die auf Dividendenwachstums-Modellen basieren, bedeutete dies einen unmittelbaren Schock. Und es ist eine Herausforderung für die zukünftige Vertrauenswürdigkeit von Dividenden, zumal viele der gestrichenen Dividenden bereits beschlossen waren. Dies erschwert die ohnehin schon schwierige Aufgabe der Value orientierten Vermögensverwalter, den inneren Wert der Anlagen zu bestimmen, da ein Instrument aus ihrem Werkzeugkasten stark beinträchtigt ist.

Aktuell gehen Schätzungen davon aus, dass die Dividendeneinnahmen 2020 weltweit um 25 bis 40 Prozent zurückgehen werden. Selbst das könnte sich als konservativ erweisen. Viele der sagenumwobenen Dividendenzahler mit beständigen und wachsenden Dividendenströmen haben ihren Heiligenschein verloren.

«Das Jahr 2020 wird man als epochalen Moment betrachten – als Wendepunkt»

Selbstverständlich ist eine Dividendenkürzung die richtige Entscheidung für Unternehmen, deren Einnahmen und Cash-Flows in der Krise stark gesunken sind. Aber die potenziellen Auswirkungen auf den Aktienmarkt ändert das nicht.

Natürlich wird es eine gewisse Erholung bei den Ausschüttungsquoten und ein Wachstum der künftigen Dividenden geben, aber 2020 wird man als epochalen Moment betrachten – als Wendepunkt, an dem die Bedeutung des langfristigen Ertrags- und Gewinnwachstums für die Aktionäre in krassem Gegensatz zu der verminderten Sicherheit von Dividenden stand.


Mark Urquhart ist Partner von Baillie Gifford, einer unabhängigen, partnerschaftlich organisierten Investmentgesellschaft, die 1908 in Edinburgh gegründet wurde. Mit 1'319 Mitarbeitenden verwaltet das Unternehmen aktuell 307 Milliarden Franken. Baillie Gifford ist vollständig im Besitz von 46 Partnern mit einer durchschnittlichen Betriebszugehörigkeit von 21 Jahren.


Bisherige Texte von: Rudi BogniRolf BanzWerner VogtWalter WittmannAlfred Mettler, Robert HolzachCraig MurrayDavid ZollingerArthur BolligerBeat KappelerChris RoweStefan GerlachMarc Lussy, Nuno FernandesRichard EggerDieter RuloffMarco BargelSteve HankeUrs Schoettli, Maurice PedergnanaStefan Kreuzkamp, Oliver BussmannMichael BenzAlbert Steck, Martin DahindenThomas FedierAlfred MettlerBrigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Kim IskyanStephen DoverDenise Kenyon-RouvinezChristian DreyerKinan Khadam-Al-JameRobert HemmiAnton AffentrangerYves Mirabaud, Hans-Martin KrausGérard Guerdat, Mario BassiStephen ThariyanDan SteinbockRino BoriniBert FlossbachMichael HasenstabGuido SchillingWerner E. RutschDorte Bech VizardAdriano B. Lucatelli, Maya BhandariJean TiroleHans Jakob RothMarco Martinelli, Thomas Sutter, Tom King, Werner PeyerThomas KupferPeter Kurer, Arturo Bris, Frédéric Papp, James Syme, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Marionna Wegenstein, Armin JansNicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio QuirighettiClaire Shaw, Peter FanconiAlex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Sandro Occhilupo, Will Ballard, Michael Bornhäusser, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel, Jens Pongratz, Samuel Gerber, Philipp Weckherlin, Anne Richards, Antoni Trenchev, Benoit Barbereau, Pascal R. Bersier, Shaul Lifshitz, Ana Botín, Martin Gilbert, Jesper Koll, Ingo Rauser, Carlo Capaul, Markus Winkler, Konrad Hummler, Thomas Steinemann, Christina Böck, Guillaume Compeyron, Miro Zivkovic, Alexander F. Wagner, Eric Heymann, Christoph Sax, Felix Brem, Jochen Möbert, Jacques-Aurélien Marcireau, Peter Hody, Ursula Finsterwald, Claudia Kraaz, Michel Longhini, Stefan Blum, Nicolas Ramelet, Søren Bjønness, Lamara von Albertini, Andreas Britt, Gilles Prince, Darren Williams, Shanu Hinduja, Salman Ahmed, Stéphane Monier, Peter van der Welle, Ken Orchard, Christian Gast, Jürgen Braunstein, Jeffrey Vögeli, Fiona Frick, Stefan Schneider, Matthias Hunn, Andreas Vetsch, Teodoro Cocca, Mark Hawtin, Fabiana Fedeli, Marionna Wegenstein, Kim Fournais, Carole Millet, Swetha Ramachandran, Brigitte Kaps, Thomas Stucki, Teodoro Cocca, Neil Shearing, Claude Baumann, Guy de Blonay, Tom Naratil, Oliver Berger, Robert Sharps, Tobias Müller, Florian Wicki, Jean Keller, Fabrizio Pagani, Niels Lan Doky, Michael Welti, Karin M. Klossek, Ralph Ebert, Johnny El Hachem, Judith Basad, Katharina Bart, Thorsten Polleit, Beat Wittmann, Bernardo Brunschwiler, Peter Schmid, Karam Hinduja, Zsolt Kohalmi, Didier Saint-Georges, Lars Jaeger, Peter Hody, Raphaël Surber, Santosh Brivio und Gérard Piasko.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.35%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.77%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.83%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.41%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.64%
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