Wer mit Private-Banking-Kunden aus China zu tun hat, muss stets berücksichtigen, dass sie sich in einer komplexen politischen Situation befinden, schreibt die Compliance-Spezialistin Hui Zhang in ihrem Beitrag für finews.first. Welche Fallstricke gilt es, in einem solchen Umfeld zu vermeiden?


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Konfuzius: «Wenn es offensichtlich ist, dass die Ziele nicht erreicht werden können, passe nicht die Ziele, sondern die Handlungsschritte an»

Vermögensverwaltung für wohlhabende Kunden existiert schon seit mehr als 200 Jahre. Doch in der Zukunft dürfte es noch komplizierter werden, diese Klientel zu betreuen. Vor allem mit dem Fokus auf sehr reiche Kunden aus Schwellenländern, namentlich aus China, kommt noch eine zusätzliche Komplexitätsebene hinzu, insbesondere in der Compliance. Welche Fallstricke gilt es, in einem solchen Umfeld zu vermeiden?

Wer mit Kunden aus China zu tun hat, muss stets berücksichtigen, dass sie sich in einer komplexen politischen Situation befinden– und schon immer befanden, was sich zuletzt beispielsweise auch in den US-Sanktionen gezeigt hat, etwa in Bezug auf

  • verschiedene chinesische Beamte, Regierungs- und Unternehmenseinheiten im Zusammenhang mit der Inhaftierung und angeblicher Menschenrechtsverletzungen an uigurischen Muslimen in der westlichen chinesischen Provinz Xinjiang. In diesen Fällen kam es zu Handelsbeschränkungen, jedoch nicht zur Blockierung von Vermögenswerten.
  • die Umsetzung der Hong Kong National Security Law. Hier kam es zur Blockierung von Vermögenswerten sanktionierter Personen)
  • die Geltendmachung territorialer Ansprüche Chinas im Südchinesischen Meer. In diesem Fällen kam es zu einem Exportverbot für 24 chinesische Unternehmen.

Darüber hinaus hat China seit 2018 seine Kapitalverkehrs-Bestimmungen drastisch geändert: Vor dieser Neuregelung hatten chinesische Kunden mehrere Möglichkeiten zur Auswahl, um Geld über Hongkong oder andere Routen ins westliche Ausland zu schaffen. Seit der Veröffentlichung der «Interpretation zum illegalen Devisenhandel durch den Obersten Volksgerichtshof und die Oberste Volksstaatsanwaltschaft» im September 2018 werden die meisten dieser Möglichkeiten mit Haftstrafen und/oder hohen Geldstrafen belegt.

«Die Verschärfung dieser Vorschriften hat die Kapitalflucht wieder intensiviert»

Bisher wurden zwar keine rückwirkenden rechtlichen oder administrativen Konsequenzen bereits durchgeführter Transaktionen beobachtet. Doch die Verschärfung der Vorschriften hat die Kapitalflucht wieder intensiviert. Dies hat zur Folge, dass das Interesse chinesischer Kunden an Golden-Visa und anderen Residenz-Investitionsprogrammen, die mittlerweile viele Länder auf der ganzen Welt anbieten, stark wachsen.

Das neue chinesische Gesetz zur individuellen Einkommenssteuer (IIT) trat im Januar 2019 in Kraft und zielt darauf ab, dass Steuerzahler, die in China ansässig sind (oder sich insgesamt 183 Tage oder mehr in einem Kalenderjahr in China aufhalten), für persönliche Einkünfte innerhalb und ausserhalb Chinas zahlen müssen. Ein ansässiger Steuerzahler ohne Wohnsitz in China wird jedoch frühestens 2025 eine weltweite Einkommensteuer-Zahlungspflicht in China haben.

«Die Auswertung solcher Informationen erfordert ein sehr grosses Verständnis der chinesischen Datenwelt»

Chinas Datenlandschaft ist besser als das Bild, das internationale Medien in der Regel zeichnen. Das Land bietet Zugang zu öffentlichen Datensätzen, etwa zur persönlichen und geschäftlichen und persönlichen Vertrauenswürdigkeit, sowohl auf lokaler, provinzieller als auch auf staatlicher Ebene. Gleiches gilt für Daten aus angrenzenden Jurisdiktionen wie Hongkong und Macao.

Die Analyse und Auswertung solcher Informationen erfordern jedoch ein sehr grosses Verständnis der chinesischen Datenwelt und ein enormes Wissen bezüglich der Genauigkeit und Vertrauenswürdigkeit der Quellen.

Für die Identifikation sogenannter Politisch Exponierten Personen (PEP) in China ist ein Unterschied zwischen den gesetzgebenden und beratenden Gremien wie dem Nationalen Volkskongress (NVK), der Chinesischen Konsultativkonferenz des Volkes sowie dem Ständigen Ausschuss des NVK zu machen.

«Manche Kunden verändern nach der Kontoeröffnung ihre geschäftlichen Kernaktivitäten»

Darüber hinaus werden chinesische Kunden, die Schweizer Private Banking zum ersten Mal beanspruchen wollen, Schwierigkeiten haben, den Anforderungen an die KYC- und Source-of-Wealth-Dokumentation vollständig gerecht zu werden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass zahlreiche lokale chinesische Banken die globalen Geldwäscherei- und Kundenidentifikations-Standards weder vollständig verstanden noch effektiv umgesetzt haben. Zudem investieren heute viele sehr vermögende Kunden aus China gerne in Wachstumsmärkte in Asien, die ein «agiles» Compliance-Setup und eine grosse Marktkenntnis erfordern, um spezifische Risiken zu identifizieren und zu mindern.

Bei diesen Kunden kommt es sogar vor, dass sie nach der Kontoeröffnung ihre geschäftlichen Kernaktivitäten verändern; so wandeln sich manche Unternehmer, die jahrzehntelang in der Kohleindustrie tätig waren, zu sehr aktiven Händlern an den Finanzmärkten.

Die Erfahrung im Bankwesen zeigt, dass chinesische Kunden ein ganz anderes Profil haben als Kunden aus den GUS-Staaten, Lateinamerika oder aus dem Nahen Osten. Eine ganzheitliche Risikobeurteilung lässt sich nur mit Hilfe von Compliance-Beauftragten erreichen, die Mandarin oder Kantonesisch sprechen, sowie einen akademischen Hintergrund mit einem starken Fokus auf die Region haben. Ausserdem sollten sie einen interkulturellen Hintergrund besitzen und die Standards im Swiss Private Banking kennen.

«Nur so lässt sich für chinesische Kunden im Schweizer Banking ein Mehrwert generieren»

Ein gründliches Verständnis der Bedürfnisse chinesischer Kunden in Verbindung mit ihren potenziellen Sanktions- und Reputationsrisiken gehen über eine reine Datenbank-Recherche hinaus. Die entsprechende Beurteilung beruht sicherlich auf den vorhandenen Informationen, hängt letztlich aber weitgehend von der Methodik jeder Bank ab, wenn es darum geht, lokale Medien (von seriösen Zeiten bis zu Boulevardmedien, von Peking-nahen bis zu Hongkong-nahen Titeln) zu verstehen, um überhaupt einen ganzheitlichen Kontext für die Compliance-Analyse zu liefern.

Um auf die Worte von Konfuzius zurückzukommen, wonach es darum geht, «die Handlungsschritte anzupassen», muss das Compliance-Rahmenwerk einer Bank sowohl eine integrierte Beratungsrolle als auch eine regulatorische Kontrollfunktion übernehmen. Nur so lässt sich für chinesische Kunden im Schweizer Private Banking ein Mehrwert generieren. 


Hui Zhang ist eine chinesische Compliance-Expertin, die in den vergangenen 16 Jahren für verschiedene Grossbanken in China und der Schweiz tätig war. Im Jahr 2012 zog sie in die Schweiz, wo sie zunächst für die Credit Suisse tätig war. Inzwischen arbeitet sie für die Banque International à Luxembourg (BIL). Als sie noch in China lebte, war sie in Schanghai für die Agricultural Bank of China, Axa Insurance, Comway Capital sowie Stanley & Partners Real Estate Investment Banking Services tätig. Sie verfügt über umfassende Kenntnisse der Finanzmarkt-Regulierung in China; ausserdem umfasst ihre Expertise auch die Schweizer Gesetze zur Bekämpfung der Geldwäscherei.

Co-Autor dieses Beitrags ist Ralph Ebert. Der Jurist ist seit 15 Jahren für Gross- und Privatbanken im Bereich Recht und Compliance tätig und arbeitet derzeit als Head Compliance bei der Banque International à Luxembourg (BIL) in der Schweiz. Seine bisherigen Stationen führten ihn geographisch über Seoul, Montreal und Paris ab 2008 in die Schweiz. Er hat bei verschiedenen Finanzinstitutionen (BNP Paribas, Credit Suisse, UBP und Credit Agricole Indosuez) gearbeitet und sich dabei schwerpunktmässig mit der Geldwäschereibekämpfung auseinandergesetzt.


Bisherige Texte von: Rudi BogniRolf BanzWerner VogtWalter WittmannAlfred Mettler, Robert HolzachCraig MurrayDavid ZollingerArthur BolligerBeat KappelerChris RoweStefan GerlachMarc Lussy, Nuno FernandesRichard EggerDieter RuloffMarco BargelSteve HankeUrs Schoettli, Maurice PedergnanaStefan Kreuzkamp, Oliver BussmannMichael BenzAlbert Steck, Martin DahindenThomas FedierAlfred MettlerBrigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Kim IskyanStephen DoverDenise Kenyon-RouvinezChristian DreyerKinan Khadam-Al-JameRobert HemmiAnton AffentrangerYves Mirabaud, Hans-Martin KrausGérard Guerdat, Mario BassiStephen ThariyanDan SteinbockRino BoriniBert FlossbachMichael HasenstabGuido SchillingWerner E. RutschDorte Bech VizardAdriano B. Lucatelli, Maya BhandariJean TiroleHans Jakob RothMarco Martinelli, Thomas Sutter, Tom King, Werner PeyerThomas KupferPeter Kurer, Arturo Bris, Frédéric Papp, James Syme, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Marionna Wegenstein, Armin JansNicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio QuirighettiClaire Shaw, Peter FanconiAlex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Sandro Occhilupo, Will Ballard, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel, Jens Pongratz, Samuel Gerber, Philipp Weckherlin, Anne Richards, Antoni Trenchev, Benoit Barbereau, Pascal R. Bersier, Shaul Lifshitz, Ana Botín, Martin Gilbert, Jesper Koll, Ingo Rauser, Carlo Capaul, Markus Winkler, Konrad Hummler, Thomas Steinemann, Christina Böck, Guillaume Compeyron, Miro Zivkovic, Alexander F. Wagner, Eric Heymann, Christoph Sax, Felix Brem, Jochen Möbert, Jacques-Aurélien Marcireau, Ursula Finsterwald, Claudia Kraaz, Michel Longhini, Stefan Blum, Nicolas Ramelet, Søren Bjønness, Lamara von Albertini, Andreas Britt, Gilles Prince, Darren Williams, Shanu Hinduja, Salman Ahmed, Stéphane Monier, Peter van der Welle, Ken Orchard, Christian Gast, Jürgen Braunstein, Jeffrey Vögeli, Fiona Frick, Stefan Schneider, Matthias Hunn, Andreas Vetsch, Teodoro Cocca, Mark Hawtin, Fabiana Fedeli, Marionna Wegenstein, Kim Fournais, Carole Millet, Swetha Ramachandran, Brigitte Kaps, Thomas Stucki, Teodoro Cocca, Neil Shearing, Claude Baumann, Guy de Blonay, Tom Naratil, Oliver Berger, Robert Sharps, Tobias Müller, Florian Wicki, Jean Keller, Fabrizio Pagani, Niels Lan Doky, Karin M. Klossek, Ralph Ebert, Johnny El Hachem, Judith Basad, Katharina Bart, Thorsten Polleit, Beat Wittmann, Bernardo Brunschwiler, Peter Schmid, Karam Hinduja, Zsolt Kohalmi, Didier Saint-Georges, Raphaël Surber, Santosh Brivio, Gérard Piasko, Mark Urquhart, Olivier Kessler, Bruno Capone, Peter Hody, Lars Jaeger, Andrew Isbester, Florin Baeriswyl, Michael Bornhäusser, Agniszka Walorska, Thomas Müller, Michael Welti, Ebrahim Attarzadeh und Marcel Hostettler.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.6%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.48%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.29%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.17%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.47%
pixel