Die Abgeltungssteuer bedroht viele Stellen. Daher müsse die Schweiz gegenüber Deutschland und England Forderungen durchsetzen, mahnt Hans Kaufmann.

Hans_Kaufmann_qHans Kaufmann ist Wirtschaftswissenschaftler, Nationalrat (SVP) und Gründer von Kaufmann Research. Bis 1999 arbeitete er bei Julius Bär, zuletzt als Chefökonom. Er schreibt regelmässig für finews.ch.

Im Oktober 2007 verwalteten die Banken in der Schweiz noch Wertschriftenvermögen ausländischer Privatkunden in Höhe von 1'078 Milliarden Franken. Dies entsprach damals rund 20 Prozent aller bei Banken in der Schweiz deponierten Wertschriftenbestände.

Den höchsten Anteil am Total erreichten die ausländischen Privatkundenvermögen im Januar 2001 mit fast 29 Prozent. Heute, das heisst per Ende August 2010, belaufen sich diese Wertschriftenbestände der ausländischen Privatkunden noch auf 619 Milliarden Franken und ihr Anteil an den Wertschriftendepots liegt bei 14,6 Prozent.

Rund 570 Milliarden weg

Selbst wenn man noch die kommerziellen Auslandkunden als verdeckte ausländische Privatkunden einstufen würde, ergeben sich nur weitere 127 Milliarden Franken (Spitzenwert 238 Milliarden Franken) respektive 3 Prozent am Gesamtbestand.

Damit haben die Banken in der Schweiz seit dem Allzeithoch ausländische Privatkundenvermögen von 459 Milliarden Franken und 111 Milliarden Franken an kommerziellen Kundendepots verloren. Dies entspricht einer Einbusse von total 570 Milliarden Franken.

Abzüge, Verschiebungen und Wohnortswechsel

Alleine in den ersten acht Monaten des laufenden Jahres gingen 62 Milliarden Franken verloren. Zweifellos ist ein Teil dieser Vermögensschrumpfung seit 2007 auf Verluste an den Finanzmärkten zurückzuführen, aber im laufenden Jahr waren es nicht die Börsen, die für den Rückgang verantwortlich waren. Denn bis August, so zeigt der Pictet-25-Index, lagen konservative gemischte Portefeuilles sogar marginal im Plus.

Der schwindende Anteil an den verwalteten Gesamtvermögen ist ein Indiz dafür, dass der Rückgang vor allem auf Abflüsse zurückzuführen ist. Diese können durch effektive Abzüge, Verschiebungen an andere Finanzplätze oder durch einen Wohnortwechsel des Depotinhabers in die Schweiz erfolgt sein.

Bundesrat verursachte Rechtsunsicherheit

Ein Teil dieser Kapitalabflüsse ist zweifellos die Folge der Rechtsunsicherheit, die durch den Bundesrat im Zusammenhang mit der Diskussionen um eine Abgeltungssteuer verursacht wurde. Viele ausländische Kunden sind nicht gewillt, zuzuwarten, bis ihre Vermögen durch Zwangsenteignungen zur «Regulierung der Altlasten» um bis zu 25 Prozent geschröpft werden.

Nur ein kleiner Teil, nämlich 12 Prozent respektive 72 Milliarden Franken der ausländischen Privatkundendepots, sind effektiv in Wertschriften von Schweizer Inland-Emittenten angelegt. Der Rest wurde im Ausland investiert, vor allem in der EU und dort wiederum zu einem grossen Teil im Euro-Gebiet.

Steuer wird bereits erhoben

Rund 40 Prozent der Anlagen lauten auf Dollar, 38 Prozent auf Euro, 12 Prozent auf Franken, und die restlichen 10 Prozent verteilen sich auf übrige Währungen. Nach Anlageinstrumenten gliederten sich die 619 Milliarden Franken wie folgt: Geldmarkt 1,3 Prozent, Staatsanleihen 5,0 Prozent, übrige Obligationen 22,3 Prozent, Aktien 20,4 Prozent, Fonds Schweiz 4,5 Prozent, Fonds Ausland 38,4 Prozent, strukturierte Produkte 8,1 Prozent.

Auf den meisten dieser Instrumente wird bereits eine Steuer erhoben, insbesondere für EU-steuerpflichtige Privatpersonen. Die Zinserträge von Obligationen und Geldmarktanlagen unterliegen entweder der Zahlstellensteuer oder einer Verrechnungssteuer.

Steuererträge zu hoch gegriffen

Von den Aktiendividenden wird in den meisten Ländern eine Verrechnungssteuer abgezogen. Schweizer Fonds unterliegen einer Verrechnungssteuer. Ausländische Fonds, deren Erträge zu 40 Prozent aus Zinserträgen bestehen, unterliegen der Zahlstellensteuer. Dieser Satz sinkt ab 2011 sogar auf 25 Prozent.

Deshalb sind die Steuererträge, wie sie gewisse EU-Finanzminister aus einem Abgeltungssteuerabkommen erhoffen, viel zu hoch gegriffen. Es sei denn, die Abgeltungssteuer würde zusätzlich zu den bereits abgezogenen Verrechnungs- oder Zahlstellensteuern erhoben. Eine solche Doppelbesteuerung würde den Finanzplatz Schweiz vollends aus dem Wettbewerb werfen.

Rechenbeispiele

Werden aber die Zahlstellensteuern für EU-Steuerpflichtige aus einzelnen Ländern und die Verrechnungssteuern (zum Beispiel auf Dividenden von Schweizer Aktien) aufgehoben, dann würde der Schweizer Fiskus massiv betroffen, denn der Bund kassiert 25 Prozent der Zahlstellensteuer und 35 Prozent Verrechnungssteuer auf sämtlichen inländischen Zins- und Dividendenausschüttungen, die nicht zurückgefordert werden.

Bei einem Anlagevolumen von rund 72 Milliarden Franken bei inländischen Emittenten und weiteren 28 Milliarden Franken in inländischen Fonds, könnte sich der Gesamtbetrag der Erträge durchaus auf gegen 2 bis 3 Milliarden (2 bis 3 Prozent Rendite) belaufen, woraus sich eine Verrechnungssteuer von 500 Millionen Franken bis 1 Milliarden Franken ergibt.

Was sich der Bund ans Bein streichen müsste

Diese müsste sich der Bund ans Bein streichen, wenn anstelle der Verrechnungs-steuer die Abgeltungssteuer tritt. Auch von der für 2011 budgetierten Beteiligung an der Zahlstellensteuer von 135 Millionen Franken würde wohl rund ein Drittel ent-fallen.

Der Abzug ausländischer Privatkundenvermögen trifft die Schweiz aber noch viel härter, denn allein der bisherige Aderlass von 570 Milliarden Franken (ausländische Privatkunden- und Kommerzkundendepots) bedeutet bei einer «Activity ratio» (Depotgebühren, Börsenkommissionen, Devisenhandel) von 0,8 Prozent einen Verlust an Wertschöpfung von rund 4,5 Milliarden oder umgerechnet auf Vollzeitstellen von rund 10'000 Mitarbeitern.

Massiv rückläufige Kommissionserträge

Dass diese Schätzungen durchaus realistisch sind, zeigen die Zahlen für alle Banken in der Schweiz, die im Jahre 2007 noch rekordhohe Kommissionserträge aus dem Wertschriften und Anlagegeschäft von 38,5 Milliarden Franken erzielten; 2009 waren es bloss noch 26 Milliarden Franken. Dies entspricht einem satten Minus von 12,5 Milliarden Franken.

Dass der Personalbestand «nur» um 6'400 Stellen gesunken ist, dürfte wohl der Zurückhaltung der Banken zu verdanken sein, die ihre hochqualifizierte Belegschaft in der Hoffnung auf bessere Zeiten nicht reduziert haben. Die Lohnsumme der Schweizer Banken in der Schweiz ist seit dem Höchststand um knapp 4 Milliarden Franken auf 28,3 Milliarden Franken zurückgefallen.

Hoffnungen auf bessere Zeiten

Rund 4 Milliarden Franken weniger Lohnsumme bedeutet wohl auch rund 500 Millionen Franken weniger Einkommenssteuereinnahmen. Sollten diese Hoffnungen auf bessere Zeiten aber durch die Politik noch endgültig zunichte gemacht werden, dann dürften die Verlagerungen von Geschäftsaktivitäten nach Fernost auch personelle Konsequenzen nach sich ziehen.

Deshalb sind als Mindestforderungen bei den Verhandlungen mit Deutschland und Grossbritannien in Sachen Abgeltungssteuern die Beibehaltung der Schweizer Verrechnungssteuer, Reziprozität bei der Zahlstellen- und Abgeltungssteuer für Schweizer Geldanlagen in der EU, der freie Zugang für Schweizer Anlagefonds in Deutschland und Grossbritannien und die freie Kundenwerbung in diesen Ländern durch Schweizer Finanzdienstleister ein Muss.

 

 

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.34%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.75%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.8%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.46%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.64%
pixel