Mit den neusten Lockerungsmassnahmen in Teilen der Welt wird auch das Reisen wieder eher möglich. Vor diesem Hintergrund könnte sogar die Aviatik-Branche für Investorinnen und Investoren wieder attraktiv werden, schreibt Todd Saligman auf finews.first.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen


Die weltweite Luftfahrt-Branche wurde von der Corona-Pandemie stark in Mitleidenschaft gezogen. Über die vergangenen 40 Jahre war sie eine ziemlich stabile Wachstumsbranche, doch 2020 brach das weltweite Passagieraufkommen um schwindelerregende 65 Prozent ein.

Zum Vergleich: Zuvor belief sich der höchste Rückgang, der jemals gemessen worden war, auf drei Prozent. Einige Sektoren innerhalb der Luftfahrt, wie die Flugzeugherstellung, könnten trotz Corona nun widerstandsfähiger geworden sein, als dies in der Vergangenheit der Fall war.

Struktureller Wandel schon vor der Krise

Bereits vor der Pandemie erfuhr die Flugzeugproduktion einen strukturellen Wandel und war schon weniger zyklisch als früher. Mitte der 1990er-Jahre und Anfang der 2000er-Jahre ging die Produktion gar um 40 bis 50 Prozent zurück, als das Reiseverkehrs-Volumen im jeweiligen Jahr nur 2 bis 3 Prozent fiel.

Als im vergangenen Jahr der Reiseverkehr so massiv einbrach, ging die Produktion in der gesamten Branche jedoch «nur» um 30 bis 40 Prozent zurück – und ein Grossteil davon war den Sicherheitsproblemen bei der 737 MAX und nicht Covid-19 geschuldet. Für die stabilere Flugzeugproduktion gibt es mindestens fünf Gründe:

1. Diversifizierte Nachfrage

Die Nachfrage in der Flugzeugproduktion ist heute deutlich breiter gestreut als in der Vergangenheit. Während Flugzeuglieferungen in der Vergangenheit lediglich auf dem Wachstum der Branche beruhten, ist die Verteilung heute gleichmässiger aufgestellt.

Nur noch 60 Prozent entfallen auf Flottenwachstum, die anderen 40 Prozent dienen dem Ersatz älterer Flugzeuge. Hier ist es wichtig zu erwähnen, dass die Ersatznachfrage weniger zyklisch ist als die Wachstumsnachfrage. Ausserdem ist die Luftfahrt heute nicht mehr so stark von einzelnen Ländern abhängig, sondern als weltweite Branche zu betrachten. Dies führt zu einer Stabilität, die es früher nicht gab.

2. Grösserer Auftragsbestand

Die Herstellung von Flugzeugen ist im Wesentlichen ein weltweites Duopol aus Airbus und Boeing. Vor der Krise führte die langfristige strukturelle Nachfrage nach ihren Produkten zu viel grösseren Auftragsbeständen als in der Vergangenheit.

Zwar hat es 2020 eine Vielzahl an Stornierungen gegeben, die Auftragsbücher sind aber weiterhin gut gefüllt, und die Nachfrage ist gross. Der Umfang und die Robustheit der Auftragsbücher bringen Stabilität und Prognosesicherheit für die Erträge von Erstausrüstern.

3. Bessere Produktionsplanung

Ein weiterer Unterschied zur Zeit vor 20 bis 30 Jahren ist, dass die Produktion heutzutage umsichtiger geplant wird. Zuvor wurde die Produktion sehr schnell in Reaktion auf die jeweilige Auftragslage hochgefahren. Während des vergangenen Jahrzehnts liessen sowohl Boeing als auch Airbus Disziplin bei der Steigerung der Produktion walten, um Phasen eines erheblichen Überangebots zu vermeiden.

4. Weniger Entwicklungsprojekte

In den vergangenen 15 Jahren haben beide Unternehmen – Boeing und Airbus – viele Milliarden in die Entwicklung neuer Flugzeugtypen investiert. Das ist teuer und geht mit einem gewissen Risiko einher. Allerdings sind die Entwicklungszyklen so lang, dass Modelle, deren Einführung vor 2030 geplant ist, bereits in Entwicklung sein dürften.

Mit kleineren Verbesserungen an den aktuellen Modellen darf gerechnet werden. Ich gehe aber nicht davon aus, dass es kurz- und mittelfristig komplette Neuentwicklungen geben wird – zumindest nicht bei Airbus.

Bei Boeing besteht wohl eine grössere Notwendigkeit, in näherer Zukunft ein neues Flugzeug zu bauen. Ob dies aber geschieht oder nicht, wird davon abhängen, wie das Unternehmen auf die Herausforderung reagiert, vor der es bei seinem Modell 737 MAX steht.

Die Anzahl aktiver Entwicklungsprojekte wird aber, davon unabhängig, in den nächsten Jahren viel geringer sein als in der Vergangenheit. Daraus ergeben sich positive Auswirkungen auf Margen und Renditen der Unternehmen.

5. Erhebliche Effizienzsteigerungen

Trotz der Pandemie blieben die Auftrags-Stornierungen 2020 im Rahmen. Tatsächlich sind gerade mal 10 Prozent aller Bestellungen storniert worden, was im Vergleich zu den Vorjahren kein besonders schlechtes Jahr darstellt. Der Grund für diese Widerstandsfähigkeit liegt in der wirtschaftlichen Effizienz der Ersatznachfrage.

Die heute erhältlichen neuen Flugzeuge sind 15 bis 20 Prozent Treibstoff-effizienter als die vorherige Generation. Das stellt einen Effizienzsprung in der Grössenordnung von zwei Generationen dar. In der Vergangenheit boten neue Flugzeuge eine Verbesserung der Treibstoff-Effizienz von etwa fünf bis acht Prozent gegenüber dem vorherigen Modell. Neue Schätzungen ergeben, dass die Treibstoffkosten etwa 22 Prozent der Kosten einer Airline ausmachen.

Bei einem operativen Gewinn von fünf Prozent, könnte eine Senkung der Treibstoffkosten, wenn alle anderen Preise gleichbleiben, eine Gewinnsteigerung von 60 Prozent bedeuten. Und das lediglich durch den Austausch älterer Flugzeuge durch treibstoffeffizientere Modelle.

Kurzum: Trotz der Corona-Pandemie und dem damit verbundenen Einbruch des Flugverkehrs ist die Branche langfristig attraktiv aufgestellt.


Todd Saligman ist Aktienanalyst mit Spezialisierung auf Luft- und Raumfahrt beim amerikanischen Asset Manager Capital Group.


Bisherige Texte von: Rudi BogniRolf BanzWerner VogtWalter WittmannAlfred Mettler, Robert HolzachCraig MurrayDavid ZollingerArthur BolligerBeat KappelerChris RoweStefan GerlachMarc Lussy, Nuno FernandesRichard EggerDieter RuloffMarco BargelSteve HankeUrs Schoettli, Maurice PedergnanaStefan Kreuzkamp, Oliver BussmannMichael BenzAlbert Steck, Martin DahindenThomas FedierAlfred MettlerBrigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Kim IskyanStephen DoverDenise Kenyon-RouvinezChristian DreyerKinan Khadam-Al-JameRobert HemmiAnton AffentrangerYves Mirabaud, Hans-Martin KrausGérard Guerdat, Mario BassiStephen ThariyanDan SteinbockRino BoriniBert FlossbachMichael HasenstabGuido SchillingWerner E. RutschDorte Bech VizardAdriano B. Lucatelli, Maya BhandariJean TiroleHans Jakob RothMarco Martinelli, Thomas Sutter, Tom King, Werner PeyerThomas KupferPeter Kurer, Arturo Bris, Frédéric Papp, James Syme, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Marionna Wegenstein, Armin JansNicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio QuirighettiClaire Shaw, Peter FanconiAlex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Sandro Occhilupo, Will Ballard, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel, Jens Pongratz, Samuel Gerber, Philipp Weckherlin, Anne Richards, Antoni Trenchev, Benoit Barbereau, Pascal R. Bersier, Shaul Lifshitz, Ana Botín, Martin Gilbert, Jesper Koll, Ingo Rauser, Carlo Capaul, Markus Winkler, Konrad Hummler, Thomas Steinemann, Christina Böck, Guillaume Compeyron, Miro Zivkovic, Alexander F. Wagner, Eric Heymann, Christoph Sax, Felix Brem, Jochen Möbert, Jacques-Aurélien Marcireau, Ursula Finsterwald, Claudia Kraaz, Michel Longhini, Stefan Blum, Nicolas Ramelet, Søren Bjønness, Lamara von Albertini, Andreas Britt, Gilles Prince, Darren Williams, Shanu Hinduja, Salman Ahmed, Stéphane Monier, Peter van der Welle, Ken Orchard, Christian Gast, Jürgen Braunstein, Jeffrey Vögeli, Fiona Frick, Stefan Schneider, Matthias Hunn, Andreas Vetsch, Mark Hawtin, Fabiana Fedeli, Marionna Wegenstein, Kim Fournais, Carole Millet, Swetha Ramachandran, Brigitte Kaps, Thomas Stucki, Neil Shearing, Claude Baumann, Tom Naratil, Oliver Berger, Robert Sharps, Tobias Müller, Florian Wicki, Jean Keller, Niels Lan Doky, Karin M. Klossek, Ralph Ebert, Johnny El Hachem, Judith Basad, Katharina Bart, Thorsten Polleit, Bernardo Brunschwiler, Peter Schmid, Karam Hinduja, Zsolt Kohalmi, Raphaël Surber, Santosh Brivio, Gérard Piasko, Mark Urquhart, Olivier Kessler, Bruno Capone, Peter Hody, Andrew Isbester, Florin Baeriswyl, Agniszka Walorska, Thomas Müller, Ebrahim Attarzadeh, Marcel Hostettler, Hui Zhang, Michael Bornhäusser, Reto Jauch, Angela Agostini, Guy de Blonay, Lars Jaeger, Tatjana Greil Castro, Jean-Baptiste Berthon, Dietrich Grönemeyer, Mobeen Tahir, Didier Saint-Georges, Serge Tabachnik, Rolando Grandi, Vega Ibanez, Beat Wittmann, Carina Schaurte, David Folkerts-Landau, Andreas Ita, Teodoro Cocca, Michael Welti, Mihkel Vitsur, Fabrizio Pagani und Roman Balzan.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.35%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.8%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.84%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.36%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.64%
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