Viele Anleger seien heute von einem blinden Sicherheitsdenken getrieben, erklärt Alfred Strebel, Chef von Fidelity International in der Schweiz.

Herr Strebel, ist das Investieren generell schwieriger geworden?

Grundsätzlich schon. Das liegt nicht zuletzt daran, dass viele Anlageklassen gar kein Eigenleben mehr besitzen. Sie korrelieren bloss noch miteinander.

Woran liegt das?

Fundamentale Faktoren zählen an den Finanzmärkten immer weniger, stattdessen rückt das rein spekulative Element in den Vordergrund. Dadurch fliessen die grossen Geldströme in ständig andere Anlagen. Hinzu kommen technische Faktoren und automatisierte Handelssysteme, die einzelne Trends verstärken, selbst wenn es aus wirtschaftlicher Optik gar keine Gründe dafür gibt. Früher beruhten die Bewegungen am Markt viel eher auf den makroökonomischen Daten.


«Clariant wurde lange Zeit geprügelt.»

Ist das heute anders?

Man handelt «delta», «sigma» oder einen anderen «Griechen»… Nein, im Ernst, langfristiges Investieren wird psychologisch immer schwieriger, vor allem seit der Angstfaktor so gross geworden ist. Selbst Grossinvestoren achten heute viel mehr darauf, wohin die Geldströme fliessen und springen dann hinterher.

Eben haben wir die grössten Verwerfungen der letzten achtzig Jahre erlebt. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Märkte nun nochmals einbrechen ist doch daher eher gering. Wäre jetzt nicht der beste Zeitpunkt zum Einstieg?

Eine erfolgreiche Anlagestrategie bedingt, dass man auch antizyklisch handelt, also die dafür relevanten Indikatoren ausmacht, wenn der Gesamtmarkt noch total negativ ist. Der Schweizer Chemiekonzern Clariant wurde lange Zeit geprügelt. Doch wer die Zeichen der Zeit erkannte, stieg ein. Seit seinem Tiefstpunkt hat sich der Aktienkurs mehr als verdreifacht.

Warum liegen viele Anleger oft falsch?

Weil sie zu spät kommen. Bei jeder Hausse geht zuerst das «smart money» rein. Das sind professionelle Investoren, die einen ausreichend langen Atem haben, um auch temporäre Schwankungen durchzustehen.


«Es hat immmer noch Raum nach oben.»

Mit der Zeit verstärken makroökonomische und firmenspezifische Faktoren einen Börsentrend, so dass weitere Anleger einsteigen. Erst wenn allgemeine Zuversicht herrscht, kommt die grosse Masse. Doch dann ist es zu spät. Es kommt zu Übertreibungen – den Rest kennen wir. Das war bei der Tulpenmanie vor 350 Jahren der Fall, genauso wie heutzutage bei Aktien oder Immobilien.

Nochmals, wäre jetzt der ideale Zeitpunkt zum Einsteigen?

Der ideale Zeitpunkt wäre im März 2009 gewesen, aber es hat auch heute noch Raum nach oben, bis auf eine Ausnahme: Staatspapiere. Wenn Sie für zehnjährige US-Staatsobligationen 2,5 Prozent Zins kriegen, während die Zinsen in praktisch jedem Land der Welt am kurzen Ende bei Null sind, kann die Rechnung nicht aufgehen. Diese Flucht in vermeintliche Sicherheit wird böse enden, zumal viele Investoren heute von einem blinden Sicherheitsdenken getrieben sind und meinen, manche Staaten könnten nicht bankrott gehen. Dabei blenden sie aus, dass in den letzten 200 Jahren Dutzende von Ländern insolvent wurden.

Mit anderen Worten trauen Sie auch den USA einen «default» zu?

Wenn es mit der Gelddruckerei so weitergeht, ja. Es ist denkbar, dass die US-Regierung irgendwann einer grossen Gläubigernation wie China oder Japan sagen muss, wir machen nun einen Trade-off und zahlen nur noch 80 Prozent für die US-Staatspapiere zurück.


«Wer Staatsanleihen kauft, verlässt sich auf Politiker und Notenbanker.»

Oder die Chinesen, Japaner und Koreaner kaufen einfach keine US-Staatsanleihen mehr. Dann sieht die Welt mit einem Schlag anders aus. Nichts gegen Sicherheit, aber wer Staatsanleihen kauft, verlässt sich auf Politiker und Notenbanker. Das ist etwas anderes, als wenn verantwortungsbewusste Aktionäre den Kurs eines Unternehmens steuern.

Droht uns Inflation?

Ich glaube schon. Zuerst eine Inflation bei den Vermögenswerten wie Aktien, Rohstoffe, und Edelmetalle, wobei wir dies am Anfang durchaus als Chance ansehen – solange es keine Hyperinflation ist. Mit einer gewissen Teuerung lassen sich Schulden abbauen oder zumindest begrenzen.


«Attraktive Titel sind Schindler und Logitech.»

Je mehr Geld aber in Umlauf ist, desto schwieriger wird es, dieses wieder abzuziehen. Gelingt das nicht, droht die eingangs erwähnte Hyperinflation. Damit verbunden ist immer auch ein Vertrauensverlust ins Papiergeld. Ich erachte die Angst, dass der Dollar als Leitwährung kollabiert, als eine der grössten Gefahren unserer Zeit.

Wo sehen Sie hierzulande die besten Anlagemöglichkeiten?

Bei Firmen, die ein kompetentes Management haben, eine profitable Nische besetzen oder am Weltmarkt führend sind. Das ist keine «rocket science», sondern beruht auf einem sorgfältigen Research. Nehmen Sie als Beispiel den Hörgerätehersteller Sonova: Er arbeitet hervorragend, hat die Kosten im Griff, ist am Weltmarkt führend, weist hohe Margen aus und investiert in neueste Technologie. Auch in der Pharmabranche kann die Schweiz mit Novartis und Roche ihre «Muskeln» spielen lassen. Attraktive Titel sind überdies Schindler und Logitech.


Alfred_Strebel_q_2Alfred Strebel wurde 1958 geboren und ist diplomierter Betriebsökonom. Er zog mit 22 Jahren nach London, wo er zehn Jahre im Wertschriftenhandel für die Finanzhäuser White Weld Securities/Credit Suisse First Boston, Merrill Lynch und Drexel Burnham arbeitete. Während dieser Zeit verbrachte er auch sechs Monate in Tokio.

Als Strebel im Jahr 1990 in die Schweiz zurückkehrte, übernahm er bei der Bank Vontobel die Verantwortung für die Auslandbörsen. Danach folgten sechs Jahre bei Reuters International. Seit 1998 ist Alfred Strebel für Fidelity tätig.

 

 

 

 

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