Einige unabhängige Vermögensverwalter, die das Beantragen der Finma-Lizenz auf Ende 2022 terminiert haben, riskieren gegen die neuen Regulierungen zu verstossen, noch bevor sie die Finma-Lizenz beantragt haben, schreibt Lamara von Albertini in ihrem Beitrag für finews.first.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen


Ende 2021 läuft die zweijährige Übergangsfrist der meisten Vorschriften des Finanzdienstleistungsgesetzes (Fidleg) ab. Im Zentrum des neuen Regelwerks stehen die Verbesserung des Anlegerschutzes sowie die Angleichung an das EU-Recht. Doch wo stehen die Finanzdienstleister, und was können ihre Kunden von ihnen erwarten? Wo liegen die Stolpersteine, und was kann man den Finanzdienstleister empfehlen?

FIdleg, zusammen mit dem Finanzinstitutsgesetz (Finig) haben einen Reformcharakter und werden längerfristig gesehen zwangsläufig ein Stück weit zur Veränderung der Schweizer Finanzbranche beitragen.

«Als Faustregel gilt, je komplexer das Geschäftsmodell, desto grösser können die Stolpersteine ausfallen»

Grundsätzlich handelt sich um komplexe Regulierungen, die fachkundig angewandt und gesamthaft nicht unterschätzt werden dürfen. In der EU existieren zahlreiche Auslegungsregeln in Bezug auf MiFID, das Fehlen von derartigen in der Schweiz, erschwert in vielen Fällen die Anwendung. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass die Umsetzung von Fidleg von vielen Finanzdienstleistern unterschätzt wird.

Eine sachkundige, korrekte Umsetzung von Fidleg stellt Finanzdienstleister vor unterschiedliche Herausforderungen. Als Faustregel gilt, je komplexer das Geschäftsmodell, desto grösser können die Stolpersteine ausfallen. Jedoch auch kleinere Finanzinstitute sollten die Umsetzung von Fidleg nicht unterschätzen und vor allem nicht vernachlässigen.

Die Praxis zeigt, dass einige unabhängige Vermögensverwalter, die das Beantragen der Finma-Lizenz auf das Ende 2022 terminiert haben, Fidleg teilweise aus den Augen verloren haben und riskieren gegen die neuen Regulierungen zu verstossen, bevor sie die Finma-Lizenz beantragt haben.

«Eine korrekte Identifikation der Kunden ist das zentrale Tor im Fidleg »

Die Herausforderungen bei der Implementierung von Fidleg beginnen bereits bei der Kundensegmentierung. Die Zuordnung der Kunden in die drei gesetzlichen Kundenkategorien kann sich aufwendig gestalten. Eine korrekte Identifikation der Kunden ist das zentrale Tor im Fidleg und bestimmt das Anlegeschutzniveau.

In der Praxis zeigen sich zahlreiche Spezialkonstellationen, wie gemeinsame Konten und Depots, Vollmachten, Verhältnisse mit unabhängigen Vermögensverwaltern, etc. Die vom Gesetz vorgesehenen Opting-in und Opting-out-Möglichkeiten bieten zwar interessante Spielräume, deren praktische Umsetzung könnte sich in der Praxis jedoch als komplex erweisen. In vielen Fällen ist eine Rücksprache und Mitwirkung der Kunden unumgänglich. Die Banken werden im Hinblick auf die Kundensegmentierung mit der technischen Replikation stark konfrontiert.

«Hier stellt sich die Frage, ob Kunden ausreichend geschützt sind»

Eine Besonderheit von Fidleg, in Abweichung zu MiFID, ist die transaktionsbezogene Beratung mit einem reduzierten Angemessenheitstest, bei welchem weder die Anlageziele noch die finanziellen Verhältnisse zu erfragen sind.

Hier stellt sich die Frage, ob Kunden ausreichend geschützt sind, denn jede Einzeltransaktion hat Auswirkungen auf die Risiken eines Gesamtportfolios. Für den Finanzdienstleister kann es im Einzelfall schwierig zu beweisen sein, ob eine transaktionsbezogene oder portfoliobezogene Beratung stattfand.

«Bei der Implementierung von Fidleg ist das Top-Management gefordert»

Ein besonderes Augenmerkmal ist bei der Implementierung von Fidleg auf den seit Jahren verringerten Spielraum beim Einbehalten von Drittvergütungen (Retrozessionen) und verstärkte Transparenzanforderungen zu richten. Dies gilt für alle Finanzdienstleistungen und nicht nur für die Vermögensverwaltung. Insbesondere betroffen sind die strukturierten Produkte. Viele Finanzdienstleister wollen ihr Preismodell jedoch (noch) nicht überprüfen.

Die Übergangsfrist zur Erstellung eines Basisinformationsblatts für sämtliche Finanzinstrumente soll um sechs Monate (bis 30. Juni 2022) verlängert werden. Der Verlängerung der Übergangsfrist ist primär auf das EU-Recht zurückzuführen: die UCITS-KIID wird sechs Monate später als ursprünglich geplant, also erst per 1. Juli 2022 durch das PRIIPS-KID abgelöst.

Das Ende der Übergangsperiode 2021 bedeutet auch, dass Finanzdienstleister ihre Mitarbeiter in Bezug auf Fidleg, insbesondere Verhaltensregeln, ausgebildet haben müssen. Bei der Implementierung von Fidleg ist das Top-Management gefordert.

«Kleinere Finanzinstitute übersehen die Fidleg-Themen oder nehmen sie nicht in ihrer Tiefe wahr»

Kleinere Finanzinstitute, die ihre Compliance und Risk Management Funktion an Dritte auslagern, dürfen sich vom Prinzip «Aus den Augen, aus dem Sinne», generell nicht verleiten lassen.

Die Praxis zeigt, dass die Implementierung von Fidleg sowohl hinsichtlich des damit verbundenen Aufwands als auch möglicher Auswirkungen auf das Geschäftsmodell sowie die Prozesse immer noch unterschätzt wird. Während die Banken mit Hochdruck an der Implementierung von Fidleg und der Anpassung ihrer IT-Systeme arbeiten, werden die Fidleg-Themen von kleineren Finanzinstituten oft übersehen und nicht in ihrer Tiefe wahrgenommen.

Noch haben die Finanzdienstleister bis Ende des Jahres Zeit ihre Organisation so anzupassen, dass die Einhaltung von Fidleg gewährleistet ist. Insbesondere sind die Corporate Governance, die Compliance und das Risikomanagement auf die Einhaltung der Fidleg-Vorschriften auszurichten.

«Die Uhr für die Implementierung von Fidleg tickt»

Finanzdienstleistern, die damit noch nicht angefangen haben, ist anzuraten schnellstmöglich ein Fidleg Konzept zu erstellen und notwendige Massnahmen zu treffen um Lücken in der Organisation zu schliessen. Die Uhr für die Implementierung von Fidleg tickt.


Lamara von Albertini ist Juristin, Finanzmarktrecht- und Compliance Expertin mit einer langjährigen Erfahrung in der Finanzbranche. Mit ihrer gleichnamigen Firma von Albertini Compliance Services berät sie ihre Kundinnen und Kunden bei Regulierungsthemen, insbesondere bei Lizenzfragen.


Bisherige Texte von: Rudi BogniRolf BanzWerner VogtWalter WittmannAlfred Mettler, Robert HolzachCraig MurrayDavid ZollingerArthur BolligerBeat KappelerChris RoweStefan GerlachMarc Lussy, Nuno FernandesRichard EggerDieter RuloffMarco BargelSteve HankeUrs Schoettli, Maurice PedergnanaStefan Kreuzkamp, Oliver BussmannMichael BenzAlbert Steck, Martin DahindenThomas FedierAlfred MettlerBrigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Kim IskyanStephen DoverDenise Kenyon-RouvinezChristian DreyerKinan Khadam-Al-JameRobert HemmiAnton AffentrangerYves Mirabaud, Hans-Martin KrausGérard Guerdat, Mario BassiStephen ThariyanDan SteinbockRino BoriniBert FlossbachMichael HasenstabGuido SchillingWerner E. RutschDorte Bech VizardAdriano B. Lucatelli, Maya BhandariJean TiroleHans Jakob RothMarco Martinelli, Thomas Sutter, Tom King, Werner PeyerThomas KupferPeter Kurer, Arturo Bris, Frédéric Papp, James Syme, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Marionna Wegenstein, Armin JansNicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio QuirighettiClaire Shaw, Peter FanconiAlex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Sandro Occhilupo, Will Ballard, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel, Jens Pongratz, Samuel Gerber, Philipp Weckherlin, Anne Richards, Antoni Trenchev, Benoit Barbereau, Pascal R. Bersier, Shaul Lifshitz, Ana Botín, Martin Gilbert, Jesper Koll, Ingo Rauser, Carlo Capaul, Markus Winkler, Konrad Hummler, Thomas Steinemann, Christina Böck, Guillaume Compeyron, Miro Zivkovic, Alexander F. Wagner, Eric Heymann, Christoph Sax, Felix Brem, Jochen Möbert, Jacques-Aurélien Marcireau, Ursula Finsterwald, Claudia Kraaz, Michel Longhini, Stefan Blum, Nicolas Ramelet, Søren Bjønness, Lamara von Albertini, Andreas Britt, Gilles Prince, Darren Williams, Shanu Hinduja, Salman Ahmed, Stéphane Monier, Peter van der Welle, Ken Orchard, Christian Gast, Jürgen Braunstein, Jeffrey Vögeli, Fiona Frick, Stefan Schneider, Matthias Hunn, Andreas Vetsch, Mark Hawtin, Fabiana Fedeli, Marionna Wegenstein, Kim Fournais, Carole Millet, Swetha Ramachandran, Brigitte Kaps, Thomas Stucki, Neil Shearing, Claude Baumann, Tom Naratil, Oliver Berger, Robert Sharps, Tobias Müller, Florian Wicki, Jean Keller, Niels Lan Doky, Karin M. Klossek, Ralph Ebert, Johnny El Hachem, Judith Basad, Katharina Bart, Thorsten Polleit, Bernardo Brunschwiler, Peter Schmid, Karam Hinduja, Zsolt Kohalmi, Raphaël Surber, Santosh Brivio, Gérard Piasko, Mark Urquhart, Olivier Kessler, Bruno Capone, Peter Hody, Andrew Isbester, Florin Baeriswyl, Agniszka Walorska, Thomas Müller, Ebrahim Attarzadeh, Marcel Hostettler, Hui Zhang, Michael Bornhäusser, Reto Jauch, Angela Agostini, Guy de Blonay, Tatjana Greil Castro, Jean-Baptiste Berthon, Dietrich Grönemeyer, Mobeen Tahir, Didier Saint-Georges, Serge Tabachnik, Rolando Grandi, Vega Ibanez, Beat Wittmann, David Folkerts-Landau, Andreas Ita, Teodoro Cocca, Michael Welti, Mihkel Vitsur, Fabrizio Pagani, Roman Balzan, Todd Saligman, Christian Kälin, Stuart Dunbar, Fernando Fernández, Lars Jaeger, Carina Schaurte, Birte Orth-Freese. und Gun Woo.

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