Das verwaltete Vermögen der ETF-Branche wächst immer weiter. Damit stehen Anbieter passiver Fonds zunehmend in der Pflicht, Einfluss im Sinne der Aktionäre auf die Unternehmen in ihrem Portfolio zu nehmen, schreibt Ramon Vogt in seinem Beitrag für finews.first.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen


Exchange Traded Funds (ETFs) erfreuen sich einer anhaltend grossen Beliebtheit: Ende 2020 verwaltete die globale ETF-Branche mehr als 7,3 Billionen Dollar – so viel wie nie zuvor. Allein seit 2016 hat sich das globale, in passive Finanzprodukte angelegte Kapital damit abermals mehr als verdoppelt. Doch geht damit auch eine steigende Verantwortung der Branche einher.

Denn die Governance von Unternehmen gewinnt für Investoren zunehmend an Bedeutung. Eigene Abstimmungsanträge oder der laufende Dialog mit den Firmen sind dabei Wege, um sich beim Management Gehör zu verschaffen.

«Langfristig ausgerichtete Investoren sollten von Unternehmen erwarten, dass sie ESG-Risiken erkennen»

Dabei geht es etwa darum, inwieweit sich eine Firma ökologisch, sozial oder ethisch korrekt verhält, also welche Bedeutung sie den ESG-Kriterien beimisst. Gerade langfristig ausgerichtete Investoren sollten von Unternehmen erwarten, dass sie ESG-Risiken erkennen, offenlegen und effektiv überwachen. Denn Firmen, die mit diesen Risiken dank robuster Governance-Strukturen, -Richtlinien, -Verfahren und -Praktiken angemessen umgehen, schaffen die Basis für einen langfristig nachhaltigen Mehrwert ihrer Aktionäre. Ein Umstand, der auch in der Forschung immer häufiger nachgewiesen wird.

Anders gesagt: Unternehmen, die das Thema der Corporate Governance nicht ernst nehmen oder sich umweltschädlich oder unsozial verhalten, gehen Risiken ein – und zwar sowohl mit Blick auf ihre Reputation als auch in finanzieller Hinsicht. Investoren gehen daher zunehmend dazu über, gezielt auf Unternehmen und deren Vorstände einzuwirken, damit sie sich im ökologischen, sozialen und ethischen Sinn nachhaltig verhalten.

«Selbst in stark regulierten und entwickelten Märkten kommen schlechte Praktiken vor»

Zwar ist festzustellen, dass die Mehrheit der Unternehmen das Thema Corporate Governance ernst nimmt. Die Umsetzung variiert jedoch von Region zu Region und von Land zu Land. Selbst in stark regulierten und entwickelten Märkten kommen schlechte Praktiken vor.

Anleger können deshalb auch von ihrem Fonds- oder ETF-Anbieter erwarten, dass er Einfluss auf Unternehmen mit schlechten Praktiken nimmt. Schliesslich sind sie auch dafür verantwortlich, dass die Unternehmen, in die sie investiert haben, im Interesse der Aktionäre handeln. Wie aber können das gerade ETF-Anbieter umsetzen, da sie doch rein passiv investieren? Etwa dadurch, dass sie systematisch auf Geschäftsleitungen zugehen: So können sie deren Corporate-Governance-Ansätze verstehen, Best Practices mit ihnen austauschen und direkt für Verbesserungen eintreten, wo Defizite erkennbar sind.

Anbieter wie Vanguard können zum Beispiel ein eigens dafür geschaffenes Stewardship-Team einsetzen, das für das Abstimmungsverhalten sowie das Engagement in allen intern verwalteten passiven Portfolios verantwortlich ist.

«Auch für das Abstimmungsverhalten von ETF-Anbietern gibt es in der Regel Richtlinien»

Das Team analysiert Aktionärsanträge und entscheidet im Einzelfall, ob ein Antrag unterstützt oder abgelehnt wird. Damit vertritt es die Stimmrechte der Anleger (Proxy Voting). Bei Vanguard stimmt das Stewardship-Team jedes Jahr über rund 170‘000 Vorstandsbeschlüsse ab und setzt sich mit Hunderten von Unternehmen zu einer Vielzahl von Themen auseinander. Diese Themen identifiziert das Team mit Hilfe von Datenmanagement und Research.

Auch für das Abstimmungsverhalten von ETF-Anbietern gibt es in der Regel Richtlinien. So hat Vanguard vier Schlüsselfaktoren festgelegt, die nach Ansicht des Experten-Teams für gute Unternehmensführung entscheidend sind: Der erste betrifft die Zusammensetzung und Kompetenz der Geschäftsleitung, wobei insbesondere Unabhängigkeit und Diversität massgebliche Faktoren sind. Der zweite Faktor ist die Überwachung und Offenlegung von Strategie und Risiken, die den Mehrwert für die Aktionäre negativ beeinträchtigen könnten.

Drittens untersucht das Stewardship-Team, ob die Vergütung der Führungskräfte an den Interessen der Aktionäre ausgerichtet ist. Der vierte Faktor betrifft schliesslich die Governance-Strukturen im Unternehmen, welche die Rechte der Aktionäre sowie die Rechenschaftspflicht des Managements sicherstellen sollen. Anhand solcher Prinzipien lässt sich analysieren, ob Unternehmen tatsächlich so aufgestellt sind, dass sie die Geschäftsstrategie überwachen, wesentliche Risiken steuern und letztlich nachhaltige, langfristige Renditen für ihre Aktionäre erzielen können.

«Ein Dialog ist gerade dann notwendig, wenn bei Firmen Lücken, Versäumnisse oder Schwächen auffallen»

Ein weiterer Aspekt derartiger Stewardship-Programme ist in der Regel der Austausch des ETF-Anbieters mit dem Unternehmen über die Grundprinzipien der Corporate Governance, sowie die Förderung guter Governance-Praktiken. Ein solcher Dialog ist gerade dann notwendig, wenn bei Firmen Lücken, Versäumnisse oder Schwächen auffallen. Unternehmen, die bereit sind, sich aktiv mit den Anlegern auszutauschen - Feedback einholen, strategische Pläne mitteilen und in Fragen der Risikoüberwachung transparent sind – sind besser informiert und reagieren effektiver auf Marktentwicklungen und Anlegerbedürfnisse. Sie schaffen so eine weitere Voraussetzung für den langfristigen Unternehmenserfolg.

Stellt das Stewardship-Team eine Abweichung von diesen Grundsätzen fest – oder Ausnahmesituationen respektive Risikoprobleme – muss es einzelne Themen vor einer Abstimmungsentscheidung womöglich genauer untersuchen und die Aktionärsanträge von Fall zu Fall prüfen.

«Es geht darum, den Anlegern aussagekräftige Einblicke in die Arbeit zu geben»

Darüber hinaus ist hohe Transparenz ein entscheidender Faktor erfolgreicher Investment Stewardship-Programme. Die Vermögensverwalter können beispielsweise über die Veröffentlichung ihrer Richtlinien für die Abstimmungen auf der Website hinausgehen und zusätzlich auch die Abstimmungsprotokolle offenlegen sowie Anlegern bei bestimmten Abstimmungen weiterführende Zusatzinformationen zur Verfügung stellen. Dafür eignen sich unter anderem der Jahresbericht oder der halbjährliche Bericht. Es geht also darum, den Anlegern aussagekräftige Einblicke in die Arbeit zu geben, die in ihrem Namen geleistet wird.

Die Rolle als aktiver Eigentümer durch ein robustes Stewardship-Programm zu übernehmen, wird für ETF-Anbieter immer wichtiger. Dabei ist die zentrale Herausforderung, dieses Programm auf den eigenen Investmentansatz und das kostengünstige Produktangebot abzustimmen. Mit Blick auf die Zukunft wird das entscheidend sein, um die Ziele der Anleger zu unterstützen und ihnen einen langfristigen Mehrwert zu bieten.


Ramon Vogt ist Senior Sales Executive bei Vanguard Investments Switzerland.


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