Die Zentralbanken sind gefordert in ihrer Aufgabe, die Konjunktur nicht abzuwürgen und trotzdem die Inflation zu bekämpfen. In der Schweiz ist das Szenario noch weitgehend positiv, aber die Unwägbarkeiten wachsen, wie Andreas Britt in seinem Beitrag für finews.first schreibt.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen


Die Schweizerische Nationalbank pflegt nur sehr spärlich inhaltliche Akzente zu setzen, die über den inneren Zirkel hinaus bemerkt werden. Die Anbindung an den Eurokurs und die spätere Aufhebung mit gleichzeitiger Einführung des Negativzinses waren solche Ausrufezeichen.

Diskretion ist ganz im Sinne unserer Währungshüter, denn schliesslich sind keine News immer auch Good News. «Non Event» ist darum auch eine gelungene Umschreibung für die vierteljährlichen geldpolitischen Erläuterungen von Thomas Jordan und seinen zwei Direktoriumskollegen Fritz Zurbrügg und Andréa Maechler.

«Non Event» weil man auf den ersten Blick sehr häufig den Eindruck gewinnt, dass sich das Trio einen Spass daraus macht, den geneigten Medienvertreterinnen und -vertretern einen identischen Text wie beim vorherigen Mal vorzulegen. Erst auf den zweiten Blick erblickt der geneigte Leser oder die geneigte Leserin jeweils eine leicht angepasste Formulierung.

Die am (gestrigen) Donnerstag veröffentlich Mitteilung stand für einmal unter ganz anderen Vorzeichen: Die Parameter haben sich gleich mehrfach veerändert, teilweise schon vor, aber hauptsächlich gerade wegen dem ungeheuerlichen Überfall der Russen auf die Ukraine.

«Es ist reines Wunschdenken, dass die Arbeitnehmenden freiwillig auf den Inflationsausgleich verzichten»

Die Inflationszahlen sind weltweit am überschiessen, zu einem guten Teil aus Gründen, die schon vor dem Krieg existent waren, aber nun durch die rasant steigenden Energiepreise befeuert wurden – als direkte Folge des Putin-Feldzugs. Die USA stehen mittlerweile bei knapp 8 Prozent Jahresinflation, die Europäer bei 6 Prozent, beide also weit entfernt von der als Hauptziel der Geldpolitik definierten Preisstabilität.

Dazu kommen die gestörten Lieferketten, ursprünglich eine Folge der Pandemie, die bekanntlich nicht ausgestanden ist und in China beispielsweise nach wie vor für teils massive Einschnitte sorgt. Je nach Verlauf der von Moskau losgetretenen Krise dürften die Energiepreise noch weiter in die Höhe schiessen, und wohl auch weitere Zweitrundeneffekte hervorrufen. Es erscheint als reines Wunschdenken, dass die Arbeitnehmenden in den grossen Wirtschaftsräumen freiwillig auf die Anpassung ihrer Löhne an die Inflation verzichten.

Ebenfalls wegen den Kriegswirren, aber auch wegen den steigenden Preisen droht das globale Wachstum Schaden zu nehmen. Zwar ist die russische Wirtschaft viel kleiner als man vermuten würde, wie der renommierte Ökonom Stefan Gerlach diese Woche gegenüber finews.ch betonte, aber eine weitere Eskalation der Feindseligkeiten – sprich ein Einbezug der Nato – wäre auch für die Weltwirtschaft ein Problem. Ein Risiko, das auch den Zentralbanken bestens bekannt ist.

«Eine allzu grosse Zögerlichkeit ist nicht angezeigt»

Hohe Inflationszahlen und Fragezeichen um das globale Wachstum sind das Spannungsfeld, in dem die Zentralbanker gegenwärtig ihre Zinspolitik formulieren müssen. Ein bisschen zu schnell und zu viel geschraubt, droht das Wachstum zu versiegen; eine allzu grosse Zögerlichkeit scheint aber auch nicht angezeigt, angesichts der massiven Preisspirale.

In der Schweiz gesellt sich zu dieser Gemengelage noch der Franken hinzu, der seinem Ruf als Fluchtwährung wieder einmal alle Ehre macht. Kurz nach Ausbruch des Kriegs erreichte er Parität zum Euro und notiert derzeit rund 10 Prozent höher als Anfang 2022. In den vergangenen Jahren wären die Exporteure deswegen schon lange auf die Barrikaden gestiegen. Jetzt hört man nichts. Da bot es sich für die SNB geradezu an, die Inflationsdifferenz zum Euroraum und den USA als Begründung für eine kontrollierte, moderate Aufwertung heranzuziehen und so Druck aus dem System zu nehmen. Wer im Ausland höhere Preise für seine Produkte erzielen kann, vermag auch einen stärkeren Franken auszuhalten, lautete das Argument Jordans.

Die drei Eckpunkte, welche die SNB-Oberen am Donnerstag präsentierten, lesen sich eigentlich ganz ok: Inflation um 2 Prozent in diesem Jahr und knapp 1 Prozent in den zwei Folgejahren. Das Wachstum kurzzeitig gedämpft auf 2,5 Prozent im laufenden Jahr, um dann wieder anzuziehen, mit all den positiven Folgen für den Arbeitsmarkt und die Unternehmen. Und dazu eine von der SNB geduldete, leichte Aufwertung des Franken.

«Es spricht eine gewisse Hilflosigkeit aus den neusten Zeilen der Währungshüter»

Wenn da nur nicht die vielen Fragezeichen wären, die Risiken und wunden Punkte. Was, wenn der Krieg eskaliert, was, wenn die Krise in den grossen Wirtschaftszonen für gröbere Verwerfungen sorgt, was, wenn der Franken wieder in die Höhe schiesst, was, wenn der Aktienmarkt in die Tiefe saust und zwar drastischer als es vor einem Monat der Fall war?

Die Währungshüter versuchen, der Schweizer Wirtschaft und auch der Bevölkerung die optimalen Bedingungen für Wachstum und Wohlstand bereitzustellen. In einer kleinen und offenen Volkswirtschaft ist die Zentralbank allerdings sehr stark vom Geschehen im Ausland abhängig, und genau dies zeigt sich heute einmal mehr. Es spricht eine gewisse Hilflosigkeit aus den Zeilen der Währungshüter, wenn sie sagen, dass grosse Unsicherheit herrscht, der Kriegsverlauf schwierig abzuschätzen sei und bedeutende Wachstumsrisiken bestünden. Ob es wirklich schon Anfang nächsten Jahres zu einer Zinserhöhung kommt, wie viele Ökonomen voraussagen? Das scheint nicht wirklich in unseren Händen zu liegen.

«Wie würde denn die SNB einen Megaverlust erklären?»

Was wir als Schweiz aber machen könnten, wäre beim Thema Bilanz einen Schritt zu wagen. Die SNB verwaltet bekanntlich eine Billion an Vermögenswerten in Fremdwährungen, die sie in ihrem Kampf gegen einen stärkeren Franken angehäuft hat. Irgendwie glaubt ja niemand ernsthaft daran, dass es da bald zu einer Trendwende kommt. SNB-Präsident Jordan wird nicht müde zu betonen, dass die Bank die Billion braucht, um in der Geldpolitik freie Hand zu behalten und wehrt sich gegen jegliche Einflussnahme. Das ist sein gutes Recht. Das Argument, dass die Politik nicht grundlos in die Unabhängigkeit der Zentralbank eingreifen soll, ist selbstverständlich legitim und absolut zentral für die Glaubwürdigkeit der Bank.

Gleichwohl stellt sich die Frage, wie die Bank der interessierten Öffentlichkeit einen Megaverlust erklären würde, sollte es zu einem grossen Crash an den Märkten kommen. Würde dies nicht viel stärker die Glaubwürdigkeit beschädigen?

Man muss nicht das Schwarze an die Wand malen – die Realität tut das im Moment gerade ohne unser Zutun. Vielleicht wäre der Zeitpunkt gekommen, da die Politik sich des Themas SNB-Bilanz einmal vornehmen könnte, ganz im Sinne einer SNB, die vielleicht etwas Verantwortung abgeben sollte?


Andreas Britt ist Publizist und freier Mitarbeiter für finews.ch. Er studierte politische Wissenschaften an der London School of Economics und arbeitete danach als Redaktor bei der internationalen Nachrichtenagentur «Bloomberg News» in Zürich und Stockholm, wo er sich vor allem mit politischen und makroökonomischen Themen befasste. Danach arbeitete er während acht Jahren als Politologe und Führungskraft in der Bundesverwaltung in Bern. Von 2015 bis 2021 war er Redaktor für finews.ch und finews.com. Seither ist er selbständig tätig.


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