Nach den starken Wertverlusten in den vergangenen Monaten quälen sich die Verfechter digitaler Währungen durch den «Krypto-Winter». Wie geht es nun weiter?, fragt sich Manuel Romera Robles in seinem Beitrag auf finews.first.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Die bekannteste und vom Handelsvolumen her grösste Währung, der Bitcoin, wurde 2008 in den Handel gebracht und ihr Wert ist ab November 2021 um mehr als 70 Prozent gesunken. Nach November 2018 und März 2020 ist diese die dritte grössere Korrektur in der Geschichte.

Bei einem der für diese Korrektur verantwortlichen Faktoren könnte es sich um die höheren Kosten für das Mining von Bitcoins mit der Blockchain-Technologie handeln. Sie sind mit einem enormen Energieverbrauch behaftet und das könnte die «Big Whales», also die grossen Bitcoin-Inhaber, zum Verkauf ihrer digitalen Vermögenswerte veranlasst haben, da sich die Herstellung nun als nicht mehr so rentabel erweist.

«Es besitzen 27 Prozent der Brasilianer, 20 Prozent der Argentinier und 18 Prozent der Mexikaner Krypto-Aktiva»

Experten verweisen auch darauf, dass bei einem Bitcoin-Kurs von rund 20'000 Dollar die Gewinne aus der Bitcoin-Produktion deutlich sinken, da diese Summe den durchschnittlichen Produktionspreis für Bitcoins ausmacht. Hinzu kommt, dass einige dieser «Wale» zur Erfüllung von Gewährleistungen respektive zur Rückzahlung der dafür erforderlichen Schulden Liquidität aufbringen mussten. Aufgrund steigender Zinssätze auf den Finanzmärkten ist das mit zusätzlichen Kosten verbunden.

Das vielleicht Wichtigste bei dieser Korrektur besteht jedoch darin, dass einige Akteure im Ökosystem zu prüfen beginnen, ob es sich bei Bitcoin und anderen Währungen wirklich um Krypto-Assets oder Kryptowährungen handelt. Es geht also darum, ob sie aufgrund der ihnen zugrunde liegenden Technologie eine Wertanlage besitzen, und ob sie auch die Aufgabe einer Währung erfüllen können, die irgendwann einmal als gesetzliches Zahlungsmittel eingesetzt werden könnte.

Dieser Aspekt ist einer der wichtigsten, den es zu berücksichtigen gilt. Gemäss dem vom Center for the Governance of Change (CGC) der IE University veröffentlichten Bericht «Cryptocurrencies and the Future of Money», werden die meisten Kryptowährungen von ihren Begründern nicht als brauchbares Geld erachtet, sondern vielmehr als Wertanlage, die in Ländern mit Zentralbanken, deren gesellschaftliches Vertrauen geringer ist, wie in lateinamerikanischen Staaten, erfolgreicher ist. Tatsächlich besitzen bereits 27 Prozent der Brasilianer, 20 Prozent der Argentinier und 18 Prozent der Mexikaner Krypto-Aktiva.

«Meiner Meinung nach reicht das nicht aus»

Fest steht jedenfalls, dass diejenigen, die davon ausgingen, dezentrale, durch Vermögenswerte wie Bitcoin vertretene Finanzen wären angesichts der Inflation der von den Zentralbanken ausgegebenen Währungen widerstandsfähig, sich bislang geirrt haben. Sie sind nicht nur im Alltag schwer zu handhaben, sondern wurden in letzter Zeit auch gegenüber den weltweit gängigsten Währungen, wie dem Euro und dem Dollar, abgewertet.

Die Geldpolitik und die Währungen der führenden Volkswirtschaften der Erde – China, die USA und Europa – sind weitaus wichtiger als der Umstand, dass eine virtuelle Währung begrenzt ist.

Die Fiat-Währungen der grossen Volkswirtschaften bilden die Grundlage für unsere Staatsverschuldung, die, wenn auch sehr hoch, so doch durch das Bruttoinlandsprodukt gedeckt ist. Der Bitcoin dagegen wird nur durch einige Stunden Computer-Mining und eine Obergrenze für die Anzahl der existierenden Bitcoins unterstützt. Meiner Meinung nach reicht das nicht aus.

Der Bankensektor befindet sich derzeit nicht gerade in Bestform, wenn es darum geht, den Einlegern Wert und Bilanzen zu gewährleisten. Aber es ist ebenso gewiss, dass er die Grundlage unserer Markt- und Börsenwirtschaft bildet. Ich würde so weit gehen zu betonen, dass er sogar die Geschäftsgrundlage für gut funktionierende Kapitalmärkte bietet. Die Tatsache, dass Sorge um die Solvenz und Liquidität der Banken besteht, rechtfertigt nicht, dass der Bitcoin-Knappheit ein Gewicht beigemessen wird, als ob er an sich wertvoll wäre, nur weil er ebenfalls dezentral verwaltet wird.

«Meine Antwort darauf lautet immer, ich kann sie nicht bewerten, da sie nichts hervorbringen»

Zu allem Überfluss beginnen die Zentralbanken im Problemszenarium der Anlagen noch ihre Stellung durch die Herausgabe eigener digitaler Währungen, der so genannten «CBDCs», zurückzufordern. Die chinesische Zentralbank bietet mit dem «digitalen Yuan» bereits eine digitale Währung, und die EZB und die US-Notenbank werden wahrscheinlich im nächsten Jahr mit dem «digitalen Euro» und dem «digitalen Dollar» folgen.

Oft werde ich gefragt, wann der richtige oder falsche Zeitpunkt für Investitionen oder Veräusserungen bei diesen Anlageformen ist. Meine Antwort darauf lautet immer, ich kann sie nicht bewerten, da sie nichts hervorbringen, ausser dem Vertrauen derjenigen, die an sie glauben. Betrachtet man hingegen Aktien oder Anleihen, so hängt ihr Wert von den mit einem Risikosatz verzinsten Zahlungsströmen ab, das heisst, sie sind von dem vom Vermögenswert in Geld erzeugten Wert abhängig und werden mit dem Risiko bewertet, dieses Vermögen zu erhalten.

Vielleicht stellt sich deshalb erneut die Frage, ob es sich bei Kryptoanlagen um Vermögenswerte oder um Währungen handelt. Falls es Vermögenswerte sind, sollten sie in der diskontierten Zukunft Geld generieren, um sie zu bewerten und falls sie eine Währung sind, sollten sie als Zahlungsmittel eingesetzt werden können. Beides ist wohl schwer zu erklären.

Ein weiteres brisantes Thema ist die Regulierung von Kryptoanlagen. Die Börsenaufsichtsbehörde der USA selbst versucht, Vereinbarungen mit anderen internationalen Behörden zu erwirken, um ein Ausnutzen durch ihre Betreiber aufgrund fehlender behördlicher Regulierung zu verhindern. Kürzlich erklärte ihr Vorsitzender, Gary Gensler, seine Absicht, Vereinbarungen mit der Kommission für Warenterminbörsen zu erarbeiten, um einen hinreichend legalen und transparenten Handel mit digitalen Token zu gewährleisten. In der Kommission selbst gibt es ernstzunehmende Vertreter der Ansicht, bei den meisten digitalen Vermögenswerten oder Token handele es sich eher um Waren als um Wertpapiere. Gensler forderte ferner einen Dialog darüber, ob Plattformen als Agenturen eingetragen werden sollten.

«Viele Anleger träumen davon, bei diesem Russischen Roulette reich zu werden»

Tatsächlich erregen die digitalen Vermögenswerte und ihre extreme Volatilität grosse Aufmerksamkeit in den Medien, und viele Anleger träumen davon, bei diesem Russischen Roulette reich zu werden. Ferner üben sie eine grosse Anziehungskraft auf bekannte Persönlichkeiten aus, unter anderem auf den Fussballspieler Cristiano Ronaldo, der eine Sponsoring-Vereinbarung mit der Plattform für Kryptowährung Binance abgeschlossen hat.

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass grosse Plattformen wie Ccoinbase, Gemini und Crypto.com in jüngster Zeit aufgrund von Geschäftsrückgängen bereits Entlassungen angekündigt haben. Persönlich schliesse ich mich der Aussage des legendären Investors Warren Buffett an, der kürzlich sagte, er würde auch dann keine Bitcoins kaufen, wenn man ihm alle Bitcoins der Welt für 25 Dollar anbieten würde.

Der Zusammenbruch der Token Luna und Terra gibt Buffett meiner Meinung nach Recht, ebenso wie der Rückgang des Gesamtvolumens des Kryptomarktes von 3,2 Billionen Dollar auf weniger als 1 Billion Dollar in nur wenigen Monaten. Das Grösste, was die Märkte ausmacht, ist zweifellos die Freiheit. Es steht jedem frei, in das zu investieren, was ihn interessiert; jedem Handeln sollte jedoch unbedingt eine Analyse zugrunde gelegt werden.


Manuel Romera Robles ist Finanzprofessor an der IE Business School – IE University in Madrid, Spanien.


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