Überall scheint Krise zu sein, nur in der altmodischen Schweiz scheint die Sonne. Vieles deute darauf hin, dass sich die stoische Gelassenheit der Schweizerinnen und Schweizer einmal mehr bewährt, findet Fabian Käslin in seinem Beitrag für finews.first.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Wer diese Tage durch die Schweiz wandert, zum Beispiel in meiner Heimat am Etzel, erlebt saftige Wiesen, farbenfrohe Blumentracht, glitzernde Gewässer und sieht – vermutlich auch dank prachtvollem Wetter und Ferien – strahlende Gesichter: Unterwegs wird freundlich gegrüsst, im Landgasthof heiter angestossen und hie und da zischt ein surrendes eBike vorbei.

Die Welt scheint hier in Ordnung. Weit weg dünken Inflation, Stagflation, Rezession, Euro-Krise, Ukraine-Krise, Energie-Krise, und, und, und. Vieles deutet darauf hin, dass sich die stoische Gelassenheit der Schweizerinnen und Schweizer einmal mehr bewährt. Überall scheint Krise zu sein, nur in der altmodischen Schweiz scheint die Sonne.

«Diesem Erbe von Werten ist Sorge zu tragen – unabhängig von temporären gesellschaftlichen Trends»

Am Zürcher Paradeplatz zeigt sich ein ähnliches Bild: Während man dem Schweizer Bankenplatz seit Jahren den nahenden Tod voraussagt – momentan der Gilde der unabhängigen Vermögensverwalter sogar einen Massensuizid – ist die Schweiz noch immer die Nummer eins in der grenzüberschreitenden Vermögensverwaltung.

Schlingendere Grossbanken bleiben aller Voraussicht nach Einzelfälle, und ihr Taumeln ist nicht Ausdruck eines scheiternden Finanzplatzes oder einer, auf Neu-Deutsch, fehlenden Value-Proposition, sondern eher Ausdruck einer visionslosen, im besten Fall inexistenten oder schlimmer noch toxischen Firmenkultur.

Der Bankenplatz, wie auch die Schweiz, befinden sich im steten Wandel und Umbruch. Beide orientieren sich jedoch an einem stabilen Grundgerüst, denn der Eidgenossenschaft wie auch der Vermögensverwaltung liegen starke Traditionen und klare Werte zugrunde – auf dem Rütli genauso wie am Paradeplatz. Diesem Erbe von Werten ist Sorge zu tragen – unabhängig von temporären gesellschaftlichen Trends.

«Kein afrikanischer Despot und kein Steuerbetrüger aus Lateinamerika bringt sein Geld mehr in die Schweiz»

Dass Zuverlässigkeit, Stabilität, Qualität, Pünktlichkeit, Bescheidenheit, Unabhängigkeit, Gemeinschaftssinn, Föderalismus, Neutralität und die direkte Demokratie weiterhin über eine internationale Strahlkraft verfügen, wird zwar von allerlei Eidgenossen immer wieder bestritten. Doch zeigen gerade die positiven Neugelder der starken, fokussierten Privatbanken und Vermögensverwalter selbst in den globalen Krisenjahren 2020, 2021 und 2022, dass unsere Werte und Traditionen noch immer weltweite Wertschätzung geniessen.

Kein afrikanischer Despot und kein Steuerbetrüger aus Lateinamerika bringt sein Geld mehr in die Schweiz. Sondern es sind Unternehmer, vermögende Familien – gerne auch aus Lateinamerika und Afrika –, welche die Stabilität der Schweiz in der globalen Instabilität und die Schweizer Servicequalität in der globalen Servicewüste schätzen. Denn Stabilität, Zuverlässigkeit, Neutralität und Sicherheit gehen Hand in Hand, was ausserhalb der Schweiz zunehmend keine Selbstverständlichkeit mehr ist – oder bei genauerer Betrachtung mancherorts wohl noch nie wirklich war. Das macht die Schweiz nicht zur Profiteurin von Krisen, sondern zur Profiteurin ihrer Traditionen und Werte – ein feiner, aber entscheidender Unterschied.

«Wir sind bescheidene Einflüsterer und Ratgeber – keine lauten Besserwisser»

Erfolgreiche Schweizer Privatbanken und Vermögensverwalter kombinieren Tradition und Werte mit den Bedürfnissen ihrer Kunden ohne anbiedernd und auswechselbar zu sein. Wir nehmen Anliegen, so zum Beispiel ESG, auf und können unserer Kundschaft zur Seite stehen, wenn es darum geht, diese Kriterien der Nachaltigkeit in ihrer Vermögensplanung zu berücksichtigen – wir sollten aber nicht dem Zeitgeist verfallen und glauben, dass wir unsere Kunden belehren oder als Finanzplatz den Planeten retten können. Wir sind bescheidene Einflüsterer und Ratgeber – keine lauten Besserwisser. Wir rennen nicht kurzfristigen Trends nach, sondern bewahren einen Blick für Langfristigkeit und Sicherheit.

Gerade in Zeiten, in denen Politiker mehr darauf aus sind, was gut auf Instagram aussieht oder sich süffig auf Twitter liest, mag die Tendenz steigen, dass man auch als Gesellschaft scheinbar in steingemeisselte Prinzipien plötzlich über Bord wirft – ohne sich bewusst zu sein, was dies langfristig für Folgen haben könnte.

«Es verwundert kaum, dass umsichtige Unternehmer Sicherheit für ihr Vermögen suchen»

Gerade in Zeiten, in denen eine öffentliche Hinrichtung via Shitstorm erledigt wird, und das Prinzip der Unschuldsvermutung sowie dem Gesetz verpflichtete Richter als altbacken und träge daherkommen, mag die Tendenz gesellschaftlicher Konflikte zunehmen.

Gerade in Zeiten, in denen die Moral scheinbar die Gesetze der Physik aushebelt, steigt auch die Tendenz zu globalen Krisen: im besten Falle ökonomisch, im schlimmsten militärisch.

In solchen Zeiten verwundert es kaum, dass umsichtige Unternehmer Sicherheit für ihr Vermögen und Rat für ihre Zukunftspläne suchen. Die Schweiz, und unser Finanzplatz, stehen auch hier noch immer als verlässlicher Fels in der globalen Brandung. Unsere geografische Kleinräumigkeit, die Mehrsprachigkeit und das Fehlen von einfachem Reichtum in Form von Bodenschätzen, haben uns schon immer dazu gezwungen, Weltoffenheit, Skepsis gegenüber Grössenwahn, gesunden Menschenverstand und Arbeitseifer miteinander zu verbinden.

«Es macht keinen Sinn, unsere Werte und Traditionen durch kurzfristige, gesellschaftliche Trends zu ersetzen»

Dies wird auch heute noch von der Kundschaft geschätzt und bisweilen sogar bewundert. Die umfassende Vermögensberatung ist auch heute noch urschweizerisch und verlangt Sorgfalt, Disziplin und Empathie, was vielen anderen Bankern abhanden gekommen ist. Es mag der feine Unterschied sein, zwischen dem altmodischen Schweizer Banquier und dem modernen angelsächsischen Banker.

Deshalb macht es keinen Sinn, unsere Werte und Traditionen durch kurzfristige, gesellschaftliche Trends zu ersetzen. Der Schweizer Finanzplatz, wie auch die Eidgenossenschaft, sind die Verkörperung der Langfristigkeit, Bescheidenheit und des gesunden Menschenverstands. Wenn dies als altmodisch und langweilig verstanden wird, dann bin auch ich gerne altmodisch und langweilig – und ganz unbescheiden sogar etwas stolz darauf.

Alles Gute zum Geburtstag, liebe Schweiz!


Fabian Käslin ist CFO und COO der BIL Suisse, der Schweizer Tochtergesellschaft der ältesten Bank des Grossherzogtums Luxemburg, der Banque International à Luxembourg (BIL). Zuvor war er strategischer Berater der chinesischen Investmentgesellschaft Legend Holdings, welche Grossaktionärin der BIL ist. Seine Berufskarriere startete er 2009 bei der UBS Schweiz und von 2012 bis 2019 war er in verschiedenen globalen Positionen für die Bank Julius Bär tätig: zu Beginn in der Kundenberatung und zuletzt als Stellvertretender COO International. Er absolvierte einen MBA an der Edinburgh Business School und ist als Gastreferent an verschiedenen Hochschulen tätig.


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