Technologieaktien haben in der Vergangenheit ein recht verlässliches Wachstum verzeichnet. Doch im schwierigen Aktienjahr 2022 haben sie sogar schlechter abgeschnitten als der rückläufige Gesamtmarkt. Stéphane Monier geht in seinem Beitrag auf finews.first der Frage nach, warum Anlegerinnen und Anleger 2023 eine Trendwende erwarten könnten.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Zwischen 2009 und 2021 war der Nasdaq Composite Index nur in einem Jahr rückläufig: 2018 verzeichnete er ein Minus von 1 Prozent. Das Jahr 2022 war für die meisten Anlageklassen erbarmungslos, vor allem aber für Aktien des Technologiesektors. Seit Jahresbeginn ging der breite Dow Jones Industrial Average Index um 8 Prozent und der S&P 500 Index um 17 Prozent zurück. Im gleichen Zeitraum büsste der Nasdaq 29 Prozent ein, indem er seinen Abwärtstrend nach einem Rekordhoch im November 2021 fortsetzte. Die Diskrepanz in der Entwicklung der Indizes beruht auf mehreren Faktoren.

So entfällt die Hälfte der Marktkapitalisierung des Nasdaq auf Technologieunternehmen, während keine Energietitel und kaum Gesundheitswerte vorhanden sind, welche die Talfahrt des Index hätten abschwächen können. Des Weiteren sind im Nasdaq Wachstumsaktien, denen die steigenden Kapitalkosten mehr zu schaffen machen, stärker vertreten. Auf Titelebene legten zudem viele grosse Technologiewerte wie Meta, Amazon.com, Netflix und die Google-Muttergesellschaft Alphabet enttäuschende Ergebnisse vor und senkten die Gewinnerwartungen. Auch die Dollarstärke belastete die grossen Technologieunternehmen – dies aufgrund ihrer Abhängigkeit vom Umsatz im Ausland.

Der Boom, der aufgrund der Pandemie eingesetzt hatte, ist abgeflaut. Der Aufschwung hatte Sektoren erfasst, die in den Bereichen Homeoffice und Unterhaltung für zu Hause tätig sind. Er hatte Aktien von Alphabet bis Amazon Auftrieb verliehen und Zoom weitherum bekannt gemacht. Die Aussichten für die Gewinne der Branche haben sich eingetrübt. Als Reaktion darauf passen die Unternehmen ihre Geschäftsmodelle an.

«Mitte Oktober hat im Technologiesektor eine Erholung eingesetzt»

Meta versucht, sich über soziale Medien hinaus zu diversifizieren, und Netflix bietet ein günstigeres, werbefinanziertes Abo an. Amazon wiederum hat seine Umsatzprognose für das dritte Quartal und die Zahl der Mitarbeitenden reduziert. Das dominierende Techthema der letzten Wochen war die Übernahme von Twitter durch Elon Musk. Die Ungewissheit über die Zukunft von Twitter zieht viel Aufmerksamkeit auf sich. Doch gibt es wahrscheinlich nur wenige Lehren aus der erzwungenen Übernahme zu ziehen, und sie sollte nicht von den Fundamentaldaten der Technologiebranche im Allgemeinen ablenken.

Nach hohen Niveaus Anfang 2022 sind die Bewertungen innerhalb des Sektors wegen steigender Kreditkosten und der Bevorzugung von Substanzaktien durch die Anleger zurückgekommen. Die Technologieunternehmen stellen sich auf schwächere Umsätze ein, insbesondere in den Segmenten, die am stärksten von den Verbrauchern abhängig sind. Entsprechend korrigieren die Anleger ihre Wachstumserwartungen für 2023. Viele Aktien werden jetzt zu Kursen gehandelt, die unter dem Vor-Covid-Niveau und unter ihrem längerfristigen Durchschnitt liegen. Mitte Oktober hat im Technologiesektor jedoch eine Erholung eingesetzt. Sobald sich das Vertrauen in die Gewinnaussichten verbessert, dürften die Bewertungen allmählich wieder steigen.

Eine Möglichkeit, diese Entwicklung zu antizipieren, ist ein Blick auf die Halbleiterindustrie. Computerchips werden in allen möglichen Geräten eingesetzt, vom Toaster in der Küche bis zum Navigationssystem im Auto. Sie sind ein wichtiger Indikator für den Sektor. Entsprechend spiegelt der Sektor die allgemeine wirtschaftliche Nachfrage wider und kann Wendepunkte auf dem Markt bis zu neun Monate im Voraus signalisieren. Die Engpässe und Lieferkettenunterbrüche der letzten zwei Jahre schwinden, und die Lagerbestände steigen, da sich die Nachfrage nach PCs, Spielen und Mobiltelefonen verlangsamt. Die Nachfrage von Datenzentren und Automobilherstellern bleibt dank vermehrt verlangter cloudbasierter Datenspeicherung und -analyse sowie des Interesses der Verbraucher an Elektroautos relativ widerstandsfähig.

«Nicht jede Anlageklasse mit Bezug zur Technologie scheint solide»

Im früheren Monatsverlauf beteiligte sich Berkshire Hathaway von Warren Buffett im Rahmen ihres 350 Milliarden Dollar grossen Aktienportfolios mit 4,1 Millirden Dollar an TSMC (Taiwan Semiconductor Manufacturing). Buffetts Investition wird als Vertrauen in eine stabilere Beziehung zwischen den USA und China gewertet. Sie gilt auch als Anerkennung der Tatsache, dass die Weltwirtschaft von Taiwans Halbleiterlieferungen abhängig ist. Apple als grösster Kunde von TSMC hat vergangene Woche mitgeteilt, künftig Chips aus einem Werk zu beziehen, das in Arizona gebaut wird und TSMC gehören soll. Derzeit laufen mehrere Projekte zur Verlagerung von Kapazitäten zur Halbleiterproduktion in die USA. Die Projekte werden durch das von der US-Regierung im August genehmigte Infrastrukturpaket in Höhe von 52,7 Milliarden Dollar unterstützt. Die Nutzniesser dieses Pakets müssen sich verpflichten, ihre Kapazitäten in China zehn Jahre lang nicht zu erweitern. Diese Bedingung folgt auf die Beschränkungen des US-Handelsministeriums vom 7. Oktober 2022 für Chipexporte nach China.

Nicht jede Anlageklasse mit Bezug zur Technologie scheint solide. Kryptowährungen haben den Rückgang der Technologieunternehmen 2022 widergespiegelt. Steigende Zinsen haben das Interesse der Anleger an wachstumsorientierten Techfirmen gedämpft, während Kryptowährungen mehr unter der zunehmenden Risikoaversion gelitten haben. Die gesamte Marktkapitalisierung aller Kryptowährungen hat vor einem Jahr über 3 Billionen Dollar erreicht und beträgt jetzt weniger als ein Drittel dieses Betrags. Anstatt eine Diversifizierung zu bieten, haben sich die Kryptovermögenswerte tendenziell im Einklang mit den fallenden Märkten entwickelt und sich als sehr volatil erwiesen.

«Die Geschichte von FTX zeugt von Versäumnissen bei der Corporate Governance und beim Gegenparteirisiko»

Von den Turbulenzen zeugen zwei viel beachtete Fälle: der Kollaps des «Stablecoin» TerraUSD im vergangenen Mai und der Konkurs der Kryptobörse FTX, die vor ihrem Ausfall mit 32 Millirden Dollar bewertet wurde. Diese Fälle haben die Bewertungen sowohl von Kryptocoins als auch von Kryptounternehmen beeinträchtigt und das Interesse traditioneller Finanzunternehmen an der Arbeit mit Krypto untergraben. Dies dürfte weniger Wagniskapitalfinanzierungen für den Sektor und schliesslich eine stärkere Regulierung zur Folge haben.

Allerdings zeugt die Geschichte von FTX von Versäumnissen bei der Corporate Governance und beim Gegenparteirisiko, nicht von Mängeln der zugrunde liegenden Blockchain-Architektur. Kryptowährungen sind nicht die einzige Anwendung dieser dezentralen, zuverlässigen Technologie. Das gemeinsam genutzte, transparente Datenaufzeichnungssystem kann fälschungssichere Beschaffungs- oder Versicherungsverträge, Finanzierungsabgleiche und sogenannte Non-Fungible Token (NFT), die digitales Eigentum garantieren, erstellen. In der Aufregung um FTX sollte das Potenzial solch nützlicher Anwendungen nicht in Vergessenheit geraten.

«Die Entwicklung der Kryptowährungen wird auch künftig mit besonderen Herausforderungen verbunden sein»

Es ist klar, dass die Entwicklung des Universums für Kryptowährungen auch künftig mit besonderen Herausforderungen verbunden sein wird. In dieser Phase des Wirtschaftszyklus bleiben wir gegenüber Aktien insgesamt vorsichtig und bevorzugen weiterhin Qualitäts- und Substanztitel. Wir favorisieren insbesondere die Sektoren Gesundheitswesen und Energie. In der Technologiebranche sehen wir Gelegenheiten bei Ausrüstungslieferanten mit grossen Auftragsbeständen, Halbleiterherstellern und Unternehmen, die an den Trends Elektrifizierung und Konnektivität teilhaben. Auf Segmentebene könnte Software bis 2025 etwa ein Viertel der firmenweiten Technologiebudgets ausmachen, da die Unternehmen die Investitionen in Software erhöhen.

Ein selektiver Ansatz für Technologiewerte, die oft wenig gemeinsam haben, bleibt in diesem Sektor zentral. Da sich die Konjunktur abschwächt, konzentrieren wir uns auf Firmen, die Unternehmen mit Cybersicherheit, Cloud-Daten und Produktivitätstools versorgen. Zugleich achten wir auf Firmen, die von stabileren Einnahmen profitieren und in der Lage sind, höhere Kosten weiterzugeben. Technologie, die von Verbraucher- oder Werbeausgaben abhängt, wird attraktiver werden, sobald sich die Volkswirtschaften im späteren Jahresverlauf 2023 zu erholen beginnen.


Stéphane Monier ist der Chief Investment Officer (CIO) der Lombard Odier Private Bank.


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