Die Ära des Privatkunden, der es sich im getäferten Sitzungszimmer gemütlich macht und unter dem Blick seines Privatbankiers seine Kontoauszüge studiert, scheint endgültig vorbei zu sein, schreibt Charles-Henry Monchau in einem Essay auf finews.first.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Innerhalb von zwei Jahrzehnten haben sich die Bedürfnisse der Bankkunden radikal verändert. Heute geht es darum, rund um die Uhr, in Echtzeit und über eine intuitive digitale Schnittstelle auf sein Konto zugreifen zu können. Und der Inhalt der Informationen und Empfehlungen muss auf die Präferenzen und das Risikoprofil der Klientel abgestimmt sein.

Ohne die diskretionäre Verwaltung völlig aufzugeben, wollen viele Kundinnen und Kunden heute die Kontrolle über ihre Anlageentscheidungen behalten. Sie werden skeptisch, was die Seriosität der Finanzberatung durch ihre Banker angeht. Ikea ebnete den Weg für das «Do-it-yourself», und nun gilt das Gleiche in der Bankbranche, wo der Kunde zum «Konsument» wird und die Dienstleistungen seiner Bank gezielt nutzen möchte.

«Kunden bewerten das Risiko heute anhand der Kurseinbrüche und nicht mehr anhand der Volatilität»

Marktdaten und -kommentare kommen heute nicht nur von der Bank, denn die Menge an Informationen, die in den Sozialen Netzwerken verfügbar ist, ist mittlerweile grenzenlos. Zudem neigen die Kunden mittlerweile dazu, ihr Risiko eher nach der Höhe der Kurseinbrüche als nach der Volatilität zu beurteilen. Es geht ihnen um den Zugang zu den ausgefeiltesten Produkten und Strategien, die bisher institutionellen Kunden vorbehalten waren. Und schliesslich müssen die Verwaltungsleistung und die erhobenen Gebühren völlig transparent sein und mit nicht-traditionellen Anbietern konkurrieren können.

Angesichts dieser Herausforderungen entwickeln die Privatbanken das Kundenerlebnis etappenweise weiter. Die Digitalisierung von Prozessen ist inzwischen selbstverständlich. Die Kundenzufriedenheit erfordert eine digitale Schnittstelle, die so effizient wie möglich und rund um die Uhr verfügbar sein muss. Ziel ist es, ein hybrides Beratermodell zu entwickeln – halb Roboter, halb Mensch. Dabei werden Standarddienstleistungen über eine digitale Schnittstelle erbracht, während «echte» Experten die komplexe Beratung durchführen.

Anlageberatung und -produkte werden immer mehr auf die spezifischen Bedürfnisse der einzelnen Kunden ausgerichtet. Es geht auch darum, den Zugang zu innovativen und institutionellen Qualitätsstrategien zu ermöglichen, die sonst nicht verfügbar wären.

«Fintechs sind jetzt Teil des Banken-Ökosystems und zwar als legitime Wertschöpfer»

Traditionelle Dienstleistungen wie die standardisierte Vermögensverwaltung sowie einfache Empfehlungslisten lassen sich heute zu sehr wettbewerbsfähigen Gebühren anbieten. Andererseits gehören anspruchsvollere Lösungen wie illiquide Strategien, Hedgefonds, differenzierte thematische Angebote, sichere Verwahrung von und Handel mit Kryptowährungen, massgeschneiderte Beratung usw. zu den Angeboten, die einem Bankinstitut helfen können, sich zu differenzieren.

Da eine Bank nicht bei all diesen Dienstleistungen führend sein kann, benötigt sie Partnerschaften für die Beschaffung, Forschung und Verwaltung dieser Produkte und Services. Während Fintechs, Krypto-Spezialisten, Vermögensverwalter und unabhängige Vermögensverwalter früher als Konkurrenten galten, sind sie heute legitime Wertschöpfungspartner und Teil des Banken-Ökosystems.

«Vermögende Bankkunden wenden sich zunehmend an Family Offices»

Die sich ändernden Kundenbedürfnisse sind jedoch nicht die einzige Herausforderung für die Banken. Der regulatorische Druck treibt die Kosten in die Höhe. Disruptive Geschäftsmodelle und neue Marktteilnehmer (Fintech, Robo-Advisors usw.) erhöhen den Wettbewerbsdruck. Der Aufstieg von Künstlicher Intelligenz, Big Data und Blockchain revolutioniert die Finanzbranche und führt zu neuen Ökosystemen. Die nächste Generation von Anlegern denkt anders über Beratung, und die Banken müssen sich darauf einstellen.

Banken müssern sich so positionieren, dass sie einen Teil des Mehrwerts zurückgewinnen, der im Laufe der Jahre an bankfremde Akteure verloren gegangen ist. Tatschlich ist ein beträchtlicher Teil der heutigen Produkte und Dienstleistungen nicht mehr ein Privileg traditioneller Banken. Vermögende Kunden wenden sich zunehmend an Family Offices, um eine strategische Vermögensallokation, Finanzplanung und spezifische Beratung zu erhalten.

«Differenzierung und Tailoring sind die beiden Zauberworte unserer Zeit»

Sie wenden sich an Spezialisten, wenn es um Investitionen in illiquide Strategien wie Risikokapital oder Immobilien geht. Bei der traditionellen diskretionären Verwaltung zögern Privatkunden nicht mehr, die Dienste eines Robo-Advisors in Anspruch zu nehmen, und senken so erst noch ihre Verwaltungsgebühren.

Was «Execution only» anbelangt, so ist das Click-and-Trade-Angebot von Online-Brokern auf dem Vormarsch, ebenso sind es die Plattformen und Wallets, die Kryptoanlagen hosten. Für Zahlungen und Kreditkarten sind Fintechs wie Revolut auch für vermögende Kunden attraktiv. Ebenso sind Crowdfunding-Plattformen bei letzteren mittlerweile beliebt. Währenddessen begnügen sich etablierten Banken damit, traditionelle, margenschwache Dienstleistungen wie Einlagen, Kredite oder diskretionäre Verwaltung anzubieten.

In Bezug auf Research-Inhalte und Anlagethemen sind Differenzierung und «Tailoring» die beiden Zauberworte unserer Zeit. Dabei sind die Quellen für die Beratung vielgestaltig: intern, extern, Experten und Soziale Medien. Der Einsatz digitaler Marketingstrategien (Blog, Newsletter, E-Mails) ermöglicht die Umsetzung eines «Freemium»-Modells. So erfahren viele Interessenten auf der ganzen Welt von einem bestimmten Anbieter und können die Qualität seiner Inhalte und die Benutzerfreundlichkeit unverbindlich beurteilen.

«Gebühren auf der Grundlage des verwalteten Vermögens werden verschwinden»

Wenn diese Interessenten zu Kunden werden wollen, kann der Bankangestellte die Testphase abschliessen und die Beziehung eröffnen. Bei kostenpflichtigen Diensten lässt sich die Abstimmung der Inhalte auf die Kundenpräferenzen durch Big-Data-Analysen und den Einsatz von Software fein abstimmen.

Schliesslich entwickelt sich auch die Preisgestaltung weiter. Gebühren auf der Grundlage des verwalteten Vermögens dürften verschwinden und durch feste Kosten oder abrechenbare Dienstleistungsstunden ersetzt werden – wie bei Rechtsanwälten.

Ich bin überzeugt, dass das Private Banking 2.0 von den Innovationen neuer Marktteilnehmer getragen werden muss. Die Sicherheit, die eine Privatbank bietet, und ein Dienstleistungsangebot, das den Anforderungen der Kunden von morgen gerecht wird, ist meiner Meinung nach die beste Kombination für die kommenden Jahrzehnte.


Charles-Henry Monchau ist der Chief Investment Officer (CIO) der Bank Syz. Er kam Anfang 2021 von der FlowBank, wo er als CIO und Chief Commercial Officer tätig war. Davor war er CIO von Al Mal Capital (Dubai Investments), Leiter des Asset-Allocation-Teams für die EMEA-Region bei der Deutschen Bank und hatte verschiedene C-Level-Positionen in Genf, Zürich, Dubai, Nassau und Paris inne. Er besitzt einen Executive MBA der IE Business School und einen MSc in Finance der HEC Genf. Er ist zudem Inhaber der CFA-, CMT-, CAIA- und CIIA-Charter.


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