Derzeit gebe es gute Gründe für einen Zerfall der europäischen Einheitswährung, behauptet der deutsche Ökonom Martin Hüfner.

Von Martin Hüfner, Chefökonom der Schweizer Aquila-Gruppe, früher Senior Economist bei der HypoVereinsbank und der Deutschen Bank. Er ist überdies Autor des Bestsellers «Achtung: Geld in Gefahr!».

martin hfner aquilaKürzlich sagte mir ein Banker in Italien, er gehe davon aus, dass es den Euro in fünf Jahren nicht mehr gäbe. Solche Meinungen sind in diesen Wochen kein Einzelfall. Als Folge davon hat sich die Gemeinschaftswährung auf den Devisenmärkten abgeschwächt, nicht nur gegenüber dem Dollar, sondern auch gegenüber dem Schweizer Franken und sogar dem britischen Pfund. Müssen wir ein Auseinanderbrechen des Euro befürchten?

Gründe dafür gäbe es genug. Innerhalb der Eurozone haben sich die Ungleichgewichte zwischen den einzelnen Staaten deutlich ausgeweitet. Deutschland hat einen riesigen Leistungsbilanzüberschuss gegenüber Defizitländern wie Spanien, Portugal oder Italien. Die Wettbewerbsfähigkeit der Spanier hat sich in den letzten zehn Jahren gegenüber den Deutschen um 16 Prozent verschlechtert, die der Iren sogar um 26 Prozent. Es ist klar, dass dies auf Dauer so nicht aufrecht zu erhalten ist.

Angst vor Zahlungsproblemen

Entsprechend haben sich die Risikozuschläge ausgeweitet, die einzelne Staaten bei der Kreditaufnahme bezahlen müssen. Griechische Staatsanleihen rentieren heute bei zehn Jahren Laufzeit mit 5,8 Prozent, italienische mit 4,2 Prozent österreichische mit 4,1 Prozent (Deutschland: 2,9 Prozent). Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Zinsen in Österreich noch unter denjenigen in der Bundesrepublik lagen. Natürlich waren damals die Risikozuschläge zu niedrig. Aber heute sind sie zu hoch.

Hinter diesen Aufschlägen steht die Angst, es könne in einzelnen Ländern zu Zahlungsproblemen kommen, am Ende vielleicht zu einem Staatsbankrott. Bei der Gründung der Währungsunion war jedermann klar, dass diese auf Dauer nur funktionieren kann, wenn sie durch eine politische Union abgesichert ist. In der Wirtschaftsgeschichte hat bisher keine grössere Währungsunion gehalten, die nicht in einen politischen Verbund eingebunden war. Die Währungsunionen innerhalb des Deutschen Reiches oder innerhalb der Vereinigten Staaten beispielsweise waren stabil. Die Lateinische Münzunion zwischen Frankreich, Belgien, der Schweiz, Italien und Griechenland hingegen zerbrach nach 60 Jahren, die skandinavische Münzunion (Dänemark, Schweden, Norwegen) nach 40 Jahren.

Deutscher Finanzminister - stark auf Eigeninteressen fixiert

Trotz dieser Probleme bin ich davon überzeugt, dass der Euro nicht zerfallen wird. Der wichtigste Grund: Kein Land hat heute ein Interesse, aus der Währungsunion auszuscheiden. Es würde dabei nur verlieren. Ohne den Euro würden sich die Wechselkurse der schwächeren Länder stark abwerten.

Die Inflation nähme zu. Die Zinsen würden ansteigen. Die Staatsschulden würden sich erhöhen und wären schwieriger zu refinanzieren. Rezession und Arbeitslosigkeit wären noch schlimmer. Auch für relativ starke Länder wie Deutschland wäre das Leben ohne Euro schwerer. Die Wechselkurse würden sich aufwerten. Die protektionistischen Gefahren würden zunehmen. Der Export würde noch mehr leiden mit entsprechenden Konsequenzen für Rezession und Arbeitslosigkeit. Solche Überlegungen sind es, die dazu geführt haben, dass selbst der sehr stark einzig auf die Interessen seines eigenen Landes fixierte deutsche Finanzminister Hilfen für bedrängte Partner in der Eurozone nicht mehr so kategorisch ausschliesst wie bisher.

Es wäre eine Katastrophe...

Derzeit will aber nicht nur niemand den Euro verlassen. Es wollen auch neue Mitglieder in die Gemeinschaft. Der Euro ist so attraktiv wie nie zuvor. Die Slowaken sind heilfroh, dass sie in diesem Jahr beigetreten sind, weil ihnen dadurch die Abwertung der Währung erspart geblieben ist, unter der die anderen zentraleuropäischen Länder leiden. In Polen und der Tschechischen Republik, natürlich auch in Ungarn, den baltischen Staaten, Bulgarien und Rumänien wird überlegt, ob man dem Euro nicht früher beitreten könnte.

Freilich wäre es eine Katastrophe, wenn die Eurozone dem nachgeben und Länder aufnehmen würde, welche die formellen Maastricht-Kriterien nicht erfüllen. Das würde allen schaden, weil es die stabilitätspolitische Grundlage des Euro und seine Reputation auf den Devisenmärkten nachhaltig gefährden würde. Glücklicherweise können wir darauf vertrauen, dass die Europäische Zentralbank dem nicht nur nicht zustimmen, sondern dies auch mit allen Mitteln zu verhindern versuchen würde.

Nicht einfach wie ein Hemd wechseln

Einem Zerfall des Euro steht auch entgegen, dass der europäischen Idee damit die Basis entzogen würde. Der Euro ist in den letzten zehn Jahren zur «Geschäftsgrundlage Europas» geworden. Wie nichts anderes kreiert und repräsentiert er die europäische Idee. Wenn man ihn preisgeben würde, wären die Arbeit und die Erfolge der letzten fünfzig Jahre europäischer Einigung und die Schaffung einer europäischen Friedensordnung gefährdet. Politiker sind sicher oft pragmatisch und gehen Kompromisse ein. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie alle zusammen (nicht nur ein Einzelner) dieses Fundament aufs Spiel setzen würden.

Zu bedenken ist auch: Eine Währung kann man im Zeitalter der globalen Verflechtung nicht einfach wie ein Hemd wechseln. Es hat Jahre gedauert, um den Euro in die Computersysteme der Banken und Unternehmen einzuführen. Ebenso schwierig und zeitraubend wäre der Übergang zu einer neuen Währung. Dies umso mehr, als viele paneuropäisch tätige Unternehmen inzwischen europaweite Zentren zur Zahlungsabwicklung haben. Aber selbst wenn niemand den Euro aufgeben will: Wäre es möglich, dass der Markt den Zerfall des Euro erzwingen würde - so wie er früher das System fester Wechselkurse gesprengt hat?

Wer ruhig schlafen will...

Das geht hier freilich nicht so einfach. Denn in einer Währungsunion gibt es keine Wechselkurse, welche die Zentralbanken verteidigen müssen. Hier könnte der Markt nur auf einen Anstieg der Risikospreads spekulieren, also etwa griechische Staatsanleihen verkaufen und Bundesanleihen kaufen. Das würde die Griechen unter Druck setzen, weil sie mehr Zinsen zahlen müssten. Und das wäre schmerzhaft. Aber es gibt hier keine festen Grenzen, die zu verteidigen sind.

Zudem können die Notenbanken dem durch innergemeinschaftliche Swap-Arrangements oder sonstige Hilfen entgegenwirken, die freilich jeweils mit harten stabilitätspolitischen Auflagen verbunden sein müssten. Die Konsequenz für den Anleger: Gehen Sie davon aus, dass es den Euro auch noch in zehn Jahren geben wird. Was passieren kann ist, dass die Gemeinschaftswährung auf den Devisenmärkten noch schwächer wird. Die Risikozuschläge bei den Renditen für einige Staaten Südeuropas sowie für Österreich und Irland könnten weiter steigen. Manch einer mag die höheren Renditen für kaufenswert halten.

Dabei rate ich allerdings zur Vorsicht. Natürlich werden die Papiere bei Fälligkeit zum Nominalwert zurückgezahlt, und der Anleger kann damit eine Zusatzrendite erwirtschaften. Andererseits ist nicht auszuschliessen, dass es während der Laufzeit zu dramatischen Entwicklungen kommt und sich Zahlungen vielleicht auch manchmal zeitlich verzögern. Wer ruhig schlafen will, sollte nicht nach den höchsten Renditen streben.


Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.35%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
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  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.82%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.4%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.63%
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