Dem Schweizer Finanzsektor stehen die grössten Herausforderungen noch bevor. Markus Lasek über die Notwendigkeit, etwas Besonderes zu sein.


markus.lasek.kkklein_thumbMarkus Lasek, CIIA, war bis Frühjahr dieses Jahres Mitglied der Geschäftsleitung eines unabhängigen Vermögensverwalters.

Derzeit arbeitet er an einer Dissertation an der Universität Zürich zum Thema Finanzkrise.


Selbstverständlich gibt es bereits heute Kleinbanken mit hervorragenden Geschäftsmodellen. Aber viele kleinere Banken, die sich auf Vermögensverwaltung spezialisiert haben und kein Retailbanking betreiben, sehen sich aktuell mit überdurchschnittlich grossen Problemen konfrontiert. Doch zugleich bieten sich ihnen in den neuen Rahmenbedingungen überdurchschnittliche Chancen.

Was ist die – veränderte – Ausgangslage? Der Grund für die Probleme des Schweizer Finanzsektors ist der Wegfall mehrerer bedeutender Alleinstellungsmerkmale:

  • 1. Der Schutz der Kundenvermögen in Bezug auf staatliche Interventionen. Das Bankkundengeheimnis garantierte Anonymität und Sicherheit vor externen Zugriffen. Die Aufgabe dieses Alleinstellungsmerkmals ist für viele Anleger ein schmerzhafter Verlust.
  • 2. Der Schutz der Kundenvermögen in Bezug auf die Vermögensbewahrung. Seit Ende der neunziger Jahre haben mehr Anleger Verluste erlitten als Gewinne verzeichnet. Einen Standortvorteil hätte die Schweiz nur bewiesen, wenn hierzulande die Verluste wesentlich geringer ausgefallen wären als anderswo. Jedoch war dies nicht der Fall.
  • 3. Der Verlust des Vorsprungs von Know-how. Aus der Globalisierung der Finanzwelt folgt eine Globalisierung von Know-how. In Zürich hat man keinen Wissensvorsprung vor Singapur oder Frankfurt.

Hinzu kommt ein gestiegener Verwaltungsaufwand durch höhere Kosten für IT und Regulierung. Diesem Kostenblock begegnen viele Banken durch Kooperationen und Outsourcing. Während die allgemeinen Probleme den gesamten Finanzsektor treffen, stehen die kleineren Geldhäuser in der Schweiz vor besonderen Herausforderungen.

Kleine Banken und die Kosten der Weissgeldstrategie

Entweder ist eine kleine Bank selbstständig oder Teil einer Gruppe, und möglicherweise hat sie in den vergangenen Jahren bereits den Eigentümer gewechselt. Vielen Kleinbanken fehlt eine eigenständige Persönlichkeit sowie ein hoher Bekanntheitsgrad. Häufig bilden sie nur eine organisatorische Plattform für ihre Kundenberater. In der Vergangenheit wurde dieses Manko durch die erwähnten Alleinstellungsmerkmale der Schweiz kompensiert.

Wenn nun in einer Kleinbank eine Weissgeldstrategie ausgegeben wird, fühlen sich damit viele langjährige Kundenberater in mehrfacher Weise vor den Kopf gestossen. Zum einen basiert der Gewinn der Bank seit Jahren auf den Erträgen ihrer Kunden, deren unversteuerte Vermögen plötzlich nicht mehr willkommen sind. Zum anderen möchten die Berater ihre Bestandskunden nicht aufgeben oder zur Steuerdeklaration zwingen, denn diese waren bisher ihr Kapital. Des Weiteren ist häufig unklar, wie aufgrund der Weissgeldstrategie neue Kunden akquirieren werden sollen.

Gleichzeitig schaltet die Bank Stellenanzeigen und sucht neue Berater. Die Mitarbeiter, die unversteuerte Vermögen betreuen, merken relativ schnell, dass sie bei ihrem Arbeitgeber keine Zukunft mehr haben und verlassen mit ihren Kunden die Bank. Dieser Abgang kann nicht durch Neueinstellungen kompensiert werden, denn alle Banken suchen Kundenberater mit Weissgeld.

So sieht sich die Kleinbank unvermittelt mit einem so hohen Vermögensabfluss konfrontiert, der ihre Existenz in Frage stellt. Als Reaktion wird die Geschäftsführung ausgetauscht, die Bank in die Muttergesellschaft integriert, zum Verkauf angeboten oder gleich geschlossen.

Die Vorteile einer kleinen Einheit

Um die Selbstständigkeit einer schlingernden Kleinbank zu erhalten, aber auch um das Geldhaus für einen Käufer attraktiv zu machen, braucht man ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell. Kleinbanken besitzen für eine Neuausrichtung drei entscheidende Vorteile:

  • 1. Der geringe Bekanntheitsgrad. Was bisher von Nachteil war, wird nun zum Vorteil. Es ist einfacher, eine am Markt unbekannte Bank neu zu positionieren als eine sehr bekannte Bank mit etablierter Tradition völlig neu auszurichten.
  • 2. Die geringe Betriebsgrösse. Eine kleine Bank ist flexibler und kann leichter umstrukturiert werden als eine grössere Einheit. Es müssen weniger Mitarbeiter von der neuen Strategie überzeugt werden.
  • 3. Der kleinere Kundenkreis. Eine Kleinbank muss sich nicht nach vielen unterschiedlichen Kundeninteressen richten, sondern kann sich auf eine Kundengruppe konzentrieren.

Damit wird die generelle Stossrichtung bereits klar: Eine Kleinbank sollte sich spezialisieren, und sie kann sich dadurch besser von der Konkurrenz abheben als ein grösserer Wettbewerber. Zwar ist diese Erkenntnis allgemein bekannt, aber sie wird bis heute selten in die Praxis umgesetzt. Die Gründe dafür können nur vermutet werden. Vielleicht möchte man Bestandskunden nicht verschrecken oder man hält Merkmale wie Unabhängigkeit, neutrale Beratung und freie Produktauswahl bereits für ausreichende Alleinstellungsmerkmale.

Bindung durch Spezialisierung und Emotionen

Auf dem Weg zu einem neuen Konzept muss man sich als erstes die Konsequenzen der veränderten Situation vor Augen führen. Wie eingangs beschrieben fallen für den Standort Schweiz mehrere wichtige Alleinstellungsmerkmale weg. Das Hauptproblem dieser Entwicklung ist die entstehende Egalität: In Zukunft mangelt es an Differenzierungsmöglichkeiten der Geldhäuser untereinander und gegenüber der internationalen Konkurrenz.

Zudem ist es ein Irrtum zu glauben, Kunden wählten ihre Bank eher nach rationalen als nach emotionalen Argumenten aus. Die Zahlendominanz trifft allenfalls auf Einzellösungen zu.

Die Bedeutung der Emotionen auf Kundenseite wird in der Finanzbranche unterschätzt. Zwar weiss man, dass Private Banking eine personenbezogene Dienstleistung ist; die Bindung der Kunden an ihre Berater ist hoch. Das manifestiert die These der Emotionalität, aber es ist die Ausstrahlung des Mitarbeiters, nicht die der Bank.

Wenn ein Berater Kunden an sich binden kann, die er in einem Arbeitsverhältnis gewonnen hat, so impliziert das im Umkehrschluss, dass die Persönlichkeit der Bank zu schwach ist und zu wenig Attraktivität zur Kundenbindung bietet. Diese Erkenntnis ist fundamental, denn in Zukunft werden Emotionen vielleicht das einzige Mittel der Banken zur Kundenbindung sein. In anderen Branchen mit egalitären Produkten wie zum Beispiel Luftfahrt oder Automobil ist der Fokus auf Emotionen längst Alltag.

Eine Kleinbank kann am besten in einer Nische überleben, die sie fachlich und emotional besetzt. Die Fokussierung kann auf verschiedenen Ebenen stattfinden. Dazu ein paar Beispiele:

  • 1. Produktebene: Aktien, Anleihen, ETF, Fonds usw.
  • 2. Geographische Kundenebene: Schweizer, Ausländer, US-Kunden usw.
  • 3. Grössenorientierte Kundenebene: Pensionskassen, Unternehmen, Privatkunden usw.
  • 4. Risikoorientierte Kundenebene: Konservativ, spekulativ usw.
  • 5. Organisationsebene: Konzerntochter, echte Privatbank, Genossenschaftsbank usw.

Die Liste liesse sich beliebig fortsetzen. Wichtig ist, dass sich eine Bank nur auf ein bis zwei Elemente einer Ebene konzentriert und nicht mehr als zwei Ebenen abdeckt. Diese freiwillige Beschränkung erfordert Selbstdisziplin, aber nur sie garantiert eine erfolgreiche Spezialisierung.

Als Hilfe bietet sich wiederum der Blick in andere Branchen an. McDonald's verkauft keine Döner, Swiss keine Heliflüge und Porsche keine Limousinen – obwohl das alles verwandte Produkte in derselben Branche sind.

Die kleinen Banken in der Zukunft

Es ist eine realistische Vorstellung, in Zukunft würde es eine Bank geben, die sich zum Beispiel nur auf Schweizer Aktien und Anleihen spezialisiert hat. Ebenso wäre eine Kleinbank nur für Emerging-Markets denkbar oder ein Institut nur für russische Kunden. Welches Geschäftsmodell sich im einzelnen trägt, muss individuell entschieden werden.

Wichtig ist in jedem Fall, dass die Bank ihre Spezialisierung auch tatsächlich lebt. Emotionalität impliziert Ganzheitlichkeit im Sinne von Integrität und erfordert eine andere Leistungspolitik als bisher. Die Kunden müssen im Umgang mit der Bank deren Werte spüren und miterleben. Ein Anleger wird nicht auf Emotionen verzichten wollen so wie ein Porschefahrer nicht auf die Ausstrahlung seines Sportwagen verzichten will.

Die Ansprache des Kunden muss auf einer affektiven und einer kognitiven Ebene erfolgen. Der Kunde muss davon überzeugt sein, dass seine Bank zu seinem Stil und seinem Charakter passt. Die Bank sollte seinen persönlichen Status aufwerten, und im Idealfall möchte sich der Kunde durch die Wahl seiner Bank definieren.

Diese Form der Emotionalität wird neu sein in der Bankenbranche. Die Banken, die diese Chancen als erste erkennen und umsetzen, werden zum Trendsetter und haben erhebliches Wachstumspotential.

Ohne Geschäftsmodell kein Verkauf

Einige – und nicht nur kleinere – Banken stehen mit dem Rücken zur Wand und suchen einen Käufer. Den Zenit ihres alten Geschäftsmodells haben sie überschritten und es fehlt ihnen ein tragfähiges Konzept für die Zukunft. Aus diesem Grund erregen sie nicht das Interesse von Investoren. Jedoch ist der aktuelle Wandel der Schweizer Finanzbranche für Käufer eine historische Chance. Der Einstieg ist preiswert und die Auswahl an Banken ist breiter als in der Vergangenheit.

Der Standort Schweiz wird auch in Zukunft viele Möglichkeiten für Banken mit Charakter und unternehmerischer Führung bieten.


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