Was sind die Folgen?

Viele Kunden werden sich sowohl von den Banken abwenden als auch von traditionellen Anlageklassen nichts mehr wissen wollen. Schon jetzt meiden sie Aktien, Staatsanleihen oder Devisen. Es herrscht eine nie dagewesene Hilflosigkeit.


«Die Klientel ist heutzutage nervöser. Man hat die Kunden hungrig gemacht»


Die Anleger flüchten in alles, was noch sicher scheint: Immobilien, Land und Forstwirtschaft oder Gold, selbst auf die Gefahr hin, dass da eine neue Blase entsteht.

Sind die Kunden dank dem Internet und anderer Technologien heute nicht besser informiert und können entsprechend vorausschauend disponieren?

Das glaube ich nicht. Mehr Informationen bedeuten nicht zwangsläufig, dass man besser Bescheid weiss. Die Klientel ist heutzutage eher nervöser. Ich spreche da wieder vom klassischen Private-Banking-Kunden mit zwei bis zehn Millionen Franken.

Ich glaube, dass solche Leute ursprünglich gar nicht kurzfristig dachten. Es war die Finanzbranche, welche diese Schnelllebigkeit gefördert hat, um sich zu profilieren. Man hat die Kunden hungrig gemacht.

Was war daran falsch, solange die Kunden von sich aus mitmachten?

Solange die Börse stieg, sah man kein Problem. Anders sieht es aus, wenn die Kurse fallen. Da sind manche Kundenberater ihrer Verantwortung nicht mehr nachgekommen.


«Es braucht mehr unternehmerische Langfristigkeit»


Dabei braucht die Klientel gerade in solchen Situationen einen kompetenten Ansprechpartner, zu dem man Vertrauen hat, weil er eine professionelle Beratung garantiert. Es hat sich gerächt, dass viele Berater zu Produktverkäufern mutiert sind. Auch das wird sich ändern müssen.

Welches Profil sollte ein Kundenberater dereinst haben?

Er muss erstens bereit sein, sich für seine Kunden einzusetzen. Und zweitens ein ganzheitliches Verständnis der Wirtschaft, der Märkte und der Bedürfnisse seiner Kunden haben.

Und wie soll er den scheinbar unüberwindbaren Interessenskonflikt zwischen der Loyalität zum Kunden und den Ertragserwartungen seines Arbeitsgebers lösen?

Mit einer unternehmerischen Haltung, die auf Langfristigkeit beruht. Der Berater muss einerseits seine Kunden auch in zehn Jahren betreuen wollen und andererseits alles daran setzt, dass sein Unternehmen dannzumal ebenfalls noch floriert.

Hält er sich das in seiner Arbeit vor Augen, ist der Interessenskonflikt gar nicht mehr so gross. Darauf kommt es im Private Banking an. Das setzt charakterliche Stärke voraus.

Müssen die Banken ihre Kunden besser segmentieren?

Jein. Erstmals finde ich das Wort «Kundensegmentierung» furchtbar. Die Kunden sind wertvolle Individuen, die man nicht segmentieren sollte. Wahrscheinlich wird sich das jedoch ändern, weil die Kunden auf Grund der verschärften Compliance-Vorschriften mehr und mehr nach ihrer Herkunft betreut werden.


«Die Banken in Zürich dürften zum grössten europäischen Finanzamt werden»


Es braucht für jedes Land entsprechende Steuerexperten. Von daher dürften die Banken in Zürich wohl auch zum grössten europäischen Finanzamt avancieren! Ansonsten ist Segmentierung immer sehr heikel, weil man das Potenzial eines Kunden völlig falsch einschätzen kann.

Werden die Banken mehr online gehen?

Vordergründig läuft der Trend sicherlich in diese Richtung. Doch im Private Banking lässt sich der persönliche Kontakt zum Kunden kaum virtuell ersetzen.

Stichwort «Social Media»: Hier lautet der Vorwurf an die Banken, sie würden die vielen neuen Möglichkeiten gar nicht ausschöpfen. Richtig?

Das Thema «Social Media» beschäftigt mich persönlich sehr. Ich verfolge die Entwicklung intensiv, weiss aber beim besten Willen nicht, wohin das führen wird. Für Marketingzwecke kann Social Media durchaus Sinn machen, aber im Private Banking sehe ich die Möglichkeiten vorerst kaum. Mit anderen Worten, ich teile die momentane Euphorie nicht.

Haben Sie Krisenzeiten wie die gegenwärtigen schon einmal erlebt?

Die Generation über mir hat einiges durchgemacht, mit der Hyperinflation und den verschiedenen Währungsreformen. Da herrschte ebenfalls ein enormes Misstrauen gegenüber Finanzwerten. Ich persönlich war zuerst in der Industrie tätig und bin erst seit 25 Jahren in der Finanzbranche.


«Eine solche Krise habe ich noch nie erlebt»


In dieser Zeit habe ich selbstverständlich einige Beben erlebt – Euphorie und Crashes, aber immer zyklisch und auf einzelne Branchen oder Länder bezogen. Eine globale strukturelle Krise wie jetzt habe ich tatsächlich noch nie erlebt.

Wie optimistisch sind Sie, dass es dereinst wieder besser wird?

Man kann ein begnadeter Prophet sein, solange man sich nicht aufs Timing einlässt. Spass beiseite. Der Westen wird noch etliche Hürden nehmen müssen, zumal die Probleme mit den Staatshaushalten noch überhaupt nicht gelöst sind.

Ich befürchte, dass die Sanierung zu Lasten der Privatvermögen gehen wird, was natürlich nochmals einen gewaltigen Einschnitt in die angesparten Vermögen geben wird.

Als Staatsskeptiker ist das Wasser auf Ihre Mühle.

Im Gegenteil. Ich bedauere diese Entwicklung sehr. Ich bin nicht per se staatsskeptisch, sondern finde, dass der Staat eine starke Budgetdisziplin haben sollte. Das ist nur möglich, wenn viele Entscheide dezentral von unten nach oben erfolgen und nicht umgekehrt.

Hat die EU vor diesem Hintergrund überhaupt eine Zukunft?

Ich bin an sich ein grosser Anhänger der europäischen Idee. Zugegeben, wir schimpfen viel über die EU, und sie hat sicher viele Fehler gemacht. Aber man muss sich immer auch bewusst sein, dass sie den kollektiven Willen ihrer Mitgliedsländer repräsentiert.

Das sind ungewohnte Voten aus Ihrem Munde.

Im Grunde genommen braucht die EU einen gemeinsamen Markt, ohne allzu viele zentrale Regeln, und eine gemeinsame Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Mehr nicht.

Was läuft schief?

Viele Staaten haben nationale Traktanden und Entscheide nach Brüssel delegiert, weil sie politisch unpopulär sind, oder weil man sich damit nicht abgeben wollte.


«Es ist ein bürokratisches Monstrum entstanden»


Dadurch ist ein bürokratisches Monstrum entstanden, das zu viele Gesetze und Bestimmungen erlässt und damit die Wirtschaft behindert. Das ist der Vorwurf, den ich der EU mache, dass sie sich zu unreflektiert auf dieses Spiel eingelassen hat.

Überlebt der Euro?

Wenn man die Antwort nicht weiss, sollte man einfach sagen, das ist eine interessante Frage.

Interessant ist auch die Frage, ob kleine Finanzplätze wie Liechtenstein oder die Schweiz überleben werden. Was meinen Sie?

Es ist sogar essenziell, dass es solche Finanzzentren weiter gibt, allein aus Investitionsüberlegungen. Nehmen Sie die Schweiz. Ihr ist in der Vergangenheit so viel Kapital zugeflossen, dass sie gar nicht alles im eigenen Land anlegen konnte. Darum floss viel davon wieder ins Ausland, und zwar ohne lokale, politische oder fiskalische Auflagen.


«Globale Behörden – das klingt nach Orwell»


Das heisst, es wurde der Wirtschaft optimal zugeführt. In anderen Ländern existieren Investitionsvehikel, die ökonomisch keinen Sinn machen, sondern nur der Steueroptimierung dienen – wie gewisse Immobilienfonds oder Schiffinvestments in der Vergangenheit in Deutschland.

Haben kleine Finanzplätze auch in einer von globalen Behörden regulierten und zunehmend transparenten Welt auch noch eine Existenzberechtigung?

«Globale Behörden» klingt schon sehr nach Orwell. Dabei stellt sich aber die Frage, wessen Interessen solche globalen Behörden dienen. Werden sie von den Partikularinteressen der G20-Staaten dominiert, dann haben kleine Finanzplätze tatsächlich ein Problem.

Wenn man aber international echt unabhängige Koordinationsbehörden hat, die Interesse daran haben, dass die Weltwirtschaft gedeiht und es ihr gut geht, dann haben kleine Finanzplätze beste Zukunftschancen.


«Die Schweiz ist genauso wichtig wie Hongkong und Singapur»


Unter unabhängig verstehe ich nicht politische Interessensplattformen wie die UNO und ihre Agenturen, sondern Institutionen ähnlich unabhängig wie die Deutsche Bundesbank in der Vergangenheit und die BIZ.

Warum sollten sie?

Die Schweiz ist für die Entwicklung Europas genauso wichtig wie Hongkong und Singapur für China sind. Kleinere Einheiten bieten eine höhere Gewähr, dass das Kapital gebündelt und optimal der Wirtschaft zugeführt wird.

Was können kleinere Finanzzentren zusätzlich tun, um sich zu bewähren?

Sie sollten mit den multinationalen Institutionen ein gutes Einvernehmen pflegen oder am besten gleich Einsitz darin nehmen. Die Schweiz hat es in der Vergangenheit oft verstanden, im IMF oder in der BIZ eine Rolle zu stellen. Mit Nationalbank-Präsident Philipp Hildebrand ist sie nun auch im Financial Stability Board prominent vertreten.

Warum ist das wichtig?

Weil sonst eine protektionistische Tendenz droht, dass die mächtigsten Staaten dieser Welt die Schaltstellen in der Weltwirtschaft untereinander aufteilen. Der Protektionismus ist ohne Zweifel die grösste Gefahr für die Weltwirtschaft.

Er ist ein populistisches Phänomen, um Wählerstimmen zu gewinnen. Die Politik verspricht etwas, das zu Lasten des freien Wettbewerbs geht. Dadurch geht Innovationskraft verloren.


wappen.liechtensteinPrinz Michael von Liechtenstein wurde 1951 geboren. Er studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität in Wien und promovierte zum Magister der Sozial- und Wirtschaftswissenschaft. Er arbeitete danach in den USA, Kanada und Belgien in verschiedenen Branchen. Unter anderem war er auch in leitender Stellung für den Schweizer Nahrungsmittelkonzern Nestlé tätig, und zwar von 1978 bis 1987, wo er mit Finanzaufgaben betraut war.

1987 kehrte er ins Fürstentum Liechtenstein zurück, wo er das Präsidium des «Industrie- und Finanzkontor» übernahm. Dabei handelt es sich um ein Finanzinstitut mit rund 60 Beschäftigten, das auf Stiftungen und Trusts für vermögende Privatkunden und Familien spezialisiert ist.

Prinz Michael engagiert sich darüber hinaus auch für den klassisch liberalen Think-Tank European Center of Austrian Economics Foundation (ECAEF), den er selber präsidiert. Prinz Michael lebt heute in Vaduz, er ist verheiratet und Vater von zwei Töchtern. Er ist ein Cousin des amtierenden Fürsten Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein. Die Grossväter der beiden waren Brüder.

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