Schluss mit der Zinsbesteuerung, notfalls Kündigung der bilateralen Verträge: Der bekannte Bankier Thomas Matter skizziert Wege aus der Bankgeheimnis-Krise.

Thomas Matter war Mitgründer und CEO der Swissfirst Bank, heute ist er Unternehmer und Inhaber der Matter Group AG.

Schon vor rund dreihundert Jahren schützten weitsichtige Schweizer Bankiers die wirtschaftliche Privatsphäre ihrer Kunden, indem sie strikte Verschwiegenheit wahrten. Formell und gesetzlich verankert wurde das Bankkundengeheimnis mit dem Bankengesetz, das 1935 in Kraft trat. Politische Instabilität, Inflation und die Weltwirtschaftskrise hatten dazu geführt, dass Ausländer ihr Kapital vermehrt in der Schweiz in Sicherheit brachten. Speziell die damals aufkommenden Diktaturen stellten den Kapitalexport unter harte Strafen.

Wenn wir also schon zu historischen Vergleichen greifen wollen, wäre die Analyse der politisch-wirtschaftlichen Grosswetterlage sinnvoller als einzelne verbale Entgleisungen. Auch heute herrscht – wie in den zwanziger und dreissiger Jahren – eine globale Wirtschaftskrise; auch heute wollen Staaten die Vermögen ihrer Bürger möglichst massiv abschöpfen; auch heute kommt eine eigentliche Enteignungswelle auf viele zu.

Deutsche Enteignungspolitik

Ist es da verwunderlich, dass die wirtschaftlichen Leistungsträger ihre Vermögenswerte lieber in der Schweiz in Sicherheit bringen? Wäre es nicht klüger, den Bürgern möglichst viel Geld zu belassen, damit es in den privaten Konsum, in die Unternehmen, in die Schaffung von Arbeitsplätzen und Lehrstellen investiert wird?

Ein Deutscher mit mittlerem Jahreseinkommen bezahlt weit über 50 Prozent Steuern und Abgaben; auf dem verbleibenden Rest, mit welchem der deutsche Mittelständler konsumiert, werden 19 Prozent Mehrwertsteuer belastet. Und wenn er schliesslich stirbt, holt sich der Fiskus vom Verbleibenden nochmals die Hälfte als Erbschaftssteuer. Kurz: Unser nördlicher Mitmensch arbeitet von Montagmorgen bis Donnerstagabend für den Staat.

Darum kommt dem Bankkundengeheimnis eine wichtige ordnungspolitische Bedeutung zu: Solange dieser deutsche Steuerzahler die Möglichkeit hat, einen Teil seines Eigentums anderswo anzulegen, ist sein Staat zum Überdenken seiner ruinösen Steuerpolitik gezwungen.

Was ist zu tun?

Es ist ein Faktum, dass der Bundesrat das Bankkundengeheimnis aufgeweicht hat, indem er künftig auch bei Steuerhinterziehung Amtshilfe gewähren will. Statt diesen Entscheid im Nachhinein zu kritisieren, soll hier aufgezeigt werden, welches Konzept der bestmöglichen Schadensbegrenzung die Schweiz jetzt vertreten sollte. Unter keinen Umständen darf Staaten, die mit der Schweiz im wirtschaftlichen Wettbewerb stehen, «der Fünfer und das Weggli» gewährt werden.

Beides geht nicht: Entweder entrichtet unser Land die Zinsbesteuerung unter Wahrung der Anonymität der Bankkunden beziehungsweise eine Quellensteuer nach dem Steuersatz des jeweiligen Landes – damit will der Bankkunde zwar anonym bleiben, entrichtet aber seinen Obolus vorschriftsgemäss und darf nicht als Steuerhinterzieher behandelt werden. Oder aber wir gewähren anderen Staaten bei begründetem Verdacht auf Steuerhinterziehung Amtshilfe. Diese wäre unverzüglich gesetzlich zu regeln. Eine solche Amtshilfe müsste sich auf einen begründeten, konkreten Verdacht abstützen, bei dem der vermeintliche Hinterzieher mit Name, Domizil und Bank genannt wird. Schliesslich wäre dem Verdächtigten eine Rekursmöglichkeit vor einem Schweizer Gericht unter Zusicherung der Anonymität zu gewähren.

Auch ist dafür zu sorgen, dass hierzulande nicht bewährte Werte zerstört werden, nur weil diese im Ausland nicht verstanden oder neu definiert werden: Die Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung ist für hiesige Einwohner beizubehalten und – genau wie das Bankkundengeheimnis – auf Verfassungsebene zu verankern. Es wäre denkbar, dass sich unter solchen Umständen wohlhabende Ausländer in der Schweiz niederlassen, um in den Genuss unserer besseren Gesetze zu kommen.

Eine EU-Mitgliedschaft ist jetzt erst recht keine Option mehr

Dem Volk wurde vor der Abstimmung vorgegaukelt, bei einer Zustimmung zum Schengen-Vertrag sei das Bankgeheimnis auf Dauer gesichert. Da dies offensichtlich nicht der Fall ist, bleiben uns bei diesem bilateralen Vertrag fast nur noch Nachteile, so dass eine Kündigung ernsthaft erwogen werden sollte. Eine EU-Mitgliedschaft der Schweiz ist wohl nach dem erlebten Umgang mächtiger EU-Staaten mit einem demokratischen Kleinstaat erst recht keine Option mehr.

Gewiss, es ist nicht schön, mit angeblichen schwarzen Listen bedroht und erpresst zu werden. Die Schweiz als Land der Freiheit sollte aber auch keiner Organisation beitreten, die Rechtsstaaten bedroht und erpresst. Solange Politiker aus EU-Staaten von uns den vollen Informationsaustausch in Banksachen und die durchgehende Steuerharmonisierung fordern, sollten die bilateralen Verhandlungen in Brüssel eingestellt werden. Für uns stehen gegenwärtig keine überlebenswichtigen Probleme an.

Und wir haben uns nichts vorzuwerfen: Die Schweiz hat die strengsten Geldwäschereigesetze und damit den saubersten Finanzplatz der Welt. Wir Schweizer dürfen stolz darauf sein, dass hier noch immer der Staat für die Bürger da ist und nicht umgekehrt. Dafür brauchen wir uns im Ausland weder zu schämen noch zu entschuldigen.

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