Bevor sich Oswald J. Grübel Anfang 2009 bei der UBS verpflichtete, schrieb er Kolumnen für die «Bilanz». Vielleicht sollte er sie wieder lesen, bevor er neue schreibt.

Oswald J. Grübel arbeitete 40 Jahre für die Credit Suisse, zuletzt während fünf Jahren als Konzernchef. Anfang Mai 2007 ging er in den Ruhestand. Bevor er sich bei der UBS verpflichtete, trat er für die «Bilanz» als Kolumnist auf die Bühne.

finews.ch hat seine Texte wieder gelesen. Hier ein paar Zitate aus elf Texten Grübels und aus einem Interview. Vielleicht sollte er sie auch lesen – bevor er wieder Kolumnen schreibt.

12. Oktober 2007

Nach den Berichtigungen werden sich die Bankentitel relativ schnell wieder erholen. Anfang nächsten Jahres werden sie auf einen normalen Wachstumspfad zurückkehren.

11. Januar 2008

Die Aktienmärkte werden sich wieder erholen, sobald man das Gefühl hat, dass die Bestände richtig bewertet sind. Das sollte nach den Jahresabschlüssen der Fall sein.

22. Februar 2008

Eine Aktiengesellschaft ist so gut wie ihr Verwaltungsrat, dessen wichtigste Aufgabe es ist, die Geschäftsleitung zu bestimmen und fortlaufend dafür zu sorgen, dass diese aus den fähigsten Managern besteht.

Es ist unverständlich, wie nachlässig sich grosse Investmentfonds zurzeit noch verhalten, wenn sie ihre Stimmrechte nicht ausüben. Damit sie keine Entscheidungen treffen müssen, investieren sie meistens in Indizes wie SMI oder DAX, die von einer Maschine verwaltet werden können. Ein sicherer Weg, um ihren Berufsstand zu dezimieren.

Das Argument, dass trotz hohen Verlusten kompetitiv bezahlt werden muss, um die Angestellten zu halten, hat keine Glaubwürdigkeit, wenn – wie dieses Mal – alle Verluste gemacht haben. Wenn das Investment Banking diese Chance nicht ergreift, werden die Gewinne aus diesem Geschäft in Zukunft vom Markt noch tiefer bewertet als bisher.

Es wird noch einige Monate dauern, bis die Märkte weniger volatil agieren und die Bewertungen steigen werden. Bis dahin gibt es sehr gute Kaufgelegenheiten.

22. März 2008

In unserer Welt, wo das Geld regiert und nicht die Ethik, ist es lediglich eine Frage der Zeit, bis auch jemand aus der Schweiz bereit ist, für Millionen von Franken das Gesetz, welches das Bankgeheimnis schützt, zu brechen.

Unsere Wirtschaft und auch diejenige Europas brauchen den Finanzplatz heute mehr denn je. Er ist viel zu wichtig, um von populistischen deutschen Politikern als Spielball benutzt zu werden oder als dass sich seine Exponenten als Gehilfen von Steuerhinterziehern abstempeln lassen sollten.

9. Mai 2008

Die Aufsichtsbehörden und -organe sind schlicht überfordert. Der Ruf nach noch mehr Regeln und Vorschriften oder mehr Kapital wird den nächsten Unfall nicht verhindern.

Wenn Banken in kurzer Zeit fast ihr ganzes Kapital verlieren, dann ist das ein klares Zeichen, dass weder die Aufsicht noch das Risikomanagement funktionieren. Es braucht Behörden und Verwaltungsräte, die das Geschäft verstehen und entsprechend beurteilen können. Diese Personen wird man nur finden, wenn man sich dem freien Markt anpasst. Weshalb soll jemand bei einer Behörde arbeiten für einen Bruchteil des Lohnes, der im freien Markt bezahlt wird?

20. Juni 2008

Alle globalen Banken brauchen und haben eine Investmentbank oder eine Investment-Banking-Sparte. Zu verlangen, dieses Geschäft wegen der Verluste zu verkaufen oder einzustellen, ist gleich clever, wie wenn man beschliesst, den Fussballclub zu verkaufen, weil der Trainer nichts taugt.

Die kleineren Privatbanken kaufen die Kundenbedürfnisse einfach im Markt. Die Grossbanken aber kommen nicht darum herum, ihr eigenes Investment Banking zu führen, denn ihre Kunden erwarten und verlangen dies. Es ist wie Asset Management Bestandteil eines modernen Private Banking für die Kunden der Grossbanken. Was natürlich noch lange nicht rechtfertigt, übergrosse Handelsrisiken und Bilanzen zu führen.

29. August 2008

Es ist lächerlich, wenn man die jährlich veröffentlich­ten Listen der besten Verwaltungsräte von Unternehmen liest. Sie orientieren sich ausschliesslich am letzten Aktienkurs und wenig oder gar nicht an der etwas längerfristigen Strategie des Unternehmens und an deren Nachhaltigkeit. Wie ist es sonst zu erklären, dass ein Unternehmen in einem Jahr den besten VR haben kann und im nächsten Jahr, in derselben Zusammensetzung, nicht mehr in der Rangliste zu finden ist?

In den letzten Jahren wurden viele Vorschriften erlassen, um die Transparenz von Aktiengesellschaften zu erhöhen, und tatsächlich haben wir heute mehr Transparenz als je zuvor. Genützt hat es wenig. Wir kennen alle das Schauspiel um die Managerlöhne, das jedes Frühjahr im Lande stattfindet und gar zu einer Initiative geführt, aber nichts verändert hat. Die grossen Firmen, die global, vor allem in den USA, tätig sind, haben in den letzten Jahren Hunderte von Millionen in erhöhte Transparenzvorschriften investieren müssen. Werden sie deshalb besser geführt? Haben sie bessere Resultate erwirtschaftet?

26. September 2008

Das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Banken und der Banken untereinander wird Jahre brauchen, um wiederhergestellt zu werden. Die Rufe nach stärkerer Aufsicht und nach einschränkenden Regeln werden erst einmal mehr Schaden anrichten, da sich auch die Behörden dem Druck der Medien nicht entziehen können. Der Lynchmob der Boulevardpresse hat die Schuldigen schon ausgemacht, die Hexenjagd ist voll im Gang und zeigt, dass wir mit der heutigen schnellen, viel transparenteren Welt nicht so richtig zurechtkommen.

Haben wir wenigstens etwas gelernt aus der Misere? Ja, dass AAA-Wertschriften nur heruntergestuft werden können, dass zu viel kurzfristige Liquidität sehr langfristig ausgeliehen wurde, dass viele Manager keine Ahnung vom Geschäft haben und dass es länger dauert als gedacht, bis Vertrauen zurückgewonnen wird. Aber das haben wir schon in all den Finanzkrisen vorher gelernt, oder?

24. Oktober 2008

Wir müssen uns heute fragen, ob es richtig ist, langfristige Anlagen oder Verbindlichkeiten von 10, 20 oder 30 Jahren, wie Hypotheken oder Anleihen, mit einem fiktiven Tageskurs zu bewerten und damit hohe Wertberichtigungen auszulösen. Der gesunde Menschenverstand sagt natürlich Nein, die Buchhaltungsregeln das Gegenteil.

Das Bankgeschäft wird sich grundlegend ändern, auch durch die Forderungen der Regierungen nach VR-Einsitz und Mitspracherecht bei der Entlöhnung. Das Volk jubelt, aufgepeitscht durch die Boulevardmedien, dass es überbezahlten Bankern an den Kragen geht. Man muss allerdings in aller Fairness sagen, dass die Banker sich das selbst eingebrockt haben.

5. Dezember 2008

Es ist wichtig, dass wir diesen Abwärtstrend so schnell wie möglich brechen, sonst laufen wir Gefahr, uns tatsächlich in eine Depression zu bringen. Die Zentralbanken tun ihr Bestes, um unser Geldsystem am Laufen zu halten. Die Überwacher hingegen scheinen noch nicht ganz verstanden zu haben, dass es jetzt ums Überleben geht. Sie und viele Verwaltungsräte lassen sich zu sehr von den Medien leiten und beschäftigen sich hauptsächlich mit der Bestrafung der vermeintlichen Übeltäter. Es werden Malus-Systeme eingeführt, als wenn die Angestellten Leibeigene wären und keine Wahl des Arbeitsplatzes hätten. Gerade jetzt, da die ­Finanzinstitute die besten Köpfe brauchen, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, vertreibt man sie. Wir erwarten doch nicht im Ernst, dass die besten und ­erfahrensten Angestellten drei oder fünf Jahre warten, bis sie wissen, wie hoch ihr Lohn ist. Die Zeit der Übertreibungen ist vorbei und wird lange nicht wiederkommen. Doch vielleicht wünschen wir uns diese Zeit schon bald zurück, weil sie das kleinere Übel war.

16. Januar 2009

Die Märkte werden mit grosser Wahrscheinlichkeit unterm Jahr mehrmals die Richtung ändern. Die Aktienmärkte haben das grösste Potenzial   in den nächsten Monaten zu steigen, und damit die Preise für Industrieanleihen, die zurzeit noch gute Renditen abgeben. Finanzwerte eignen sich nur für ganz harte Spekulanten, denn diese Industrie wird auch 2009 Schwierigkeiten haben, die erwartete Profitabilität zu erreichen.

27. Februar 2009

Das Private-Banking-Geschäft, die Haupteinahmequelle unserer Banken, wird sich ohne globale Institute mit Expertise in Investment Banking und Asset Management erheblich reduzieren, und das Vertrauen in die vielen kleinen Privatbanken wird schnell schwinden. Wir sollten die Gans am Leben erhalten, auch wenn sie zurzeit keine goldenen Eier legt

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.6%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
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  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.41%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.26%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.29%
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