Mit Hans-Jörg Rudloff nimmt einer der Doyens der Schweizer Bankbranche Stellung zur aktuellen Situation auf dem Schweizer Finanzplatz.

Vor rund 200 geladenen Gästen trat Hans-Jörg Rudloff vor einer Woche im Business Club Zürich auf. Das grosse Interesse an seinen Einschätzungen darf nicht überraschen, gilt doch der frühere Credit-Suisse-Banker und heutige Chairman von Barclays Capital als eine der letzten grossen Lichtgestalten auf dem Schweizer Finanzplatz.

Rudloff plädierte für einen konstruktiven Umgang mit Finanzkrisen und rief dabei in Erinnerung, dass es in der Geschichte immer wieder zu Verwerfungen gekommen sei. Insofern sei die aktuelle Situation nicht etwas grundlegend Neues.

Sukkurs für Reagan und Thatcher

Der Banker betonte, dass es falsch sei, angesichts der Auswüchse, die zur jüngsten Finanzkrise geführt hätten, die Deregulierungsbestrebungen der Reagan-Thatcher-Ära als grundsätzlich falsch zu beurteilen. Ohne deren Bemühungen und den so ermöglichten Investitionen der Finanzbranche hätte es den grossen Aufschwung in Schwellenländern wie China, Brasilien und Indien nie gegeben, unterstrich Rudloff.

Die Bankenwelt müsse zwar das verlorene Vertrauen in der Öffentlichkeit zurückgewinnen, denn ein nachhaltiger Aufschwung sei nur möglich, wenn die Wirtschaft insgesamt prosperiere; doch dazu brauche es gleichzeitig auch ein funktionierendes Kreditsystem.

Höchster Service-Level in der Schweiz

Entgegen der weit verbreiteten Untergangsstimmung auf dem Schweizer Finanzplatz erklärte Rudloff, dass es durchaus Grund zur Hoffnung gebe. «Es gibt kein anderes Land auf der Welt, wo der Service-Level für Bankkunden so hoch ist wie in der Schweiz», sagte Rudloff und verwies darauf, dass es nur schon in London bei einer britischen Bank etwa drei Formulare brauche, um 5'000 Pfund zu beziehen. Diese Trümpfe in Sachen Service-Qualität spiele die Schweiz nach wie vor zu wenig aus.

Rudloff betonte indessen, dass die anhaltende Rechtsunsicherheit vor allem im Zusammenhang mit dem US-Steuerstreit, aber auch mit dem Schuldenschnitt in Griechenland, die wohl grösste Gefahr für den hiesigen Finanzplatz darstelle.

Bedrohliche Ausmasse

Diese Entwicklung, die in der letzten Zeit geradezu bedrohliche Ausmasse angenommen habe, würde im Ausland vielerorts verunsichern.

Viele (ausländische) Kunden befürchteten rückwirkende Eingriffe in die schweizerische Gesetzgebung und legten daher ihr Geld mit einer grösseren Zurückhaltung in der Schweiz an. Rückwirkende Eingriffe ins Gesetz könnten auf die Dauer sogar demokratiegefährdend sein, sagte Rudloff.

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