Viele Anleger hätten heute Mühe, mit den neusten Entwicklungen an der Börse Schritt zu halten, findet Alfonso Papa von ING Investment Management Schweiz.

Alfonso Papa ist CEO von ING Investment Management Schweiz

Alfonso_papa_140Herr Papa, das Finanzjahr 2012 ist gut angelaufen. Wie geht es weiter?

Tatsächlich haben sich die Kapitalmärkte auf breiter Front positiv entwickelt, wenn auch die jüngsten Aktienverkäufe auf die Gesamtrendite seit Jahresbeginn drücken. Dennoch spricht vieles für eine anhaltende Erholung der Märkte, obwohl manche Indikatoren eine Verlangsamung des globalen Wirtschaftswachstums suggerieren.

Was bereitet Ihnen Sorgen?

Die Anlagewelt hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Ich sorge mich, dass die Investoren und die Branche mit den Veränderungen nicht Schritt halten können.

Wie meinen Sie das?

In der so genannten alten Welt glaubten wir an die Stabilität der entwickelten Märkte und an ein robustes Wachstum. Wirtschaftszyklen verliefen in relativ soliden Wachstumsphasen, gefolgt von mehr oder weniger gesunden Korrekturphasen.


«Die Zusammenhänge sind komplexer geworden»


Anlageklassen, Regionen und Länder konnten mit einer gewissen Verlässlichkeit in Ertrags-Risiko-Profile eingeteilt werden. Zwischenzeitlich hat sich die Welt derart stark verändert, dass Anleger nur mit Mühe mit den Entwicklungen Schritt halten können.

Das klingt etwas abstrakt.

Die wirtschaftlichen Zusammenhänge sind viel komplexer geworden. Ausserdem scheinen sich die Wirtschaftszyklen in kürzeren Zeitphasen abzuspielen. Zumindest in der nahen Zukunft wird sich der Anleger mit stärkeren Schwankungen auseinandersetzen müssen. Dem stehen relativ starre Anlagerichtlinien, Regulationen und limitierte Risikofähigkeiten privater wie institutioneller Anleger gegenüber.

Also müssen die Anleger ihr heutiges Anlegeverhalten komplett überdenken?

Es gilt, die alten Strukturen nicht gänzlich aufzugeben, aber wenigstens fundamental zu hinterfragen. Die Einschätzung der bisherigen Risiko-Ertrags-Profile ist mit einer gewissen Unschärfe verbunden. Beispielsweise sind viele Investoren längst mit höheren Emerging Markets-Quoten investiert, als ihnen bewusst ist.


«Lokales Know-how ist zwingend notwendig»


Denken Sie an internationale Schweizer Konzerne, die vom Wachstum der Schwellenländer profitieren. Ob ein Investor mit Aktien solcher Unternehmen tatsächlich auf die Schweizer Wirtschaft setzt, ist mehr als fraglich.

Aber ein Schwellenländer-Exposure via westliche Konzerne bietet ja auch Vorteile. Zum Beispiel punkto Transparenz, Liquidität und Kursschwankungen.

Das stimmt. Andererseits hat sich aber diesbezüglich auch das Umfeld in den wichtigsten Schwellenländern deutlich verbessert. Damit sage ich aber nicht, dass diese Länder westliche Standards erreicht haben. Deshalb ist beim Investieren lokales Know-how durch erfahrene Vermögensverwalter auch zwingend notwendig.

Wie sollen Anleger ganz generell mit dem Umfeld in der neuen Welt umgehen?

Es wäre sinnvoller, übergreifende Anlagethemen zu definieren. Zum Beispiel das Thema Dividenden. Dividendenstrategien lassen sich dank attraktiven und fundamental stabilen Dividendenrenditen auch in Schwellenländer umsetzen.


«Die tiefen Zinsanlagen stellen ein grosses Risiko dar»


Im März waren die Dividendenrenditen in Schwellenländern mit gut drei Prozent zwar tiefer als in Europa, jedoch höher als in Japan und den USA.

Schweizer Anleger haben mit den tiefen Zinsniveaus zu kämpfen. Wie sollen sie damit umgehen?

Die anhaltend tiefen oder gar negativen Renditen bei Zinsanlagen sind ein grosses Risiko. Künftige Verpflichtungen müssen durch entsprechende Kapitalbildung in der Gegenwart gedeckt werden. Dies geschieht über Konsumverzicht – sprich Sparen – und der Rendite auf dem Ersparten. Das Sparen sollte für den Kaufkrafterhalt der eigenen Mittel in der Zukunft sorgen. Bleibt die angenommene Rendite der Kapitalanlagen jedoch aus, muss entweder mehr gespart werden oder die künftigen Ausgaben müssen eingeschränkt werden.


«Liquiditätsbestände sind generell zu hoch»


Diese Rechnung ist einleuchtend. Was aber, wenn man nicht genügend sparen kann und die Ausgaben gleich bleiben?

Die Liquiditätsbestände sind generell zu hoch und werden nicht helfen, genügend Kapitalwachstum zu erwirtschaften. Die Portfolio-Beimischung von ertragsträchtigeren Anlagen ist eine Lösung, die in Betracht gezogen werden muss. Es eignen sich unter anderem Hochzins- oder Schwellenländeranleihen oder wie bereits erwähnt dividendenstarke Aktien.

Diese Anlagen bergen aber deutlich grössere Risiken als Schweizer Staatsobligationen.

Darum ist die individuelle Betrachtung ein Must. Die Gewichtung im jeweiligen Portfolio hängt stark von der Risikofähigkeit des Anlegers ab. Hier sollte der Anleger sich weniger auf Informationen aus den Medien verlassen, sondern das persönliche Gespräch mit seinem Anlageberater suchen.


«Schwellenländer werden oft unterschätzt»


Durch die Beimischung solcher Anlagen lässt sich aber vielfach das Rendite-Risiko-Profil eines Portfolios verbessern. Eine oft unterschätzte Anlageklasse sind Schwellenländeranleihen. Diese bietet gegenüber der westlichen Welt ein breiteres Spektrum an Währungen und Herkunftsländern. Die fundamentale Stärke vieler Schwellenländer und deren Unternehmen machen eine Beimischung sinnvoll.

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