Thomas Sutter von der Bankiervereinigung wünscht sich von der Politik mehr Weitsicht, von «Experten» mehr Faktentreue und von den Medien mehr kritische Distanz.

Thomas SutterVon Thomas Sutter, Leiter Kommunikation und Mitglied der Geschäftsleitung der Schweizerischen Bankiervereinigung

Die Tinte beim Zusatzprotokoll zum Steuerabkommen mit Deutschland war noch nicht mal trocken, und schon meldete das Réduit grosse Bedenken. Zwei Hauptkritikpunkte wurden vorgebracht.

Einerseits dürfen deutsche Beamte Vorortkontrollen durchführen und andererseits wären weiterhin CD-Käufe möglich. Der sonntägliche Medienboulevard hat diese «Fakten» genüsslich abgearbeitet. So genannte Experten haben sich empört.

Und der innerdeutsche Dauerwahlkampf hat die Protagonisten in unserem nördlichen Nachbarland zu unklaren Äusserungen hinreissen lassen.

Kurz: Behauptungen wurden zu Tatsachen. Die Schlagzeilen grösser und die Faktenlage gleichzeitig immer dünner. Das Spielchen kennen wir doch langsam, oder?

Ein wichtiger Schritt

Soweit die Polemik. Nun zu den Fakten. Im Rahmen des verbesserten Marktzugangs können Schweizer Banken neu auch ohne Filiale in Deutschland deutsche Kunden direkt anwerben. Das ist ein wichtiger Schritt für die Banken in der Schweiz.

Bedingung ist aber, dass die deutschen Konsumentenschutzbestimmungen erfüllt sind. Die Einhaltung wird von der Schweizer Finma geprüft. In diesem Zusammenhang kann sich die deutsche Bafin bei Vor-Ort-Prüfungen der Finma beteiligen. Diese ermöglichen der Bafin aber keinen Zugang zu Kundendaten.

Kontrollen fest etabliert

Die Prüfungen können aus zwei Gründen nicht aus dem Abkommen ausgeschlossen werden: Erstens sind solche Kontrollen seit den neunziger Jahren fest etabliert. Das Prinzip der Vor-Ort-Prüfungen ist also alles andere als neu.

Zweitens muss Deutschland das EU-Gebot der Meistbegünstigung beachten: Ein Verzicht auf die Vor-Ort-Kontrollen käme einer Begünstigung der Schweiz gegenüber Instituten aus anderen EU/EWR-Staaten gleich. Wichtig - und aus politischem Kalkül unterschlagen - ist, dass das Bankkundengeheimnis durch solche Kontrollen nicht verletzt wird.

Unsägliche CD-Käufe

Wie steht es nun in Zukunft mit den unsäglichen CD-Käufen? Das aktive Bemühen um einen Erwerb von gestohlenen Kundendaten ist nicht erlaubt. Deutschland erklärt ausdrücklich, dass sich die deutschen Finanzbehörden nicht mehr aktiv um den Erwerb von bei Banken in der Schweiz entwendeten Kundendaten bemühen werden.

Darunter fällt ganz klar auch der Kauf solcher Daten. Darin sind sich die schweizerische und die deutsche Regierung einig. Es war eines der ausdrücklichen Ziele des Abkommens, solche Käufe überflüssig zu machen. Zudem würde nach Inkrafttreten des Abkommens ein Kauf von Daten keinen Mehrwert generieren, da die entsprechenden Vermögen nunmehr steuerkonform sind.

Viel Rauch

Sollte bei den deutschen Finanzbehörden trotzdem der Verdacht auf neue in die Schweiz gebrachte unversteuerte Vermögenswerte aufkommen, bieten die in der Anzahl begrenzten erleichterten Informationsgesuche genügend Möglichkeiten zur Aufdeckung.

Einmal mehr viel Rauch um nichts. Ich wünsche mir von der Politik etwas mehr strategische Weitsicht und Realismus, von «Experten» mehr Faktentreue und von den Medien mehr Recherche und kritische Distanz. Zum Glück lassen sich die Schweizer nicht so leicht ins Bockshorn jagen. Sie wissen, dass es um zu viel geht.