Vermögensverwalter sollten sich wieder vermehrt als Eigentümer des ihnen anvertrauten Kapitals verstehen, fordert der Finanzexperte Adrian M. Baumann.

Adrian M. Baumann, CFA, ist Managing Partner von CAYROS capital AG in Basel. Das Unternehmen ist eine unauffällige und solide Schweizer Vermögensverwaltungsgesellschaft, die sich den kaufkraftbereinigten Erhalt der ihr anvertrauten Vermögenswerte zum obersten Gebot gemacht hat. Mehr Informationen auf diesem Link.


adrian baumann

Während mehr als 100 Jahren waren Vermögensverwalter und Treuhänder beim Investieren dem Sicherheitsprinzip («Prudent Man Rule») verpflichtet. Dieses Prinzip besagt, dass man unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände sowohl Verstand als auch Vorsicht zu wahren hat. Genauso wie es eine charakterstarke und umsichtige Person bei der Verwaltung der eigenen Mittel tun würde.

Im Laufe der Zeit und mit der Einführung der «Modern Portfolio Theory» – auch wenn viele der daraus gewonnenen Erkenntnisse fragwürdig sind – wandelte sich das Sicherheitsprinzip zum Prinzip des besonnenen Investors («Prudent Investor Rule»). Die starren Regeln, die den Portfoliomanager zur reinen Kapitalerhaltung und Vermeidung von Risiken verpflichten, haben diesen letztlich daran gehindert, auch der Kaufkrafterhaltung gerecht zu werden.

Das Sicherheitsprinzip umfasst folgende Regeln:

• Ein Vermögensverwalter oder Treuhänder sollte nach den Grundsätzen von Loyalität, Unbefangenheit und Vorsicht handeln.

• Das Gesamtrisiko des Portfolios sollte auf ein vernünftiges Mass beschränkt werden, so dass Verluste möglichst vermieden werden.

• Eine angemessene Diversifikation der Vermögenswerte ist anzustreben.

• Eine gewisse Verantwortung und manche Aufgaben können an Dritte besonnen übertragen werden.

• Es sollten nur Kosten anfallen, deren Höhe vernünftig ist, und die in Bezug auf das Verwaltungsmandat ange-messen sind.

• Schliesslich sollten Empfehlungen und Investitionen stets gewissenhaft und gründlich vorgenommen werden.

Job an den Nagel hängen

Doch nimmt sich heute überhaupt noch jemand diese Regeln zu Herzen? Wohl kaum, wie ein Blick auf den ak-tuellen Zustand der Finanzindustrie zeigt! Sind aber nicht gerade der Erhalt und die Vermehrung des Kapitals die Grundpfeiler des Geldgewerbes? Jeder, der in den letzten Jahren dieses Ziel verfehlt hat, müsste sich daher anderen Aufgaben zuwenden oder einfach seinen Job an den Nagel hängen.

Denn im Prinzip müsste es wie in anderen Berufen sein: Wenn ein Schneider behauptet, die Ärmel am Anzug fehlten oder dieser sitze nicht, weil die Stoffqualität schlecht sei oder zu wenig Stoff vorhanden war, dann stimmt etwas nicht. Und wir dürfen annehmen, dass ein solcher Schneider schon bald keine Kunden mehr hat.

Gravierende Folgen

Nicht so in der Finanzindustrie. Da haben sich in den letzten Jahren zahlreiche Vertreter auf Kosten der Bevölkerung unendlich bereichert, ohne indessen die erforderlichen Leistungen jemals erbracht zu haben. Die finanziellen Folgen kennen wir: Sie sind in der Tat gravierend und haben weltweit bereits enormen Wertvernichtung und zum Verlust von Millionen von Arbeitsplätzen geführt.

Damit die Branche wieder auf den Pfad der Tugenden kommt, muss sie die Absurditäten und Übertreibungen der jüngsten Vergangenheit über Bord werfen und sich wieder auf das Wesentliche besinnen. Wie aber könnte nun eine zukunftsorientierte Anlagestrategie aussehen?

Alpha oder Beta?

Finanzberater sollten sich bei der Vermögensaufteilung zunächst einmal zwischen Alpha und Beta entscheiden. Das heisst, zwischen aktiv und passiv verwalteten Geldern. Die Renditestreuung von aktiv verwalteten Strategien hat in allen Anlageklassen stark zugenommen. Als Folge davon ist die passive Verwaltung generell besser. Ausser der Finanzberater verfügt über ausgewiesene Kompetenzen in der einen oder anderen Anlageklasse, um damit Überrenditen zu erzielen.

Die Aufteilung von Vermögen in ihre verschiedenen Anlageklassen ist indessen kaum erlernbar, weil sie viel mit Intuition zu tun hat. Finanzberater sollten daher drei individuelle Subportfolios bezüglich Grösse und Zusammensetzung erstellen, immer unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des jeweiligen Kunden.

• Sicherheits-Portfolio: Zwecks Sicherung der materiellen Existenz und Absicherung des Lebensstandards des Kunden.

• Alpha-Portfolio: Nutzung individueller Stärken und Fähigkeiten des Finanzberaters in einer oder mehreren Anlageklassen.

• Beta-Portfolio: Residualportfolio für hauptsächlich passive und daher kosteneffiziente Investitionen.

Als zweiter Schritt ist mit einem klugen Management zwischen zwei Risikokategorien zu unterscheiden:

Externe Risiken (delegierbar): Statt einfach das Renditepotential des Managers bzw. Anlageinstruments in Betracht zu ziehen, ist es sinnvoller, auf den Erfolgsausweis in Zusammenhang mit der effektiven Vermeidung von Risiken abzustellen.

Interne Risiken: Portfoliorisikoeigenschaften müssen gesamtheitlich überwacht werden, um sicherzustellen, dass diese aufgrund sich schnell verändernder Korrelationen und dem Herdenverhalten von Investoren und Fondsmanagern angemessen sind. Und sofern eine Absicherung kostengünstig vorgenommen werden kann, darf bedenkenlos auf etwas zusätzliche Rendite verzichtet werden, um das Portfolio gegen ein äusserst unwahrscheinliches Ereignis abzusichern.

Wie ein Kunstsammler vorgehen

Ausserdem soll die Diversifikation dazu beitragen, gewisse Risiken zu vermindern – wenn auch nicht im herkömmlichen Sinn, sondern eher nach dem Grundsatz eines Kunstsammlers, der den Kauf eines zufällig entdeckten und wünschenswerten Objekts erwägt: Passt es in die Kollektion und stimmt der Preis, wird der Sammler das Objekt erstehen.

Abschliessend ist zur Währungsfrage (nicht anwendbar auf das Sicherheitsportfolio) zu sagen, dass heute kein Geld der Welt mehr einen immanenten Wert besitzt. Es gibt keine Sicherheit, dass Erspartes Kaufkraft erhaltend in etwas Anderes umgetauscht werden kann. Daher spielt es langfristig keine Rolle mehr, welche Referenzwährung ein Portfolio hat, solange die Anlagestrategie solide ist. Die Ergebnisse eines erstklassigen, langfristigen Portfolios in irgendeiner Währung sind genauso gut in jeder anderen Währung.

Fazit: mehr persönliche Verantwortung

Es wäre vermessen, heutzutage eine Zukunftsprognose für die Finanzmärkte abzugeben. Wie nützlich können denn Vorhersagen überhaupt sein, wenn allein schon die gegenwärtigen Ereignisse nur schwer fassbar sind? Ich sorge mich daher nicht ums Geldverdienen, sondern konzentriere mich hauptsächlich auf das Vermeiden von Fehlern. Vermögensverwalter und Treuhänder sollten sich wieder vermehrt als «Eigentümer» des ihnen anvertrauten Kapitals verstehen, geleitet von einer persönlichen Verantwortung für den Mitteleinsatz und den daraus resultierenden Ergebnissen; aber gewiss nicht als «Spekulanten» mit dem Geld anderer Leute.


War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.64%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.44%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.27%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.18%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.46%
pixel