Bei Kursabstürzen suchen viele Anleger die Schuld überall – nur nicht bei sich selbst. Kundenberater, die das erkennen, kommen besser zurecht, findet Gisbert Straden.

Gisbert_StradenGisbert Straden ist geschäftsführender Partner der Firma IM Training in Steckborn. Er berät Finanzinstitute in der Schweiz, Deutschland und Österreich in Fragen der vertriebsorientierten Personalführung.

Die Meldungen der vergangenen Wochen waren für Anleger wieder einmal erschreckend. Griechenland steht vor dem Bankrott, die Banken in Spanien können nur durch ein Rettungspaket vor der Pleite bewahrt werden, Italien wackelt, der Börsengang von Facebook war ein Flop.

Die Profis wissen, wie sie jetzt reagieren müssen: «Geduld bewahren, Kaufgelegenheiten nutzen, einen langfristigen Horizont wählen und trotz Rückschlägen dranbleiben», sagt etwa Daniel Kalt der Chefökonom der Schweizer Grossbank UBS.

Psychologische Verhaltensmuster

Die wenigsten Privatanleger freilich reagieren so vorbildlich kühl und rational. Die Wissenschaft der Behavorial Finance beschäftigt sich seit langem mit den psychologischen Verhaltensmustern von Anlegern und kann zeigen, wie es derzeit um die Gefühlswelt der Investoren steht.

Dort herrschen Schock und Abwehr vor, und es wird noch eine Weile dauern, bis Neugier und Erkenntnis wieder zu einem konstruktiven Umgang mit der Krise führen. Denn es gibt nicht den Homo sapiens und erst recht nicht den Homo oeconomicus, wie die vergangenes Jahr verstorbene deutsche Managementtrainerin und Sachbuchautorin Vera Birkenbiehl feststellte, sondern eher den Hormo sapiens, den von Hormonen und Emotionen gesteuerten Menschen.

Vorschnelles Handeln

Und dieser hormo sapiens handelt gerne und meist unbewusst nach einmal erlernten Vorgehensweisen. Diese so genannten Heuristiken führen jedoch zu einem vorschnellen Handeln, das gerade das Prinzip des Zufalls eben nicht ausschliesst. Viele Entscheidungen sind quasi-rational und zu 90 Prozent emotional.

Eine der wichtigsten psychologischen Fallen ist etwa die Regret-Aversion: Diese gerade in Krisenzeiten wichtigste Falle führt dazu, dass der Anleger sich lieber gar nicht entscheidet aus der puren Angst heraus, falsch zu entscheiden. Die psychologischen Kosten einer falschen Entscheidung werden als weitaus höher empfunden als der Schaden, der durch nichts tun entstehen kann.

Im Alleingang unsicher

Wer diesen Mechanismus seinem Gesprächspartner auseinandersetzen kann, ist in der Lage, den einen oder anderen Widerstand zu überwinden.

Zudem handeln Anleger im meist unbewussten Einklang – als folgten sie einer Choreographie, auch gegen anderslautende Marktsignale oder Rechercheergebnisse. Der Grund ist einfach: Wir fühlen uns in der Regel mit Einzelmeinungen nicht sicher und lassen uns in unserer Entscheidung von andern bestätigen und absichern.

Einfühlungsvermögen gefragt

Berater sollten daher auch immer im Gespräch nachforschen, woher denn die einzelnen Meinungen kommen, etwa aus dem Familien- oder Freundeskreis, dann lässt sich schnell der Grund für eine bestimmte Einstellung eruieren.

Nachgerade ein Klassiker ist die selektive Wahrnehmung. Anleger nehmen nur zu gerne lediglich die Informationen wahr, die den eigenen Vorstellung und Meinungen entsprechen. Informationen, die dazu im Widerspruch stehen, werden verdrängt oder vernachlässigt.

Schlüsselfaktorne für ein gutes Beratungsgespräch

Die Verdrängung ist dabei umso stärker, je stärker der Anleger emotional an die Entscheidung gebunden ist. Gerade diese Bindungen zu erforschen und anzusprechen, ist Schlüsselfaktor für ein erfolgreiches Beratungsgespräch.

Es gilt eben immer zu bedenken: Entgegen eines weitverbreiteten Irrtums sind auch Anleger Menschen. Und eines der menschlichen Einstellungen ist die Tatsache, dass Verluste stärker bewertet werden als Gewinne.

Konsequenz falscher Entscheidungen

Verluste stellen die Konsequenz einer falschen Entscheidung dar. Es entstehen sogenannten «psychologische Kosten», Entscheidungen werden also nicht nach Risiko/Rendite-Kriterien getroffen, sondern mit dem Ziel, zukünftige Enttäuschungszustände auf ein Mindestmass zu reduzieren. Für den Berater ist es wichtig, diese Angstschwelle im Gespräch zu erkennen und den Kunden quasi darüber zu heben.

Letztlich sollte sich jeder Berater vor Augen halten: Nach dem Crash suchen die meisten Anleger die Schuld überall – nur nicht bei sich selbst. Das ist menschlich und hat mit der persönlichen Beratungsleistung nichts zu tun. In diesem Falle sollte der Berater die Schuld gezielt nicht bei sich selbst suchen.

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