Dominique Biedermann, Geschäftsführer der Ethos Stiftung, nimmt mit der Ethos Akademie nun auch Privatinvestoren ins Visier. Er will so die Aktionärsrechte weiter forcieren. Das Interview. 

Dominique.BiedermannHerr Biedermann, mit der Gründung des Vereins Ethos Académie möchte Ihre Organisation den Kreis der Investoren, die Ethos direkt ansprechen will, ausweiten. Heisst das, dass Ihr Einfluss via institutionelle Anleger bislang nicht den gewünschten Erfolg zeitigt?

Die Sensibilisierung der institutionellen Investoren zeigte in jüngster Vergangenheit eine grosse Wirkung, insbesondere bei der Ausübung der Aktionärsrechte. Viele Wirtschaftsthemen betreffen und interessieren aber nicht nur die institutionellen Investoren, sondern auch andere Mitglieder der Zivilgesellschaft. Und genau darum geht es bei Ethos Académie: Es sollen alle Wirtschaftsteilnehmenden für eine nachhaltige Wirtschaft für vielfältige Nachhaltigkeitsthemen sensibilisiert werden.


«Zivilgesellschaft sensibilisieren»


Ihr Ziel ist es, institutionelle und neu auch private Aktionäre von Ihren Anliegen zu überzeugen und wenn möglich deren Aktienstimmen zu vertreten. Setzen Sie damit auf die Bequemlichkeit vieler Aktionäre?

Die Vertretung der Aktionärsstimmen ist nur ein Teilaspekt: Ethos Académie hat den Anspruch, die Mitglieder der Zivilgesellschaft für vielfältige Wirtschafts- und Nachhaltigkeitsthemen zu sensibilisieren. Dazu gehören neben Themen wie Korruption, Whistleblowing und Nachhaltigkeitsberichterstattung auch die Aktionärsrechte.

Was ist der Grund, dass es in der Schweiz kaum Normen gibt, wie sich Pensionskassen und andere Institutionelle in Abstimmungen verhalten sollen?

Die treuhänderische Pflicht von vielen Vermögensverwaltern wird wohl zu kurzfristig und dividendenorientiert betrachtet. Ethos ist überzeugt, dass sich dies in Zukunft ändern wird. Denn sowohl mit der Minder-Initiative, als auch dem indirekten Gegenvorschlag werden die Vorsorgeeinrichtungen zur Ausübung der Stimmrechte angehalten und zu mehr Transparenz in diesem Bereich verpflichtet.


«Transparente Richtlinien»


Aus der Sicht vieler Pensionskassen ist es bequemer, die Stimmkraft an Ethos abzutreten als sich selbst mit den zum Teil delikaten Traktanden intensiv auseinanderzusetzen. Ist es nicht primäre Aufgabe der Verantwortlichen der Pensionskassen mit ihrem breitgefächerten Mitgliederbestand sich selber eine eigene Meinung zu bilden?

Pensionskassen müssen sich aus Kostengründen optimal für die Stimmrechtsausübung organisieren. Wichtig ist dabei, dass sie das Prinzip der sowie Richtlinien zur Ausübung der Stimmrechte festlegen. Die Ausarbeitung der Stimmpositionen kann sie dann auch delegieren. Übrigens ist das Stimmverhalten von Ethos transparent: Ethos verwendet und publiziert seit Jahren ausführliche Richtlinien zur Ausübung der Stimmrechte sowie Grundsätze zur Corporate Governance und legt die Stimmpositionen offen.


«Keine indirekten Anlagen»


Wie sollen sich die grossen Versicherer verhalten? Es ist ja kaum zu erwarten, dass eine Versicherung gegen die Führungsequipe eines Unternehmens opponiert, das zu ihren Kunden zählt!

Im Prinzip sollten auch die Fondsleitungen und Versicherungen ihre Aktionärsstimmrechte gemäss klar definierten Richtlinien ausüben. Gibt es Interessenskonflikte, so sollten diese angemessen behandelt, d.h. mindestens gegenüber den Begünstigten offengelegt, werden.

Wer Anlagen in ETF sowie Index-Produkte tätigt glaubt, keine Aktionärsverantwortung mehr zu tragen. Die Emittenten jedoch übergeben die Verantwortung meist an Institutionen wie beispielsweise Ethos. Es leidet darunter die direkte Aktionärsdemokratie, es profitiert die repräsentative Demokratie. Widerspricht das nicht dem Schweizer Verständnis der direkten Demokratie?

Es gibt auf Derivaten basierende Investitionsprodukte (ETF), welche keine Stimmrechte beinhalten. Das ist nicht im Sinne einer gut funktionierenden Aktionärsdemokratie. Daher investiert Ethos ausschliesslich direkt.

Ausserdem bieten mehrere Anlagefonds in der Schweiz ihren Investoren bereits die Möglichkeit, für ihre proportionalen Stimmen im Fonds eine Abstimmungsempfehlung abzugeben. Neben einer Verbesserung der Transparenz des Stimmverhaltens, muss es in diese Richtung weiter gehen.


«Indexiertes Anlegen verlangt aktive Rolle»


Fördern Sie auch die aktive Anlage? Es ist nicht anzunehmen, dass passiv anlegende Institutionen zu glühenden Aktivisten zählen!

Ganz speziell beim indexierten Anlegen spielen die Aktionärsrechte eine zentrale Rolle! Wenn nämlich aus Risikoüberlegungen ein Vergleichsindex nachgebildet wird, müssen gewisse Titel gehalten werden. Sind dann die Investoren mit einem Unternehmen nicht zufrieden, so können sie ihre Anliegen nur mit den Stimmrechten oder dem Recht auf Dialog durchsetzen.


«Voice over Exit»-Strategie


Abstimmen mit den Füssen – also verkaufen, wo man nicht einverstanden ist – wäre doch die beste Disziplinierungsmethode eines VR und einer GL! Weshalb funktioniert sie nicht – wegen der passiven Anlage, wegen der Derivate oder weshalb sonst?

Einerseits legen viele institutionellen Anleger aus Risikoüberlegungen indexiert an, daher kommt der vollständige Verkauf eines Titels nicht in Frage. Allerdings ist auch nicht sicher, ob der Verkauf wirklich die beste Disziplinierung ist, da die Unternehmensführung den Grund der Unzufriedenheit nicht kennt. Ethos wendet daher eine «Voice over Exit»-Strategie an: Um nachhaltig Verbesserungen zu erzielen, ist der Aktionärsdialog, wie ihn Ethos seit mehreren Jahren führt, ein konstruktiver Ansatz.

Sind es nicht auch rein ökonomische Gründe, die das Ethos-Team antreibt? Immerhin beschäftigen Sie mittlerweile zahlreiche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

Bis Anhin konnten nur institutionelle Investoren bei Ethos mitmachen. Da aber viele Bemühungen von Ethos der ganzen Zivilgesellschaft zugute kommen, ist die Möglichkeit einer Teilnahme von weiteren Interessierten ein logischer Schritt. Dies schafft Synergien, wovon beide Seiten profitieren.

Übrigens beschäftigt Ethos seit über fünf Jahren ungefähr gleichviel Mitarbeitende, nämlich zwischen zwölf und fünfzehn.


«Offenlegen zum Vergleichen»


Was hindert Ethos daran zu veröffentlichen, wie und mit welcher Anzahl von Stimmen an Generalversammlungen abgestimmt wird?

Ethos legt das Stimmverhalten auf der Internetseite offen. Betreffend Anzahl Stimmen ist der Grund simpel: Ethos weiss nicht, welche Aktionäre die Stimmempfehlungen von Ethos befolgen.

Wer die Höhe von VR- und GL-Entschädigungen kritisiert, müsste auch die Leistung der Kritisierten kennen. Wie will Ethos beurteilen können, ob eine Entschädigung der Leistung entspricht, übertrieben hoch oder allenfalls auch zu tief ist?

Das ist ein wichtiger Punkt! Wir plädieren seit mehreren Jahren für eine adäquate Offenlegung der Leistungskriterien und variablen Vergütung im Vergütungsbericht. Ist dies gegeben, so dienen Branchenvergleiche oder Vergleiche mit anderen Unternehmen der Beurteilung von Vergütung und Leistung.


«Ethos tritt auf, wenn es wichtig ist»


Könnten Sie der Erhöhung einer VR-Entschädigung zustimmen, die in schlechten wirtschaftlichen Zeiten steigt, weil der VR eine souveräne Leistung erbracht und das Unternehmen geschickt durch eine Konjunkturbaisse gelenkt hat?

Für eine abschliessende Beurteilung braucht es eine tiefere Analyse. Es kommt nämlich auf das Unternehmen, die absolute Höhe der Vergütungen sowie deren Struktur an. Aber grundsätzlich wird ein Unternehmen Mühe haben, gegenüber den Aktionären eine Erhöhung der Vergütungen bei schlechter finanzieller Lage zu rechtfertigen.

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, dass Ethos selbst an einer GV auftritt und argumentiert?

Ethos tritt auf, wenn es wichtig ist, die zentralen kritischen Punkte öffentlich zu erläutern. Dabei soll der Druck auf die Unternehmensführung erhöht werden.

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