An den Märkten herrschen kriegsähnliche Zustände – trotz dauernder Waffenstillstands-Gespräche, so Raphael Vannoni von der Bankiervereinigung.

Raphael_Vannoni_119x178Raphael Vannoni ist Leiter Economic Analysis bei der Schweizerischen Bankiervereinigung

«Im Westen nichts Neues» ist ein Roman, der vom 1. Weltkrieg handelt. Glücklicherweise befinden wir uns nicht im Krieg, aber der Titel hat dennoch aktuell Bedeutung. Erstens stellen die Ergebnisse des letzten EU-Gipfels keine neuen Ergebnisse dar und zweitens haben wir kriegsähnliche Zustände auf den Finanzmärkten. Zwar haben sich die Finanzmärkte nach dem EU-Gipfel beruhigt, doch scheint es mir eher ein temporärer Waffenstillstand als die definitiven Friedensverhandlungen zu sein.

Im Vorfeld des Treffens der Ministerpräsidenten wurden einige Massnahmen zur Minderung der Krise vorgeschlagen. Darunter waren die Gründung einer Banken- und Fiskalunion, die Emission von Eurobonds oder das Schnüren eines Wachstumspakets in der Höhe von 120 Milliarden Euro. Die meisten Massnahmen wurden bereits bei anderen Gelegenheiten diskutiert und waren demzufolge keine Überraschungen.

Neue Bereitschaft der Anleger?

Was mir neu und vor allem sinnvoll erscheint, ist die Tatsache, dass Forderungen der Europartner (beispielsweise EZB oder ESM) keinen Vorrang mehr geniessen. Dieser Vorrang war beim Haircut Griechenlands insbesondere von den privaten Gläubigern kritisiert worden. Dies kann dazu führen, dass Anleger, deren Guthaben nicht nachrangig sind, eher wieder bereit sind, in diese Werte zu investieren und somit die Zinsen für Staatsanleihen zu reduzieren. So fielen beispielsweise die Renditen für italienische Staatsanleihen am 29. Juni wieder unter 6 Prozent.

Auszug aus der Erklärung des EU-Gipfels:

«[...]Wir bekräftigen, dass die finanzielle Unterstützung über die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) bereitgestellt wird, bis der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) zur Verfügung steht, und dass sie dann auf den ESM übertragen wird, ohne den Status der Vorrangigkeit zu erhalten.»

Ob eine solch kleine Änderung allerdings die brodelnde Staatsschuldenkrise in der Eurozone löschen mag, bezweifle ich sehr. In Kürze wissen wir aber mehr. Die Beschlüsse sollen bereits bis am 9. Juli 2012 von der Euro-Gruppe umgesetzt werden. Bereits jetzt haben aber Finnland und die Niederlande bekanntgegeben, die Beschlüsse blockieren zu wollen. Das Veto richtet sich in erster Linie gegen Staatsanleihenkäufe verschuldeter Euro-Staaten durch den ESM.

Deshalb bleibe ich bei meiner Aussage: Im Westen nichts Neues. Ganz gleich, ob nun der Bremser Finnland, Niederlande oder Deutschland heisst.