Für den Schweizer Finanzplatz sind die Aussichten getrübt. Während die Limmatstadt vor sich hin vegetiert, handelt die Rhonestadt beherzt.

An sich ist die Situation klar und alles andere als erfreulich: Die Einbussen im Bankensektor reissen ein riesiges Loch in die Staatskasse – vor allem in Zürich auf dem grössten Finanzplatz der Schweiz. In guten Jahren lieferten allein die beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse jeden sechsten Steuerfranken. Doch das ist nun vorbei.

Mit einem ausgeglichenen Budget rechnet die Stadtregierung frühestens im Jahr 2011, und bis dahin ist mit roten Zahlen auszukommen. Angespannt ist die Lage auch deswegen, weil im Finanzsektor noch ein enormer Stellenabbau ansteht. Und schliesslich haben die Lockerung des Schweizer Bankgeheimnisses und das temporäre Reiseverbot für Kundenberater einzelner Banken zahlreiche ausländische (Offshore-)Kunden massiv verunsichert, so dass diese sich mit weiteren Engagements jetzt eher zurückhalten.

Finanzplatz Zürich - quo vadis?

Anstatt mit dem Rücken zur Wand zu stehen, wäre in dieser Situation eine aktive Rolle der Vertreter des Zürcher Finanzplatzes gefragt. Immerhin arbeiten in der so genannten Greater Zurich Area noch zwischen 70‘000 und 80‘000 Personen im Finanzsektor und gemäss offizieller Sprachregelung hat der Finanzdienstleistungssektor eine «fundamentale Bedeutung». Umso mehr wäre also ein koordiniertes und zeitgemässes Auftreten der entsprechenden Interessensgruppen aus Wirtschaft und Staat gefragt. Doch weit gefehlt.

Das zeigt nur schon ein Blick ins Internet: Sämtliche Websiten, die sich mit dem Finanzplatz Zürich befassen, vegetieren lustlos vor sich hin; die so genannten News sind entweder Allerwelts-Statements oder dann sind sie ganz einfach schon mehrere Jahre alt. Beispiele? Auf der Website des Kantons Zürich figuriert auf der Seite «Finanzdienstleistungen» zwar rechts eine Studie mit dem viel versprechenden Titel «Finanzplatz Zürich – eine ungewisse Zukunft», bloss stammt sie aus dem Jahre 2003. Aber auch die Studie «Vom Finanzplatz zum Finanzwissen-Platz» ist nicht ganz brandneu. Sie datiert aus dem Jahre 2004.

Lieber Ethno-Business statt Swiss-Banking

Das ist insofern peinlich, da derzeit die Karten im internationalen Finanzsektor neu gemischt werden, und Zürich durchaus eine führende Rolle einnehmen könnte, vorausgesetzt, dass alle Vertreter an einem Strick ziehen würden und in die Offensive gingen. Doch auf den offziellen Websiten finden sich aktualisierte News oder Lösungsansätze, die dem Leser glauben machen wollen, die Perspektiven im Finanzsektor seien wie eh und je hervorragend.

Dass sich keine Stelle mit der wichtigsten Branche ernsthaft auseinandersetzt, ist insofern auch bedenklich, als über andere Themen dagegen höchst ausgiebig berichtet wird, wie beispielsweise über das «Ethno-Business in Zürich - eine Bestandesaufnahme in den Quartieren Seefeld und Langstrasse» aus dem Jahre 2008. Peinlich sind auch die Angaben auf der Website der Vereinigung Zürcherischer Kreditinstitute, die gemäss Eigenaussagen immerhin 70Mitglieder zählt. Als Vorsitzender wird Josef Meier angegeben, angeblich CEO Corporate & Retail Banking Credit Suisse - das war vor langer Zeit einmal.

Das Schweigen der Banker

Eine Vereinigung, die nun explizit die Geldinstitute auf dem Zürcher Finanzplatz repräsentieren würde, existiert nicht. Aber selbst über das organisierte Bankenwesen hinaus sucht man heute vergeblich nach Galionsfiguren und Institutionen, die dem Standort und dem Gewerbe Kanten und Konturen verleihen könnten. Weder die Vertreter klassischer Banken wie Rahn & Bodmer, Maerki Baumann oder Hottinger & Cie, fühlen sich offensichtlich verantwortlich, der Limmatstadt in Sachen Banking neues Sendungsbewusstsein zu verleihen, noch melden sich die Vertreter börsenkotierter Traditionsinstitute wie Vontobel oder Julius Bär zu Wort. Vielmehr dominiert das Schweigen der Banker.

Schade eigentlich, dass auf dem wichtigsten Finanzplatz der Schweiz kein «Konrad Hummler» existiert, der ab und an mal Klartext redet, mit Visionen und neuen Thesen aufwartet, selbst wenn sich ein Teil davon dann bloss als Gedankenspielerei erweist. Wo sind die Köpfe, die mit gutem Beispiel da vorangehen könnten?

Wo sind die Schaefers und Holzachs von heute?

Gesucht wären ein paar integre und glaubwürdige Bankiers, die sich nicht scheuten, die Exzesse in der Branche beim Namen zu nennen, genauso aber auch den Pauschalisierung und Verunglimpfungen der ganzen Branche Gegensteuer zu geben. Letztlich braucht es solche Figuren in jeder Industrie, weil sie sich auch noch morgen profilieren.

Früher waren es auch die Grossbanken, die in dieser Hinsicht aktiv waren. Erinnert sei hier nur schon an die zahlreichen bedenkenswerten Voten grosser Bankiers wie Alfred Schaefer oder Robert Holzach. Heute ist die Konstellation einiges anders: Die beiden gebürtigen Deutschen Oswald Grübel und Ulrich Körner an der Spitze der UBS haben derzeit andere Sorgen, als für Zürich die Werbetrommel zu rühren.

Doch wie verhält es sich mit den übrigen Top-Shots in diesem Grosskonzern? Läge es nicht an ihnen, für ein neues Selbstbewusstsein zu sorgen, müsste nicht ein eigentlicher Posten für solche Belange geschaffen werden? Gleiches gälte indessen auch für die Credit Suisse. Zwar setzt man sich seit Jahren für historische Zürcher wie Alfred Escher ein und auch für gesellschaftliche und kulturelle Belange aus der Region, doch in der Meinungsführerschaft, in der Themensetzung sind die CS-Vertreter ebenfalls nicht präsent. Dabei hätte die Credit Suisse als urzürcherische Institution eine ganz besondere Verantwortung, sozusagen einen Leistungsauftrag, in dieser Hinsicht aktiv zu sein.

Genf macht es vor

Dass es auch anders geht, beweist die Stadt Genf. Bereits seit 1991 vereinigt die Stiftung Geneva Financial Center rund 80 Geldinstitute und ist in mancher Hinsicht aktiv. Das zeigt sich allein schon an der Website, die absolut aktuell ist und etwa auf eine Vielzahl von Veranstaltungen aus dem Finanzsektor, auf Positionspapiere und Ausbildungsmöglichkeiten hinweist. Ausserdem melden sich die Vertreter dieser Institution regelmässig in den Medien zu Wort; allen voran Steve Bernard, als Geschäftsführer der Stiftung, sowie Ivan Pictet, als deren Präsident. Darüber hinaus benutzt auch Patrick Odier seine Position als Vizepräsident der Organisation regelmässig, um den Anliegen des Genfer Finanzplatzes noch mehr Gehör zu verleihen.

Zahlreiche Anlässe mit Experten, Rechtsanwälten, Vertretern der Universität Genf sowie mit ausländischen Politikern erhöhen die Sensibilität für Finanzplatz-Fragen zusätzlich. Ein weiterer, langjähriger Exponent ist Michel Dérobert, der als Geschäftsführer der Genfer Privatbankiers für zahlreiche Aktivitäten und Positionspapiere besorgt ist.Mit diesen Protagonisten, zu denen sich gewiss noch ein Dutzend weiterer Persönlichkeiten hinzuzählen liesse, hat das Genf der Finanzbranche auch tatsächlich ein Gesicht.

Why Geneva?

Und dass auch die Zusammenarbeit mit den Behörden durchaus erfolgversprechend sein kann, zeigt die Website www.whygeneva.ch, wo in enger Zusammenarbeit zwischen der Branche und den lokalen Behörden ein gemeinsamer Auftritt, eine unité de doctrine, erfolgreich praktiziert wird. Selbst der Wirtschaftsminister von Stadt und Kanton, Pierre-François Unger, ist sich nicht zu schade, auf die vielen Vorzüge des Finanzplatzes Genf hinzuweisen.

Was ein geeinter Auftritt, gutes Marketing und ein selbstbewusstes Auftreten bewirken können, zeigte sich im letzten Halbjahr, nachdem Ende 2008 der milliardenschwere Betrugsskandal um den Amerikaner Bernard Madoff mehrere Finanzhäuser auf dem Platz Genf in eine tiefe Krise gerissen hatte. Proaktives Handeln und viel Information sorgten letztlich dafür, dass die meisten Genfer Finanzhäuser und der Standort von einer eigentlichen Imagekrise verschont blieben. Vielmehr prosperieren sie anhaltend und können so auch gelassener in die Zukunft blicken als ihre Mitstreiter in der Deutschschweiz. Mit dieser Haltung wird es auch einfacher sein, den weiteren Turbulenzen rund um das Bankgeheimnis zu begegnen.


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