Vanessa_Honsel_100Weltweit sei derzeit bestenfalls mit einem Wachstum von zwei Prozent zu rechnen, findet Vanessa Honsel von VT Wealth Management.

Vanessa Honsel ist Chief Investment Officer und Leiterin Portfolio-Management beim Zürcher Vermögensverwalter VT Wealth Management.

Das prominenteste Opfer des schwachen Krisenmanagements in Europa wurde die eigene Glaubwürdigkeit. Die Zinsrisikokurve steht in weiten Teilen des alten Kontinents auf dem Kopf. Die praktizierte Beschneidung der Gläubigerrechte fordert ihren Preis. Er ist hoch.

Gleichzeitig geht das Arbitrage-Spiel ungebremst weiter. Solange die Altbestände der nationalen Schuldtitel in Euro nicht gebündelt werden, können die Märkte die nationalen Staatsschulden gegeneinander ausspielen. Frankreich und Belgien profitieren derzeit, Italien blutet. Und bei Spanien kalkulieren die Investoren mittlerweile sogar die Möglichkeit eines Euro-Ausstiegs ein. Die Europäische Zentralbank (EZB) schliesst ihn jedoch kategorisch aus.

Rettungsmassnahmen werden hintertrieben

Unübersehbar ist aber auch, dass Zentralbank und Brüssel eine Implosion nicht riskieren wollen. Ebenso wenig wird die Vorstellung akzeptiert, dass sich Griechenland «somalisiert». Der unverkennbare Wunsch im Norden nach einem «Ende mit Schrecken» wird kaum in Erfüllung gehen. Nach allen bisherigen Erfahrungen werden Rettungsmassnahmen jedoch auch künftig umgehend hintertrieben werden. Auf jeden Fall wird die Unsicherheit anhalten.

Vor diesem Hintergrund steckt Südeuropa derzeit unübersehbar in einer Rezession, Frankreich – wo die Arbeitslosenrate an der drei Millionen-Grenze schrammt – und Grossbritannien (-0,7 Prozent Bruttoinland zum dritten Mal hintereinander) faktisch auch.

Schwellenländer mit Problemen

Nordeuropa hält sich dagegen knapp im Plus. Wie lange noch, ist jedoch höchst ungewiss. Die aufstrebenden Märkte in Asien und Südamerika, die bislang alles kompensiert haben, kämpfen derzeit mit dem Problem stark gestiegener Währungen und anziehender Löhne.

Der brasilianische Real ist um 30 Prozent überbewertet. Die Arbeitskosten in Bulgarien – notabene! – sind derzeit halb so hoch wie in China. Zur stillen Freude einiger westeuropäischer Textilunternehmen, die in Bulgarien fertigen lassen. Dank massiv gestiegener Dollar-Notierungen verdienen sie auch endlich wieder ordentlich im aussereuropäischen Export-Geschäft.

Uhrenindustrie geht es glänzend

Der relativ vernünftige Dollar-Kurs hilft nicht zuletzt den Schweizer Unternehmungen. Die Uhrenindustrie (Swatch, Richemont) verdient bislang glänzend, Roche übertraf souverän die Erwartungen. Novartis, Nestlé, ABB und die Spezialunternehmungen im zweiten Glied halten ihre Form.

Die starke Marktmacht der grossen europäischen Konsumgüterunternehmen (wie Adidas, LVMH, Unilever) hält margenseitig das Wachstum stabil. Hier zeigt sich nicht zuletzt der Denkfehler der Austeritätsayatollahs. Die Löhne zu senken, ist nicht weiter schwierig. Aber die Preise sinken eben nicht. Vielmehr nutzen die Unternehmungen die sinkenden Löhne, um ihre Margen zu verbessern.

Billige Energie

Stark exportlastige Unternehmungen in den USA wie Caterpillar (Erdbewegungsmaschinen) legen eindrückliche Halbjahresergebnisse vor, nehmen aber ihre Jahresendprognosen zurück. Eben auf Grund der weltweit verhaltenen Wachstumsaussichten. CEO Doug Oberhelman sprach an der Bilanzkonferenz von einem «blutleeren» Weltwirtschaftswachstum in den nächsten 12 bis 24 Monaten.

In den USA selber sorgt die Schiefergaserschliessung für billige Energie und eine nicht weniger willkommene Entlastung der Handelsbilanz dank rückläufiger Energie-Importe. Die Arbeitslöhne liegen mit 35 Dollar pro Stunde mittlerweile massiv unter den deutschen und französischen Löhnen (48 Dollar).

Überalterte Stromnetze

Diese beiden Faktoren verhelfen der verarbeitenden Industrie in den USA zu einem markanten Wettbewerbsvorteil. Dank der gelungenen Chrysler-Übernahme kompensiert Fiat heute in den USA, was es in Europa an Boden verliert.

Der Druck auf den verfügbaren Einkommen – in Europa, aber auch in den USA – trägt sicher nicht dazu bei, die Nachfrage nach Konsumgütern zu stimulieren. Besser sieht es bei einzelnen Investitionsgüterherstellern aus. Etwa bei den Kabelfabrikanten Nexans oder Prysmian (vormals Pirelli). Sie profitieren vom Ausbaudruck, der auf den überalterten Stromnetzen lastet.

Gelegentliche Handelsopportunitäten

Gute Aussichten sollten auch die renommierten IT-Service-Unternehmen wie Altran, Atos-Origin oder Cap Gemini haben. Die lang verschmähten Telecom-Werte stehen vor einer verbesserten Visibilität, seit die gelegentlich fundamentalistische EU-Kommission eine marktgerechtere Investitionssicherheit in Aussicht stellt.

Im Obligationensegment bieten sich gelegentlich Handelsopportunitäten bei nachrangigen Bank- und Versicherungsanleihen, die derzeit im grösseren Stil zurückgekauft werden. Besonders von Intesa-San Paolo und Unicredit. Investitionsgelegenheiten bieten Staatsanleihen aus den Emerging Markets in amerikanischen Dollar. In Lokalwährungen sind Emerging-Markets-Anleihen dagegen zur Zeit kein Kauf.

Sicherste Investitionsform

Anleihen gut geführter Unternehmungen bleiben weiterhin die sicherste Investitionsform. Regierungsanleihen sind nur etwas für Anleger mit starken Nerven.

Das Gold wird in diesem Jahr kaum mehr vom Fleck kommen. Bei den Agrarrohstoffen sind die Konsequenzen der Dürre in den USA zu berücksichtigen.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.5%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    19.19%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    27.86%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.24%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.21%
pixel