Der Plan einer europäischen Bankenunion stelle die Schweizer Akteure vor grosse Herausforderungen, findet Martin Hess von der Schweizerischen Bankiervereinigung. 

Martin_Hess_119x168_2Martin Hess ist Leiter Wirtschaftspolitik bei der Schweizerischen Bankiervereinigung

Geht es nach der EU-Kommission, so soll kurzfristig die Europäische Zentralbank (EZB) mit Aufsichtskompetenzen ausgestattet und langfristig eine Bankenunion errichtet werden. Der Tenor der Kommentare zu den Vorschlägen war bisher «ja, aber», wobei insbesondere «aber» in den Vordergrund gerückt wurde.

Wie üblich bei grossen Würfen, gibt es tausend Gründe, etwas nicht zu tun. Mich ärgert jeweils, wenn ein im Grundsatz gutes Projekt durch Einsprachen lahmgelegt wird.

Ziele und Kritik in den nächsten Tagen

Das Handling der zugegebenermassen komplexen Krise in Europa war bis anhin nicht über alle Zweifel erhaben. Ich habe insbesondere grundsätzliche Bedenken zur Ausgestaltung der Rolle des Staates in einem freien Markt und zur Kompetenzverteilung zwischen den Behörden. Ich muss deshalb zugeben, dass auch ich mich beim Vorschlag der Bankenunion im «ja, aber»-Lager befinde.

Die Ziele der Integration, des Schutzes der Steuerzahler, die Wiederherstellung des Vertrauens in den Bankensektor sind zwar allesamt unbestritten. Die Liste der Kritiken ist noch länger und wird heute und in den nächsten Tagen breit diskutiert.

In diesem Zusammenhang ist die Schweiz in dreierlei Hinsicht direkt betroffen – so die Vorschläge denn überhaupt umsetzbar sind und wie geplant umgesetzt werden:

  • Wirtschaftliches Umfeld: Gelingt es der EZB, die Finanzstabilität sicherzustellen und so zur Stabilisierung der Staatsfinanzen beizutragen?
  • Monetäres Umfeld: Wie wirken sich die anspruchsvollen und hochpolitischen Zusatzaufgaben und die damit einhergehende Minderung der Unabhängigkeit der EZB auf die hiesige Geldpolitik aus, die von Frankfurt wesentlich mitbestimmt ist?
  • Wettbewerbsumfeld: Wie verändern sich die Finanzmärkte und die Geschäftsaktivitäten unserer Banken in einer EU, in denen die Aufsicht nicht mehr von nationalen Interessen getrieben sein soll, sondern als Block funktionieren soll?

Die verschiedenen Schweizer Akteure werden durch diese Fragen vor grosse Herausforderungen gestellt. Beunruhigend dabei ist nicht die Reichweite des Vorschlags an sich. Beunruhigend ist vielmehr, dass hier ein Plan, der aus kurzfristiger Notwendigkeit geboren wurde, als strategische Weichenstellung dargestellt wird.

Längerfristige Nebenwirkungen

Die bisherigen Anstrengungen der EU waren geprägt von der Vermischung von Krisenmassnahmen und strukturellen Verbesserungen. Dies wird im Frage- und Antwortkatalog der EU-Kommission exemplarisch illustriert: Auf die Frage wieso der Vorschlag notwendig ist, wird als erstes auf die gegenwärtigen Risiken verwiesen, die sich aus der gegenseitigen Abhängigkeit von Banken und Staat ergeben.

Hier ergibt sich eine Zeitinkonsistenz: Krisenmassnahmen bewirken in der kurzen Frist Gutes unter Inkaufnahme von längerfristigen Nebenwirkungen. Strukturelle Änderungen hingegen haben ihren Preis für die bessere Erreichung der gesteckten Ziele. Es ist in den wenigsten Fällen möglich, mit einer einzigen Massnahme kurz- und langfristige Ziele ohne Abstriche zu erreichen.

Wird die Möglichkeit vorgegaukelt, zwei Fliegen mit einem feinen Schlag zu treffen, werden früher oder später Erwartungen enttäuscht und Vertrauen verspielt. Und die Schweiz hängt mittendrin.