Was ein wartendes Taxi am Bahnhof mit der Bankenregulierung zu tun hat, reflektiert Markus Staub von der Schweizerischen Bankiervereinigung in seinen Betrachtungen.

Markus_StaubVon Markus Staub, Leiter Bankenpolitik/Bankenregulierung, Schweizerische Bankiervereinigung

Ein erschöpfter Reisender kommt nach verschiedenen Strapazen und mit umfangreichem Gepäck endlich am Bahnhof an. Trotz später Stunde erblickt er am Taxistand mit Erleichterung ein einziges Taxi, das ihn ans ersehnte Ziel seiner Reise bringen soll.

Doch der Taxifahrer will ihn nicht mitnehmen, weil lokale Vorschriften verlangen, dass zu jedem Zeitpunkt mindestens ein Taxi am Taxistand zur Verfügung stehen muss. Finden Sie das absurd?

Puffer gegen Liquiditätsstörungen

Glücklicherweise handelt es sich beim geschilderten Phänomen nicht um eine typische Alltagserscheinung. Mir ist so etwas bisher mindestens nicht passiert. Stattdessen entstammt die Episode einem Artikel des renommierten Ökonomen Charles Goodhart über das Management von Liquiditätsrisiken in Banken (Liquidity Risk Management, Financial Stability Review, Banque de France, Februar 2008).

Mit seiner als «Goodhart's Taxi» bekannt gewordenen Anekdote weist er darauf hin, dass – übrigens analog zum Eigenkapital – eine Bank im Problemfall ihre Liquiditätsausstattung muss benützen dürfen, die sie gerade als Puffer gegen Liquiditätsstörungen halten muss: «Required liquidity is not true, usable liquidity».

Flexibles Design

Genau so wie das vermeintliche «Reserve-Taxi» in der Metapher nichts nützt, wenn es nicht benutzt werden kann, wäre eine bankenregulatorische Vorschrift fragwürdig, die einer Bank die Inanspruchnahme ihrer eigenen Liquiditätsreserven nicht oder nur unter unverhältnismässigen Nachteilen gestattet.

Die Möglichkeit entsprechender Ausnahmen respektive temporärer Erleichterungen sowie ein entsprechend flexibles Design sind unerlässliche Aspekte für die Ausgestaltung der neuen Liquiditätsregeln.

Weichen richtig gestellt

Diesbezüglich und im weiteren Zusammenhang mit der Umsetzung von Basel III laufen in der Schweiz zur Zeit öffentliche Anhörungen des Eidgenössischen Finanzdepartements und der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht zu vorgesehenen Verschärfungen der Liquiditätsregulierung für Banken (Verordnung und Rundschreiben). Auch wenn dieses Paket noch nicht die vollständige Umsetzung der Liquiditätskomponenten von Basel III beinhalten wird, dürften wesentliche Elemente und Leitplanken bereits jetzt zementiert werden.

Vor diesem Hintergrund ist es für unseren Finanzplatz von zentraler Bedeutung, dass die relevanten Weichen nun vom Finanzdepartement und von der Finma richtig gestellt werden. Dazu gehört insbesondere auch, dass ein übermässiges Vorpreschen der Schweiz relativ zur - gelinde ausgedrückt – zögerlichen Umsetzung auf Vergleichsfinanzplätzen verhindert wird. Vielmehr ist der Rhythmus der schweizerischen Inkraftsetzung weiterhin eng mit der Zeitplanung des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht zu synchronisieren.

Geeignete Diversifizierung

Zudem: Die internationalen Standards des Basler Ausschusses sind bekanntlich auf «international tätige» Banken ausgerichtet. Gerade weil wir in helvetischer Regulierungstradition auch die neuen Liquiditätsbestimmungen flächendeckend auf den ganzen Bankensektor anwenden, ist eine geeignete Differenzierung zwischen verschiedenen Instituten gerechtfertigt und nötig.

Vor allem auch bei den qualitativen Anforderungen an das entsprechende Risikomanagement ist eine differenzierende Ausgestaltung angezeigt (Proportionalitätsprinzip). Systeme zur Risikomessung und -steuerung, Stresstesting und Notfallkonzept sind die Stichworte.

Speziell mit Blick auf die erheblichen Unterschiede bezüglich Systemrelevanz ist meines Erachtens unverzichtbar, dass die neue Liquiditätsregulierung eine weitgehende Abstufung zwischen verschiedenen Kategorien von Instituten ermöglicht: «One size does not fit all».