Wegen der Dominanz der Banken und Versicherungen könnte die Schweiz die Chance verpassen, sich als Standort für Asset Management zu etablieren.

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International werde die Schweiz nur als herausragender Standort fürs Wealth Management und fürs Privatebanking wahrgenommen, sagt Marco Chinni (Bild). Im Asset Management aber laufen ihr New York, Bosten, Paris, Frankfurt, London immer noch den Rang ab.

Der erfahrene Finanzmann ist Gründer und CEO von Primecoach, einem Beratungsunternehmen mit Fokus auf die Fonds- und Asset-Management-Industrie. Als Branchenbeobachter macht er drei Hauptschwächen des Finanzplatzes Schweiz aus:

Problem 1: Es hapert bei der Regulation

Heute würden nur Institutionen wie Fondsleitungen, Banken, Versicherungen beaufsichtigt. Und weil alle drei Assetmanagement-Dienstleistungen erbringen, werde das Asset Management heute «ein bisschen im Kollektivanlagegesetz, ein wenig im Banken- und ein wenig im Versicherungsaufsichtsgesetz geregelt».

Das sei das Handicap Nummer eins, um sich international als Asset-Management-Platz zu profilieren. Dieses Flickwerk schaffe international Ungleichheiten. So würde es einem Asset Manager mangels Regulierung etwa verunmöglicht, einen Vermögensverwaltungsauftrag einer deutschen Pensionskasse zu erhalten.

Chinni fordert daher eine «funktionale Gesetzgebung» anstatt einer, die sich an den Institutionen orientiert: «Die kleinen Anbieter wehren sich zwar dagegen, doch will die Schweiz international mithalten, tut eine einheitliche Regulierung der Asset Manager Not», sagt Chinni. Egal, welches Institut den Service erbringt – wer Assets managt, müsste die gleichen Regeln befolgen. 

Problem 2: Neues Entschädigungsmodell und fehlende Transparenz

Es geht Chinni nicht einfach um besseres Prospektmaterial für den Kunden. Die Finanzbranche stehe vielmehr vor der Herkulesaufgabe, das Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen. Der Weg dorthin läuft laut ihm nur über «Vertrauen» und «Transparenz». Um Enttäuschungen vorzubeugen, müssten auch falsche Erwartungen der Anleger korrigiert werden. Laut dem erfahrenen Branchenvertreter führt kein Weg an der Aufklärung der Kleinanleger vorbei.

Die Branche ist nicht zuletzt deswegen zum Umdenken gezwungen, weil das traditionelle Entschädigungsmodell wegbreche, erklärt Chinni: «Letztlich läuft es auf eine Umstellung des Gebührensystems hinaus – weg vom Produzenten, hin zur Distribution.»

Heute finanziert sich der Vertrieb mittels Retrozessionen, die ihm der Produzent zugesteht. Der Kunde zahlt hohe Gebühren, deren Zusammensetzung er nicht nachvollziehen kann. Damit der Kunde künftig dazu bereit ist, für die Beratungsleistung zu zahlen, die er am «Point of Sales» erhält, muss er laut Chinni verstehen können, welche Leistung der Berater erbracht hat. «Da beisst sich die Katze in den Schwanz.»

Problem 3: Es fehlt ein Alleinstellungsmerkmal

Letztlich fehle es der Schweiz an einer Asset-Management-Strategie, meint Chinni. Dies zu beheben sei ein Unterfangen für die nächsten 10 Jahre.

Heute würden alle Anbieter mit den gleichen Produkten auf den Markt stossen. Jeder noch so kleine Anbieter lanciere seinen eigenen «Swiss» oder «European Equity Fund» und versuche sich mit möglichst kleinen Tracking Errors zu profilieren. Dabei würden passive Produkte wie die ETFs ihren Siegeszug fortsetzen.

Die Malaise reicht tief: In der Schweiz fehle es noch weitestgehend an Arbeitsteilung im Asset-Management-Geschäft. Es gebe immer noch wenig Standardisierung. Dabei werde mit zunehmender Transparenz auch der Kostendruck zunehmen.

Die Ursache: die Dominanz der Banken und Versicherungen

Die Ursache für den Rückstand im Vergleich zu anderen Finanzzentren ortet Chinni in der Branchenstruktur: «Heute dominieren Versicherungen und Pensionskassen das Asset Management in der Schweiz.» 

Das Florieren dieser Branchen habe bislang die Weiterentwicklung des Geschäfts mit der Vermögensverwaltung für institutionelle Investoren verhindert.

«Es fehlen unabhängige Anbieter, die Innovatoren»

«Es fehlt bisher dem Schweizer Asset-Management-Angebot an Breite und Tiefe.» Chinni bedauert insbesondere das Fehlen von unabhängigen Anbietern.

«Kleine und mittelgrosse Asset Manager sind als Innovatoren dringend notwendig.» Dabei werde sich künftig jeder Marktteilnehmer die Frage stellen müssen: «Make or Buy?»

«Financial Literacy»

Er will mit seiner Beratungsfirma zugleich einen eigenen Beitrag zur Behebung des Informationsgefälles zwischen Anleger und Anbieter leisten: Zusammen mit dem Verband der Berufsschulen und der Universität Lugano hat Prime Coach ein Pilotkonzept entwickelt, um Jugendlichen Finanz-Know-how zu schulen.

Dieses Konzept liegt derzeit unter dem Label «Financial Literacy» beim Bundesamt für Berufsbildung und Technologie zu Prüfung auf dem Tisch.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.35%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.77%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.83%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.41%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.64%
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