Der IWF-Stabilitätsbericht war früher ein unfokussierter Ausfluss einer Hand voll Ökonomen und heute Pflichtlektüre, findet Martin Hess von der Bankiervereinigung.

Martin_Hess_119x168_2Martin Hess ist Leiter Wirtschaftspolitik bei der Schweizerischen Bankiervereinigung

Der Grundtenor des dieser Tage vorgestellten Berichts des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist ein Augenöffner für all jene, die sich ob aller Massnahmenpakete und Lockerungsübungen der Zentralbanken auf dem richtigen Weg wähnten. Die Hauptmessage des Stabilitätsberichts ist klar: Die Risiken sind in den letzten sechs Monaten gestiegen, nicht gesunken.

Das grösste Risiko für die globale Finanzstabilität geht von einer weiteren Verschärfung der Krise in der Eurozone aus. Zwar scheint die akute Gefahr eines kurzfristigen Zusammenbruchs der Eurozone kurzfristig gebannt. Im Hinblick auf den Finanzsektor ist eine nachhaltige Trendumkehr jedoch nicht absehbar.

Kreditverknappung und weitere Belastungen

Aus den peripheren Euroländern wurde in den letzten zwölf Monaten Kapital im Umfang von rund 10 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) abgezogen. Zudem führt die Bilanzverkürzung der europäischen Banken zu einer Kreditverknappung und so zu weiteren Belastungen für die Wirtschaftsentwicklung.

Besonders wertvoll am aktuellen Bericht scheint mir der ungewöhnlich kritische Blick auf Japan und die USA, deren Risiken im grossen Schatten der Turbulenzen in Europa zu verschwinden drohen und auch in den ersten Pressekommentaren geflissentlich übergangen wurden.

Japan wie Europa

Wie in Europa ist auch in Japan und den USA das tiefe Zinsniveau das zentrale Element, das eine Eskalation trotz hohen Schuldbeständen vorerst verhindert. Als Folge davon bauen sich jedoch beträchtliche Zinsrisiken auf.

In Japan reicht auf Grund der hohen Bestände an Staatsanleihen bei den Regionalbanken mittlerweile bereits eine Zinserhöhung um ein Prozent, um durch die entsprechenden Kursverluste deren hartes Eigenkapital um rund zwanzig Prozent schrumpfen zu lassen. Die Verquickung von Banken und Staatsschulden geht in die gleiche Richtung wie in Europa.

In den USA haben die Massnahmen der Federal Reserve zu historisch tiefen Risikoprämien und dem Aufbau entsprechender Risiken geführt. Sorgen bereitet hier dem IWF vor allem der Optimismus der Märkte über den Zustand der USA trotz drohendem Ende der Steuererleichterungen (Fiscal Cliff), die eine Wachstumsverlangsamung zur Folge hätte. So wird im Markt beispielsweise mittelfristig von einem stärkeren Dollar ausgegangen, obwohl die expansive Politik der Fed das Gegenteil zur Folge haben sollte.

Schweiz als Musterschülerin

Die Schweiz nimmt wieder einmal die Rolle der Musterschülerin ein und leistet somit ihren Beitrag zur globalen Finanzstabilität. Die Banken befinden sich gemäss IWF lediglich bei der Leverage Ratio und der Ertragslage im roten Bereich.

Die Situation bei der Leverage Ratio ist dahingehend zu relativieren, als der IWF gleichzeitig der Schweiz auch die Maximalnote in Bezug auf Fortschritte bei der Verstärkung der Eigenmittelbasis respektive bei der Implementierung der Basler Standards zugesteht. In Zeiten allgemeiner Verunsicherung ist die dokumentierte Stabilität ein starkes Zeichen im internationalen Standortwettbewerb.

Kostensteigerungen eindämmen

In Bezug auf die Verbesserung der Ertragslage unternehmen die Banken grosse Anstrengungen, die wie im aktuellen Fall von Julius Bär, bisweilen auch breit in der Öffentlichkeit dokumentiert sind. Zentral für die Stärkung der Ertragslage der Banken und somit des Wirtschaftsstandorts Schweiz ist, dass die Behörden auch in Zukunft ihren Beitrag dazu leisten.

Wenn die Schweizer schon regulatorische Musterschüler sind und entsprechende Kosten tragen müssen, ist es nun umso wichtiger, dass durch administrative Vereinfachungen die Kostensteigerungen eingedämmt werden können.