In einer Serie unterhalten sich Christian Katz, CEO der SIX Swiss Exchange, und Claude Baumann von finews.ch über brisante Themen aus der Finanzwelt.

Katz_Baumann_1

Herr Katz (im Bild rechts), Sie kommen gerade von einem Business-Trip aus New York zurück. Hat im US-Präsidentschaftswahlkampf nun Mitt Romney die Nase vorn?

Nein, voraussichtlich wird Barack Obama gewinnen. Für den republikanischen Herausforderer ist der Zug gemäss den meisten US-Beobachtern wohl bereits abgefahren. Es gibt auch eine Reihe Untersuchungen, die besagen, dass wenn jemand einen so grossen Vorsprung hatte wie Obama, er die Wahlen auch gewinnen wird.


«Druck auf die Schweiz wird sich fortsetzen»


Daran ändert eine überraschend zu Gunsten Romneys ausgefallene Fernsehdebatte nichts. Romney hat seine Chancen schon schon relativ früh gefährdet, indem er verschiedentlich widersprüchliche Aussagen machte.

Obama oder Romney – wer wäre als nächster US-Präsident für die Schweiz besser?

Aus meiner Sicht macht dies vorerst keinen grossen Unterschied. Beide werden den Druck auf die Schweiz fortsetzen, weil sie respektive ihr Land dringend Geld brauchen. Den Amerikanern geht es in der Steuerfrage auch nicht vorderhand um Gerechtigkeit, wie beispielsweise den Deutschen oder den Franzosen.


«Skepsis zur Wirtschaftsstärke»


Die Amerikaner wollen monetäre Entschädigung sehen und darüber hinaus ihren Grossbanken helfen, sich gegen ihre Schweizer Konkurrenz im Private Banking durchzusetzen. Da geht es knallhart um Marktanteile.

Das spricht nicht unbedingt für die Souveränität der USA.

Die Befindlichkeit der Amerikaner ist derzeit höchst fragil. Als vor wenigen Tagen die neusten, überraschend guten Arbeitsmarktdaten publiziert wurden, hiess es sogleich, die Obama-Verwaltung hätte sie manipuliert. Mit anderen Worten: Es dominiert mittlerweile eine weit verbreitete Skepsis zur eigenen Wirtschaftsstärke. Viele Amerikaner sind kaum im Stande, jeglichen «good news» zu trauen.


«Unter den Teppich gekehrt»


Woran liegt das?

Seit die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) angekündigt hat, die Zinsen bis 2014/2015 nicht mehr anzuheben und die Märkte mit enormen Mengen an Liquidität zu fluten, haben sich viele Amerikaner auf ein vorerst längeres Durchwursteln eingestellt – «muddling through», nennt man das – immer im Wissen, dass die Probleme dadurch in keiner Weise gelöst werden. Sie werden bloss unter einen «monetären Teppich» gekehrt.

Was hat das für Folgen?

An der Wall Street ist die Stimmung momentan sehr schlecht. Besonders im Handel mit Aktien und Aktienderivaten herrscht ein totaler Volumenkollaps, weil die Kunden zu weiten Teilen inaktiv sind. Sie glauben noch nicht an eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung.


«Entsetzliches Aufwachen»


Das Handelsvolumen liegt derzeit auf einem Acht-Jahrestief. In den Banken herrscht eine lange nicht dagewesene Depression, die mittlerweile selbst den härtesten Mitarbeitenden zusetzt.

Dabei ist die Börsenentwicklung allgemein gar nicht so schlecht.

Richtig, für manch einen Anleger wird es Ende Jahr ein entsetzliches Aufwachen geben, wenn er feststellt, dass er 2012 ein Plus von 10 bis 15 Prozent verschlafen hat. Seit vielen Monaten steigen die Kurse – doch irgendwie scheint das kaum jemand wahrzunehmen. Die Handelsvolumen sind so gering wie schon lange nicht mehr.


«Keine neuen Tiefststände»


Wird es nächstes Jahr besser?

Vielleicht werden wird 2013 keine neuen Tiefststände im Wertschriftengeschäft sehen, aber an eine grosse wirtschaftliche Erholung glauben die Wirtschaftsführer, die ich in den USA getroffen habe, vorerst nicht, da ja die vielen Probleme – wie das Haushaltsdefizit, die Überschuldung und die Arbeitslosigkeit – nicht angepackt werden.

Und in Europa?

Auch die EU scheint nicht in der Lage zu sein, ihre strukturellen Probleme zu lösen. Diese Einsicht setzt sich inzwischen auch bei den Amerikanern durch, seit die Europäische Zentralbank (EZB) unter Präsident Mario Draghi vor kurzem angekündigt hat, spanische sowie italienische Bonds in unbegrenztem Mass aufzukaufen.


«Monetäres Durchwursteln»


So werden die Probleme ebenfalls nicht gelöst, sondern man schwenkt mindestens für die nächsten zwei Jahre auf den amerikanischen Kurs des monetären Durchwurstelns ein. In diesem Umfeld fehlt den Märkten die nötige Disziplinierung von privater Seite.


Christian_Katz_180_2Christian Katz leitet innerhalb der SIX Gruppe den Geschäftsbereich Swiss Exchange. Dieser betreibt die Schweizer Börse SIX Swiss Exchange sowie das Joint-Venture Scoach, die europaweit erste spezialisierte Börsenorganisation für strukturierte Produkte. Zudem verantwortet er den europäisch führenden Indexanbieter STOXX, sowie die Swiss Fund Data.

Vor seinem Eintritt Anfang 2009 führte der 44-jährige Christian Katz das Representative Office von Goldman Sachs in der Schweiz, wo er sich auf das institutionelle Aktien- und Aktienderivatgeschäft fokussierte. Zuvor war er acht Jahre für J.P. Morgan Chase tätig.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.62%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.52%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.29%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.14%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.43%
pixel