Viele Beobachter prophezeien den unabhängigen Vermögensverwaltern eine massive Schrumpfung. Anders sieht es Markus Walliser, Executive Consultant von FS Associates.

Markus Walliser, Executive Consultant von FS Associates.

Herr Walliser, man hat den Eindruck, dass Bewegung in den Markt der unabhängigen Vermögensverwalter in der Schweiz kommt. Welches sind die wesentlichen Treiber und die folgenreichsten Trends im Private Banking?

Die Erträge. Bei den drei Faktoren – Kunden, Kosten, Erträge – waren in der Vergangenheit praktisch nur bei den Kosten spürbare Veränderungen vorgenommen und festgestellt worden. Die Bedürfnisse und Ansprüche der Kunden sind so individuell, wie sie immer waren.

Die Kosten sind trotz massiven Rationalisierungen und Prozessoptimierungen gestiegen. Die Erträge, deren Struktur und Qualität konnten während Jahren nachhaltig gehalten oder sogar gesteigert werden. Das hat sich geändert und wird sich weiter ändern: Die Erträge nehmen ab.

Werden die Kunden preisbewusster?

Nicht mehr und nicht weniger, als dies immer der Fall war. Ein viel wichtigerer Grund für die Abnahme ist die Struktur der Erträge. Private Banking als Dienstleistung wurde traditionell entschädigt über Bestände und Bewegungen.

Die Industrialisierung der Branche und damit die Unterteilung in Produktion, Vertrieb und Beratung hat daran nichts geändert. Die Abnahme von Beständen und der Rückgang von Transaktionen, zum Beispiel weil effizientere Instrumente wie ETF’s etcetera zur Verfügung stehen, führen zu einer deutlichen Reduktion der Erträge.


«Jetzt sind die Personalkosten tangiert»


Wie reagiert die Branche darauf? Werden Preise erhöht? Werden neue Gebührenmodelle eingeführt? Wird die Beratungsgebühr durchgesetzt? Werden die Kosten reduziert?

Im Zuge der Industrialisierung bei den Banken wurden die operativen Kosten über Rationalisierungen und Prozessoptimierungen bereits soweit wie möglich reduziert. Die Kosten werden eher steigen – Regulierung, Compliance, IT. Jetzt werden die Personalkosten ernsthaft tangiert – unabhängig von der sogenannten Weissgeldstrategie.

Woran denken Sie konkret? Personalkosten in Produktion, Vertrieb oder Beratung?

Die Prozesse und Abläufe wurden kontinuierlich optimiert. Wenn die zum Teil erschreckend hohen Cost-/Incomeratios im Private Banking substantiell nach unten korrigiert werden müssen, ist dies nur über den Front- und Beratungsaufwand möglich.

Der Beratungsaufwand wird nach wie vor nicht separat entschädigt. Es liegt auf der Hand, dass der Hebel nun bei den Fixkosten und beim Personalaufwand angesetzt wird.


«Kernfrage: Wem gehört der Kunde?»


Damit ist die Nahtstelle zum Kunden tangiert. Ist das Risiko nicht viel zu gross, Kunden zu verlieren?

Damit sind wir bei der Kernfrage: Wem gehört der Kunde? Diese Frage muss intensiver untersucht werden, als dies hier möglich ist. Nur so viel: Die Beziehung zur Bank ist in vielen Fällen wichtiger, als man annimmt. Das zeigt sich bei Wechseln von Kundenberatern zu einer anderen Bank.

Anders ist die Situation, wenn sich ein Berater mit langjährigen Kundenbeziehungen selbständig macht. Hier ist die Chance höher, dass der Kunde mitzieht, weil er beides behalten kann: Den Berater – und dies erst noch mit grösserer Aussicht auf Kontinuität – und die Bank.


«Outsourcing der Beratung?»


Was schliessen Sie daraus?

Versetzen wir uns in die Lage eines Private Banking-Verantwortlichen, Cost-/Incomeratio 80:20, die Erträge kommen nachhaltig unter Druck – um 30 Prozent oder noch mehr – und stammen nach wie vor aus Bestandes- und Umsatzgrössen. Eine naheliegende Möglichkeit wäre: «Outsourcing der Beratung».

Wir behalten Bestände und Umsätze, aber reduzieren den Beratungsaufwand, das heisst, wir unterstützen erfahrene Anlageberater mit langjährigen Kundenbeziehungen beim Schritt in die Selbständigkeit und vereinbaren langfristig, dass das Depot und die Transaktionen bei uns bleiben.

Kunden, die Wert auf die Beziehung sowohl zum Berater, als auch zur Bank legen, sind befriedigt und die Bank reduziert den Personalaufwand.


«Für den Kunden wird's teurer»


Eine Win-Win-Situation?

Auf den ersten Blick, ja. Für den Kunden wird es aber teurer. Er bezahlt bei einem Wechsel zu einem unabhängigen Vermögensverwalter zusätzlich für die Beratung, auch wenn kein Mandat erteilt wird. Ob er dazu bereit ist? Wenn Sie Kundenberatern zuhören, wie intensiv ihre langjährige Beziehung zu einzelnen Kunden sei, müsste man wohl die Frage mit ja beantworten.

Die Folge einer solchen Entwicklung wäre dann: Entgegen der vielfach geäusserten Erwartung, dass sich die Zahl unabhängiger Vermögensverwalter in der Schweiz halbieren wird, trifft das Gegenteil ein: Die Anzahl unabhängiger Vermögensverwalter in der Schweiz wird sich in den kommenden Jahren verdoppeln.


«Es besteht Handlungsbedarf»


Welche Auswirkungen hätte eine solche Entwicklung auf die Branche der unanhängigen Vermögensverwalter in der Schweiz?

Zunächst muss festgehalten werden, dass wir bisher mit keinem Wort über die Qualität der Dienstleistung – oder des Produkts? – Private Banking gesprochen haben. Wenn wir provokativ die Formulierung «Outsourcing der Beratung» für die Situation einer unter Kostendruck geratenen Bank verwendet haben, so gilt umgekehrt, dass die Schnittstelle zum Kunden bei einem unabhängigen Vermögensverwalter das einzige Glied in der Wertschöpfungskette ist, das nicht ausgelagert werden kann.

Unabhängigkeit, Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Anlagepolitik sind Voraussetzungen, die auch kleine Unternehmen und sogar «Aussenstellen» von Banken erfüllen können. Aus Alters- und Kostengründen sowie aufgrund von künftigen aufsichtsrechtlichen Massnahmen ist damit zu rechnen, dass im Durchschnitt die Anzahl Mitarbeitender einer Vermögensverwaltungsfirma auf rund fünf oder mehr steigen wird. Die Chancen für eine weiterhin blühende Branche sind absolut in Takt, aber es besteht Handlungsbedarf.


finews.ch wird die Diskussion von fünf Thesen mit Vertretern von FS Associates, Inc. fortsetzen.

Nächste Folge: «Der Unternehmenswert einer Vermögensverwaltungsfirma ist gleich Null» mit Leo Th. Schrutt, Executive Consultant von FS Associates Inc.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.26%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.79%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.91%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.28%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.76%
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