Auf Grund des zyklischen Aufschwungs in Europa bestehe nicht mehr genügend Leidensdruck, um die noch nötigen Reformen zu realisieren. Das sei sehr gefährlich, sagt Axa-Strategin Christina Böck.  

Christina Böck ist ‹CIO Switzerland & Head Solution Strategists Central Europe› bei Axa Investment Managers. Ihre Kolumne für finews.ch erscheint monatlich.

Die Arbeitsmärkte in der Eurozone haben sich von der Doppelrezession von 2008 bis 2013 einigermassen erholt. Doch die Arbeitslosigkeit bleibt sehr hoch, und das Gehaltswachstum ist schwach.

Daher lautet nun die Schlüsselfrage: In welchem Ausmass kann die Beschäftigungslage die europäische Erholung überhaupt stützen? Und besonders: Wieviel Unterstützung können wir von den Arbeitsmarktreformen erhoffen, wenn die zyklische Erholung an Dynamik verliert?

Schon sehr lange arbeitslos

Für Spanien, Italien und Frankreich gilt, dass sie durch die Krise in stärkerem Masse als andere Länder zu Reformen der Arbeitsmärkte gezwungen wurden.

Heute ist der Grossteil der verbleibenden Arbeitslosigkeit eine strukturelle, und die Betroffenen sind nun schon sehr lange arbeitslos, was ihre Wiedereingliederung sehr schwierig macht.

Geringe Mobilität in Spanien

Spanien hat früh Schritte unternommen, um seinen Arbeitsmarkt zu reformieren. Von den insgesamt 8,1 Millionen an Arbeitslosen in Europa, die auf Grund der Krisen zwischen 2008 und 2013 ihren Job verloren, stammt knapp die Hälfte aus Spanien. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Erholung gerade in diesem Land sehr stark ist.

Die Reformen von 2012 lassen sich noch nicht komplett evaluieren, aber die Reduktion der Abfindungszahlungen hat die Jobmobilität durchaus positiv beeinflusst, und die Effizienz in der Stellenvermittlung ist gestiegen. So wurden seitdem 25'000 Stellen pro Monat geschaffen, und der Saläranstieg hat sich verlangsamt.

Probleme bleiben: Rund 35 Prozent der Arbeitslosen sind dies seit mehr als zwei Jahren. Und allein 1,8 Millionen Stellen wurden im Bausektor zerstört – die Mobilität in andere Branchen stellt sich für diese Arbeitslosen als besonders schwierig dar.

Italien: «Insider» werden extrem stark geschützt

Das Arbeitsgesetz wurde erst Ende 2014 verabschiedet. Die Massnahmen lockern die Kündigungsregulierung auf und reduzieren die Anzahl verschiedener Arbeitsverträge zu Gunsten eines neuen Standard-Arbeitsvertrags, in dem der Arbeitnehmerschutz erst mit der Firmenangehörigkeit steigt.

Die Reaktionen darauf aus der Unternehmenswelt sind überaus positiv; man schätzt, dass alleine im Januar und Februar 2015 rund 275'000 neue Dauer-Arbeitsverträge unterzeichnet wurden, wovon 80 Prozent eine Umwandlung von Zeitarbeit in permanente Stellen darstellen.

So wird die «Arbeitsmarktdualität» eingeschränkt, wo «Insider» extrem stark geschützt sind und Aussenseiter in Zeitarbeitsverträgen feststecken. Diese ist besonders schädlich für die Produktivität, da geschützte Arbeitskräfte weniger produktiv sind, und weil die Firmen dazu neigen, wenig in die Weiterbildung von Zeitarbeitern zu investieren.

Die Wirkung dieser Massnahmen zeigt sich schon jetzt indirekt im starken Anstieg des Konsumentenvertrauens.

Frankreich: Grosser Optimismus nicht angebracht

In Frankreich sind die Arbeitsmarktreformen eher bescheiden geblieben und fokussieren auf die Personalkosten, insbesondere auf die Reduktion der Abgabenschere für Niedriglöhne. Es ist tatsächlich richtig, bei den Niedriglöhnen anzusetzen, denn hier ist die Elastizität am höchsten, und es werden am schnellsten neue Stellen geschaffen.

Auch wenn weitere Massnahmen ausstehen, so gibt es momentan allgemeinen einen Druck für ein französisches Arbeitsschaffungsgesetz: Die Reduktion der Anzahl unterschiedlicher Verträge sowie die Auflockerung der Kündigungsbedingungen wären dabei zwei bedeutende Schritte nach vorn, um nicht nur junge Leute die ganze Last der nötigen Flexibilität tragen zu lassen.

Angesichts der Präsidentschaftswahlen im Jahr 2017 ist grosser Optimismus hier allerdings nicht angebracht.

Mario Draghi schlägt Alarm

Heute besteht das Risiko, dass es auf Grund des zyklischen Aufschwungs in Europa nicht mehr genug Leidensdruck gibt, um die noch ausstehenden Reformen zu beschliessen und umzusetzen.

Die Europäische Zentralbank ist sich dieses Risikos bewusst, und Präsident Mario Draghi hat zu weiteren strukturellen Reformen aufgerufen.


Christina Bock 180Christina Böck studierte an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster, bevor sie einen Master in Management an der H.E.C. in Paris erlangte. Ab 1994 war sie bei der Dresdner RCM Gestion in Paris tätig. Später wechselte sie zur Allianz-Pimco-Gruppe. Zu Axa Investment Managers stiess sie 2001. Seit 2007 arbeitet Christina Böck in Zürich, als ‹CIO Switzerland & Head Solution Strategists Central Europe›.

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