Vorsorge aus der Gesamtperspektive und im Spannungsfeld zwischen Ansprüchen und Realität war Ende September das Thema einer Podiumsdiskussion, zu der B+B Vorsorge AG in St. Gallen eingeladen hatte.

Der gesellschaftliche Wandel manifestiert sich insbesondere auch auf Seiten der Sozialarbeit. So legte Regierungsrätin Kathrin Hilber dar, dass der Bedarf an professionellen Kräften wachse. Die älter werdende Bevölkerung habe heute höhere Ansprüche. Da die nachgefragten Leistungen immer teurer werden, muss die öffentliche Hand immer mehr auffangen.

Die Vorsorgeeinrichtungen stehen vor der Herausforderung, dass zwischen dem aktuell tiefen Zinsniveau und den langfristigen Verpflichtungen beim bestehenden Umwandlungssatz eine Differenz besteht und sich diese durch steigende Verwaltungskosten noch ausweite, erläuterte Roger Baumann, Gründungspartner der c-alm AG, St. Gallen.

Ruf nach neuen Instrumenten

Der Wunsch vieler Arbeitnehmenden nach mehr Flexibilität hinsichtlich des Rentenalters, sei ernst zu nehmen, sagte Kathrin Hilber weiter. Da dies angesichts der steigenden Lebenserwartung und der entsprechend längeren Leistungsdauer aber kaum mehr finanzierbar sei, brauche es neue Instrumente, wie sie meinte.

Dominik Frei, Leiter Branchenpolitik in der Geschäftsleitung der Gebäudehülle Schweiz, der Arbeitgeberorganisation der Schweizer Gebäudehüllen-Unternehmen, wies in diesem Kontext auf das flexible Vorruhestandsmodell (VRM) hin, das die Organisation vor einigen Jahren eingeführt habe und das Modellcharakter aufweise.

Im Gegensatz zu vergleichbaren Modellen, wo der Arbeitgeber 4 Prozent und der Arbeitnehmer 3 Prozent der Lohnsumme dafür aufwenden müsse, habe ihr Modell mit 0,95 Lohnprozenten für Arbeitgeber und 0,6 Prozent für Arbeitnehmer Akzeptanz gefunden. Das Modell funktioniere im Umlageverfahren.

Rentenalter zwischen 58 und 70 Jahren

Wenn die Leistungen auf dem heutigen Niveau gehalten werden sollen, gebe es allerdings nur den Weg über höhere Beiträge oder über mehr Arbeitsjahre, warf Roger Baumann ein. Andernfalls seinen Leistungskürzungen unumgänglich. Einem höheren Rentenalter würden die Versicherten heute nicht mehr so kritisch gegenüberstehen, wenn es flexibler gehandhabt werde, zeigte er sich überzeugt.

Diesem Votum schloss sich auch SP-Politikerin Kathrin Hilber an und konnte sich ein Rentenalter zwischen 58 und 70 Jahren vorstellen. Sie stellte aber in Frage, wie tragend die Solidarität zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern noch sei. Immer häufiger müsse der Sozialstaat in die Bresche springen.

So seien die Ergänzungsleistungen in den letzten Jahren um 80 Prozent gestiegen. Eine Entspannung sei nicht in Sicht, wenn man bedenke, dass die letzten Lebensjahre die teuersten sein können. Ihrer Ansicht nach müssten die Versicherten stärker animiert werden, eigenverantwortlich eine 3. Säule aufzubauen – und dies auch durch den Arbeitgeber.

Ein zukunftsweisendes Modell

Im Fall des Vorruhestandsmodells der Gebäudehülle Schweiz erfolge die Information über die Arbeitgeber, legte Dominik Frei dar. Diese würden ihre Mitarbeiter mit 45 bis 50 Jahren darauf ansprechen, ob sie nochmals eine neue Herausforderung innerhalb des Betriebs annehmen möchten – auch, um das Know-how für das Unternehmen erhalten zu können, oder ob sie im Rahmen des VRM einen gleitenden Schritt in den Ruhestand bevorzugen.

Das VRM sei nicht mit einer Frühpensionierung zu vergleichen. Vielmehr reduziere der Arbeitnehmer ab 60 Jahren beispielsweise auf 70 Prozent. Die fehlenden 30 Prozent werden dann über das VRM ausgeglichen. Die Arbeitgeber seien hier dementsprechend gefordert, sich zu überlegen, wie ihre älteren Mitarbeiter zukunftsorientiert eingesetzt werden können.

Wie viel Demokratie macht Sinn?

Die Versicherten kommen so je länger je weniger darum herum, sich mit ihrer Vorsorge auseinanderzusetzen, da sie ein immer stärkeres Mitspracherecht bekommen, wie Moderator Thomas Hengartner, Redaktor bei der «Finanz und Wirtschaft» anmerkte.

Dass das Volk allerdings bei technischen Parametern wie dem Umwandlungssatz mitbestimmen solle, sei in etwa so, wie wenn es über den Druck in einem Atomkraftwerk entscheiden solle.

Kathrin Hilber folgte dieser Argumentation. Gleichwohl müsse eine gewisse Unabhängigkeit gewährleistet sein. Sie plädierte dafür, Experten einzusetzen, die ein übergeordnetes Vertrauen im Volk geniessen und über entsprechendes Fachwissen verfügen.

Hinsichtlich der neuen Instrumente, die eine Flexibilisierung des Rentenalters erfordere, warnte Roger Baumann vor allzu grosser Kreativität und davor, das Risiko an die Rentner weiter zu geben. Dies würde eher den Ruf nach einer Abschaffung der 2. Säule und einer Stärkung der ersten verstärken. Es könne nicht darum gehen, das System aufzubrechen.

Kollektiv versus Individualität

Was die verstärkte Eigenverantwortung des Volkes in Sachen Vorsorge angehe, sieht Kathrin Hilber die Politik in der Pflicht, zumal inzwischen nicht nur die auf den Staat hoffen, die wenig haben.

Dominik Frei ist dagegen, mehr Verantwortung an die Arbeitnehmer zu übertragen. Der Mehrheit fehle es an Interesse, Zeit und Wissen, sich mit neuen Modellen zu beschäftigen. Er unterstütze dagegen die verstärkte Rolle des Arbeitgebers in dieser Fragestellung. Roger Baumann kann sich vorstellen, dass für höhere Einkommen die Flexibilität ausgebaut und mehr Risiko übertragen wird, um die Flexibilität zu finanzieren.

Ökonomisch gesehen mache dies aber für ihn keinen Sinn, da ein Kollektiv ganz andere Möglichkeiten habe als der Einzelne. Individualität koste, resümierte er. Abgesehen davon fallen die Leistungen der 3. Säule nach seiner Auffassung eher schwach aus. Wachsender Egoismus laufe überdies der Solidarität zuwider, gab Kathrin Hilber zu bedenken.

Pensionskasse als Lebensbündnis

Die bereits heute bestehenden Wahlmöglichkeiten hinsichtlich des Bezugs des Vorsorgevermögens für Wohneigentum oder der Kapitalbezug zum Zeitpunkt der Pensionierung bezeichnete Roger Baumann als Systembruch. Sie seien eher politisch motiviert gewesen. Hier müssen die Politiker die Sinnfrage stellen.

Kathrin Hilber sah die Pensionskasse als Lebensbündnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Dieses lege den Teppich für die Alterssicherung und brauche Verlässlichkeit. Entscheidend sei für sie die Aufsicht und die müsse der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer übernehmen.

Roger Bauman verglich den Stiftungsrat mit dem VR. In beiden Gremien brauche es Leute, die etwas von der Materie verstehen, und solche, die strategische Fragen beurteilen können.

Auswege aus dem Anlagenotstand

Auf der Suche nach Ertragsmöglichkeiten sollen Vorsorgeeinrichtungen auch Investitionen in staatliche Einrichtungen wie Bibliotheken im Sinne einer Public Private Partnership prüfen, regte Kathrin Hilber an. Dominik Frei sieht derzeit – wenn auch begrenztes – Potenzial bei der Investition in Sanierungen.

Für Roger Baumann stehen nach wie vor Zinsen, Mieten und Dividenden im Vordergrund. Alles andere brauche sehr viel Phantasie. Somit kämen für ihn Gold und Währungen nicht in Frage.

Grosses Finanzierungsrisiko

Zum Schluss gab Roger Baumann zu bedenken, dass das längerfristige Finanzierungsrisiko erheblich grösser sei, als die kurzfristigen Bewertungsschwankungen. Nach ihm brauche es ein halbes Prozent mehr Ertrag, wenn die Demografie aufgefangen werden soll.

Kathrin Hilber appellierte, dass die Finanzierung früh genug erweitert werden müsse, um die Langlebigkeit tragbar zu machen.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
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