Finanzwerte könnten ein interessantes Revier für Anleger werden, behauptet Tim Stevenson von Henderson Global Investors.

Tim Stevenson ist Manager des Henderson Horizon Pan European Equity Fund

Dafür sorgte erstens die US-Notenbank (Fed) mit dem Statement, sie werde noch in diesem Jahr damit beginnen, ihre Politik der quantitativen Lockerung (QE) zurückzuschrauben. Fed-Chef Ben Bernanke überraschte die Märkte mit unerwartet scharfen Tönen.

Zweitens erhielt das Vertrauen der Anleger in die Schwellenländer einen kräftigen Dämpfer – Wachstumsprognosen wurden gesenkt, Währungen verloren an Wert, und an den Kreditmärkten war eine deutliche Liquiditätsverknappung zu verzeichnen.

Nervöse Reaktionen

Europa sitzt irgendwo dazwischen. Viele hiesige Firmen sind weltweit tätig, und daher ist es wichtig zu verstehen, wer die Gewinner und Verlierer der jüngsten Entwicklungen in der Geldpolitik sind. Ungeachtet der nervösen anfänglichen Reaktion der Märkte sehe ich für Aktienanleger gute Gründe, optimistisch zu sein.

Die Tatsache, dass die Fed nun offenbar genügend Vertrauen in die US-Wirtschaft hat, um an ein Ende ihrer expansiven Politik zu denken, ist im Prinzip begrüssenswert. Die quantitative Lockerung war eine ebenso radikale wie notwendige kurzfristige Massnahme zur Stützung der Konjunktur.

Ausreichend Spielraum

Es war stets klar, dass sie schrittweise zurückgenommen werden sollte, sobald die Wirtschaft wieder Fahrt aufnahm. Bernanke hob hervor, die Fed werde erst anfangen, ihre außergewöhnlichen Anleihekäufe zu reduzieren, wenn die Arbeitslosenquote auf das angestrebte Niveau gesunken sei.

Damit hat sich die Notenbank ausreichenden Spielraum für den Fall geschaffen, dass die positiven Erwartungen für die Konjunktur nicht in Erfüllung gehen.

Negative Praktiken

In den Schwellenländern sind die Wachstumsprognosen nach unten korrigiert worden. Genau beobachtet wird der Richtungswechsel der neuen chinesischen Führung. Anscheinend ist Peking bereit, ein etwas geringeres BIP-Wachstum in Kauf zu nehmen, um negative Praktiken bei der Kreditvergabe in den Griff zu bekommen.

Das könnte einen entscheidenden Wandel bedeuten. Hätte man die Banken in den Industrieländern gezwungen, bei der Kreditvergabe ihre Möglichkeiten nicht zu überreizen, wären uns in den letzten fünf Jahren wahrscheinlich viele Probleme erspart geblieben.

Stabilisierung erkennbar

Doch was bedeutet all dies für die europäischen Aktienmärkte? Ein entscheidender Faktor ist das globale Wachstum. Die US-Wirtschaft befindet sich nach Einschätzung der Fed auf dem richtigen Weg, während in Europa eine Stabilisierung erkennbar wird.

Selbst bei einem kurzfristigen Rückgang des Wachstums auf 6 bis 6,5 Prozent sollten für die Weltwirtschaft immer noch 3 Prozent Wachstum möglich sein.

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Quelle: Bloomberg, Stand 30. Juni 2013

Von daher beurteile ich die mittelfristigen Aussichten für Aktien eher positiv. Das Spitzenfeld dürfte sich allerdings verbreitern. Zu den erfolgreichsten Titeln zählten in letzter Zeit so genannte «Bond Proxies» (Aktien mit defensiven Eigenschaften und guter Dividendenbilanz).

Neue Interessen

In Anbetracht des dramatischen Anstiegs der Anleiherenditen seit den ersten Bemerkungen von Bernanke haben die Anleger jedoch begonnen, sich stärker für konjunktursensitivere Bereiche zu interessieren.

Für viele Fondsmanager war in den vergangenen zehn Jahren der Bergbausektor, neben anderen konjunkturempfindlichen Grundstoffwerten, die erste Anlaufstation, wenn sie ihr Risiko erhöhen wollten.

Interessante Pharmakonzerne

Im Branchenvergleich gehörten Grundstofftitel im ersten Halbjahr 2013 jedoch zu den großen Verlierern. Der Wachstumsrückgang in China veranlasste viele Experten, ein Ende des Rohstoff-Superzyklus auszurufen. Ich sehe in dem Bereich nach wie vor wenig Kurspotenzial, da mit Überkapazitäten und fallenden Rohstoffpreisen noch länger zu rechnen ist.

Das bedeutet nicht, dass alle Aktien mit Bezug zu China und den Schwellenländern abgestoßen werden sollten. Die Entstehung einer wachsenden, auf sozialen Aufstieg bedachten Mittelschicht in Asien sollte für eine robuste Entwicklung der Verbraucherausgaben sorgen. Konsumtitel wie Richemont und Adidas dürften gut positioniert sein, um hiervon zu profitieren. Das Gleiche gilt für die Aktien einiger Pharmakonzerne, die in den letzten Jahren ihre Aktivitäten in den Schwellenländern ausgebaut haben.

Finanzsektor stärker gewichtet

Ein Bereich, den ich in den zurückliegenden sechs Monaten stärker gewichtet habe, ist der Finanzsektor. Der Fokus liegt hier auf Stabilität statt auf Konjunkturabhängigkeit. Zum ersten Mal seit vielen Jahren entspricht die Gewichtung des Sektors in unserem Portfolio in etwa der Gewichtung in der Benchmark.

Die Unterstützung durch die Europäische Zentralbank (EZB) und niedrige Bewertungen haben die Möglichkeit eröffnet, auf attraktivem, sicherem Niveau zuzugreifen.

Vorausgesetzt, der Anstieg der Renditen verläuft weiter in geordneten Bahnen und die Stabilisierung der Wirtschaft in der Eurozone setzt sich fort, dürften Finanzwerte auch künftig ein interessantes Revier für Anleger sein.

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