Die geringe Volatilität im Markt für Unternehmensanleihen hat zu einer Jagd nach Rendite geführt. Warum aber betrifft das immer nur die Liquidität der Obligationen und nicht die der Aktien?

Von Jim Leaviss, Leiter Fixed Income bei M&G Investments

Die Liquidität an den Märkten für Unternehmensanleihen ist in den vergangenen Monaten heftigst diskutiert worden. Unter anderem wurde dabei auch vor der «Jagd nach Renditen» auf Grund der geringen Wertschwankungen an den Finanzmärkten gewarnt. Doch warum betreffen solche Sorgen vor allem die Liquidität der Märkte für Unternehmensanleihen, nicht aber die der Aktienmärkte?

Als erster Grund ist die Zersplitterung der Kreditmärkte zu nennen. Während an den Aktienmärkten im Normalfall lediglich eine oder zwei Aktientranchen pro Unternehmen ausgeben werden, werden Obligationen mit unterschiedlichen Laufzeiten, Währungsdenominationen und Bedingungen emittiert.

Ein weites Feld

Das Angebot eines einzelnen Unternehmens kann so von Anleihen in australischem Dollar bis zum südafrikanischen Rand reichen, von variablen bis festverzinslichen Anleihen mit unterschiedlichen Restlaufzeiten bis zu unterschiedlichen Vorrangigkeiten innerhalb der Kapitalstruktur.

Die erste Möglichkeit, die Liquidität an den Anleihenmärkten zu verbessern, besteht also darin, bei den Emissionen gründlich auszumisten: ein Emittent, eine Aktie, eine Unternehmensanleihe.

Keine Market-Maker

Darüber hinaus werden Aktien an Wertpapierbörsen gehandelt, wobei Market-Maker dazu verpflichtet sind, Papiere zu erwerben und zu veräussern. Diese Verpflichtung gibt es an den Kredit-Märkten nicht – die zukünftige Liquidität nach einer Neuemission von Obligationen kann daher nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden.

Wie also könnte die Vereinfachung der Anleihenenemission umgesetzt werden? Als einzige Möglichkeit käme die Strukturierung von Papieren mit unbefristeter Laufzeit in Frage. Würde eine Firma weitere Kredite aufnehmen wollen, könnte sie zusätzliche Papiere derselben Anleihe ausgeben.

Verbindlichkeiten würden dann auf dieselbe Art getilgt werden wie bei Aktienkapital – durch die Ankündigung des Rückkaufs am Markt und der Übernahme und Tilgung der am Offenmarkt erworbenen Anleihen.

Kreditwürdigkeit als Nebensache?

Die Verzinsung dieser unbefristeten Papiere müsste variabel und pauschal zum Libor- respektive Euribor-Satz erfolgen. Würden aber sämtliche Unternehmensanleihen dieselbe Laufzeit aufweisen und exakt denselben Kupon zahlen, dann würde der Faktor Kreditwürdigkeit zur Nebensache werden – und der Anleihenkurs zum alleinigen Indikator. So würden Hochzinspapiere schwacher Emittenten deutlich unter ihrem Nennwert gehandelt, während die Kurse supranationaler AAA-Anleihen darüber liegen würden.

Doch was, wenn man als Endanleger nicht auf unbefristete Obligationen mit variabler Verzinsung setzen möchte? Dann könnte man beispielsweise die Duration (das heisst das Zinsrisiko) durch ein Engagement am äusserst liquiden Staatsanleihenmarkt oder dem ebenso liquiden Markt für Anleihen-Futures erhöhen.

Einige Schwierigkeiten

Solche neuartigen Anlageinstrumente mit identischen Zinssätzen könnten auch mit den weltweit liquidesten Finanzderivaten kombiniert werden – den Swap-Märkten. So könnten Anleger die Erträge eines variabel verzinsten Papiers in festverzinsliche Erträge umwandeln, was bereits heute von Vermögensverwaltern in hohem Masse genutzt wird.

Allerdings gibt es einige Schwierigkeiten und Einwände, die einer Umsetzung im Wege stehen. So dürfte ein Anstieg der Aktivitäten an den Swap-Märkten dazu führen, dass die Nachfrage nach Sicherheiten innerhalb des Systems wächst. Die dadurch zunehmende Komplexität der Märkte könnte die systemischen Risiken erhöhen.

Was geschieht mit «Schrott-Anleihen»

Ein weiteres Problem betrifft die Besteuerung: Emittenten so genannter «Schrott-Anleihen» würden ihre Papiere womöglich zu einem hohen Abschlag auf den Nennwert veräussern.

Konflikte mit Steuerbehörden, die dies als Umgehung der Einkommenssteuer sehen, könnten die Folge sein. Und schliesslich muss man einräumen, dass Banken und Finanzinstitute zwei unterschiedliche Anleihen emittieren müssten. Ein vorrangiges Papier und ein nachrangiges mit bedingtem Kapital (so genannte «CoCos»).

Für diesen Fall sollten die Behörden standardisierte Strukturen mit einem allgemeinen «Kapital-Trigger» und konkreten Vorgaben für eine mögliche Umwandlung schaffen. Derzeit gibt es diverse Kapital-Trigger, und einige Anleihen werden in Aktien umgewandelt, wohingegen andere vollständig getilgt werden.

Eine Aufgabe der Investmentbanken

Was das zweite Unterscheidungsmerkmal zwischen Obligationen und Aktien betrifft, so müssten die Investmentbanken den Kredit-Handel vollständig an die Börsen verlagern. Führende Anleihen-Händler ebenso wie Market Maker an den Aktienmärkten müssten zur Sicherstellung eines funktionierenden Handels verpflichtet werden.

Diese Ausweitung der Liquidität sollte letztlich dazu führen, dass die Kreditkosten für die Unternehmen sinken und die Sorgen um eine systemische Kreditkrise in Zukunft nachlassen.