Roy Scheepe vom Vermögensverwalter ING Investment Management hält einiges von den Frontier Markets. Im Interview nennt er die Gründe dafür.


Herr Scheepe, die Kluft zwischen den Schwellen- und Industrieländern wird immer enger. Wer folgt hier wem genau?

 

Die allgemeine Integration und die gegenseitige Abhängigkeit zwischen den Emerging Markets und den Industriestaaten haben in jüngster Zeit tatsächlich zugenommen. Aus diesen Gründen ist es heutzutage schwer zu beurteilen, welcher der beiden Blöcke wem folgt.

Eine Eigenschaft der Frontier Markets ist, dass diese bis zu einem gewissen Grad weniger von den globalen Entwicklungen beeinträchtigt wurden. Sie weisen eine eigene Dynamik auf und verfügen zudem über die «demografische Dividende».


«Lateinamerika war der Rendite-Champion»


Was heisst das?

Diese Länder verfügen über ein grosses Potenzial für eine Produktivitätssteigerung.

Welche Regionen haben in den vergangenen Monaten Ihr Interesse geweckt?

Natürlich Lateinamerika als «Rendite-Champion», was hauptsächlich auf Argentinien zurückzuführen ist. Demgegenüber hinkte der Nahe Osten der Entwicklung mit einer geringen Negativrendite am deutlichsten hinterher.


«Wir haben Postionen ausserhalb der Benchmark»


Auf Länderebene war Argentinien bei den Renditen führend, gefolgt von Belize, Sambia und Pakistan. Am anderen Ende des Spektrums waren Gabun und die Mongolei.

Was die Emissionen angeht, so brachten Jamaika, die Elfenbeinküste und Senegal im Juli Staatsanleihen auf den Markt. Dies war ebenfalls von Interesse.

Welche Länder bieten momentan die grössten Chancen für Investoren?

Wir glauben, dass sich die attraktivsten Chancen in Schuldpapieren der Frontier Markets befinden. Konkret im zentralen Osteuropa, im Nahen Osten sowie in Afrika. Dort haben wir unsere Einsätze in Zambia erhöht. In Mazedonien und Montenegro haben wir Positionen ausserhalb der Benchmark über mittelfristige Staatsanleihen erworben.


«Die Demografie ist sehr günstig»


Hinzu kommen neue Staatsanleihen aus der Elfenbeinküste, Senegal, Jamaika und frische Unternehmensanleihen aus Nigeria. Die Untergewichtung auf Lateinamerika und Sri Lanka haben wir weiter gesenkt, während wir unsere leichte Übergewichtung in Asien ebenfalls weiter reduziert haben.

Frontier Markets weisen kurzfristige Volatilität auf, werden aber längerfristig dank ihres Potenzials als die nächste Generation der Emerging Markets angesehen. Richtig?

Es ist zu erwarten, dass sich ihre Volkswirtschaften und Kapitalmärkte so entwickeln werden, wie es die etablierten Emerging Markets in den vergangenen Jahrzehnten getan haben. Das Wirtschaftswachstum in den Frontier Markets wird ausserdem von der günstigen Demografie unterstützt.


«Die Geschichte könnte sich wiederholen»


Dazu kommt die gesteigerte Produktivität durch ausländische Direktinvestitionen, die verbesserten institutionellen Rahmenbedingungen und die relativ geringe externe Verschuldung. Da das Interesse der Anleger wächst, sollten sich Tiefe und Breite der Finanzmärkte in den Frontier Markets nun dem Level der Emerging Markets annähern.

Für Investoren könnte sich die Geschichte der Emerging Markets im vergangenen Vierteljahrhundert bei den Frontier Markets wiederholen.

Wo sehen Sie die grössten Risiken?

Sie sind vor allem politischer Natur (bewaffnete Konflikte und Staatsstreiche), können aber auch auf Probleme bezüglich Transparenz zurückgehen. Darüber hinaus weisen viele der Länder derzeit relativ kleine und unterentwickelte Volkswirtschaften auf.


«Die Investorenbasis ist relativ klein»


So könnte ein starker Rückgang bei den Rohstoffpreisen sie mehr beeinträchtigen als die Emerging Markets. Nicht zuletzt können die Obligationen illiquider sein als die der grösseren Volkswirtschaften in den Schwellenländern, da ihr Emissionsvolumen in der Regel niedriger und auch die Investorenbasis kleiner ist.


Roy Scheepe ist Senior Client Portfolio Manager Emerging Markets Debt bei ING Investment Management.