Strategisch mache die Übernahme von Sika durch den französischen Konzern Saint-Gobain durchaus Sinn, sagt Laurent Bakhtiari von der IG Bank. Darum werden die Franzosen alles daran setzen, eine Lösung in der verfahrenen Situation zu finden.

Laurent Bakhtiari, Marktanalyst und Premium Client Manager bei der IG Bank

Vorab möchte ich festhalten, dass dieser Artikel nur die ökonomische Seite der Übernahme von Sika durch Saint-Gobain berücksichtigt und in keinem Falle die soziale Seite einbezieht. Diese ist zurzeit Gegenstand einer Debatte, die man in einem separaten Artikel beleuchten sollte und somit als Thematik hier keine Relevanz hat.

Am vergangenen 8. Dezember gab der französische Konzern Saint-Gobain den Kauf von 16,1 Prozent der Aktien Schweizer Bauchemiefirma Sika bekannt. Die Aktien erwarb der französische Konzern von der Gründerfamilie Burkard. Diese besonderen Aktien verleihen Saint-Gobain 52,4 Prozent der Stimmrechte.

Aderlass im Kollektiv?

Mit anderen Worten: Die Franzosen übernehmen die Kontrolle von Sika. Dies könnte das Ende dieser Geschichte sein. Doch der Verwaltungsrat und das Management dieses Schweizer Industrieunternehmens haben entscheiden, diese Übernahme nicht zu unterstützen. Man sei überrascht gewesen, dass man nicht gefragt worden sei, ob das Management von Sika damit einverstanden ist, liessen die operativen Sika-Manager verlauten. Im Kollektiv denkt man nun sogar darüber nach, die Firma zu verlassen, wenn der Ankauf vollzogen ist.

Alles in allem ist die Entscheidung Saint-Gobains strategisch doch sehr interessant. In der Tat scheint es so, als gäbe es zahlreiche Synergien, was übrigens von den Franzosen auch bestätigt wurde, die nach eigenen Angaben Einsparungen von 100 Millionen Euro im Jahr 2017 und 180 Millionen Euro 2019 erwarten.

Finanziell interessant

So geht man davon aus, dass die Mehrheit der Synergien im Bereich des Einkaufs zum Vorschein kommen wird. Was die Produktpalette angeht, scheinen Sika und Saint-Gobain ziemlich komplementär zu wirken. Auch geographisch gesehen verhärtet sich der Anschein einer lukrativen Zusammenarbeit. Unter anderem wird Saint-Gobain seine Präsenz in geografisch bis dato schwachen Gebieten wie Asien-Pazifik Raum oder  Lateinamerika, wo Sika schon stark präsent ist.

Darüber hinaus, was die französische Firma angeht, ist diese Übernahme finanziell interessant. Konkret bietet Saint-Gobain 2,75 Milliarden Franken für die Aktien der Familie Burkard. Um dies in Perspektive zu setzen: Vor dem Übernahmeangebot des französischen Unternehmens lag die Marktkapitalisierung Sikas bei 9,6 Milliarden Franken.

Schätzungen des Chefs

Demzufolge hat Saint-Gobain die schweizerische Firma für einen Betrag gekauft, der weniger als 30 Prozent seiner Marktbewertung ausmacht. Dies gibt dem französischen Unternehmen die Möglichkeit, die Übernahme durchzuführen ohne ein öffentliches Aktienkaufangebot zu unterbreiten zu. Zur Information: Die Marktkapitalisierung von Saint-Gobain liegt derzeit bei mehr als 22 Milliarden Franken.

Letztlich ist das finanzielle und strategische Geschäft, das Saint-Gobain eben gemacht hat, sehr interessant. Dank dieser Übernahme sieht der Generaldirektor der französischen Gruppe, Pierre-André de Chalendar, einer besseren Zukunft entgegen. In der Tat schätzt er, dass Sika «bereits im ersten Jahr positiv in die Bilanz von Saint-Gobain einfliessen kann».

Die Familie machte den ersten Schritt

Ausserdem wird, gemäss de Chalendar, diese Integration einen positiven Einfluss haben, und Sika wird bereits im vierten Jahr einen positiven Beitrag zum Gesamtergebnis beisteuern können.

Wie der Saint-Gobain-Chef weiter verlauten liess, war es die Familie Burkard, die ihre Absicht bekundete, ihr Aktienpaketes zu veräussern. Also haben die Franzosen lediglich ein Angebot unterbreitet, welches den Erwartungen der Familie Burkard entsprach.

Alles harmonisch?

Man kann also festhalten, dass auf dieser Ebene alles harmonisch verlaufen ist. Wie schon erwähnt, sind es der Verwaltungsrat und das Management, welche die Pläne zum Geschäftsabschluss durchkreuzen wollen. Und dies hat die Übernahme, die andernfalls einfach umzusetzen gewesen wäre, durcheinander gebracht.

In der Tat hat das Management damit gedroht, zurückzutreten, wenn die Übernahme vollzogen würde. Dies wiederum wäre für die französische Gruppe ein herber Verlust, weil die Managementriege für das Unternehmen eine grosse Erfahrungsquelle darstellt.

Franzosen werden Lösung finden

Auch für das derzeitige Management wäre dies eine unbefriedigende Situation, da sie durch die Übernahme ein grösseres Betätigungsfeld und deutlich höhere finanzielle Mittel zur Verfügung hätten, um das Unternehmen zu führen.

Aus diesem Grund bemüht sich Saint-Gobain seit einigen Tagen verstärkt, dem derzeitigen Management Alternativvorschläge zu unterbreiten. Zurzeit sind sich die Parteien noch nicht einig, aber wir können uns gut vorstellen, dass Saint-Gobain die richtigen Vorschläge noch findet...